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KING CRIMSON – Discipline

~ 1981/2022 (Panegyric) – Stil: Artrock ~


´Discipline´ wird am 22. September 1981 veröffentlicht. Es ist das erste von drei Studioalben, die KING CRIMSON in den Achtzigerjahren produzieren, insgesamt das achte. Es ist das rote Album der rot-blau-gelb gehaltenen Werkreihe dieser Periode.

Nach einer siebenjährigen Pause ist neben Mastermind Robert Fripp (Gitarre, Devices) allein Bill Bruford (Schlagzeug) aus der letzten Bandbesetzung verblieben. Anfangs hat Robert Fripp auch gar nicht das Interesse, KING CRIMSON wieder aufleben zu lassen.

Er kann den US-Amerikaner Adrian Belew (Gitarre, Leadgesang), der gerade von einer Tournee mit den TALKING HEADS zurückkommt, für eine Zusammenarbeit begeistern, und wählt als Bassisten Tony Levin (Stick, Bassgitarre) aus, den er von Peter Gabriels Band kennt.

In England stecken sie ihre Köpfe zusammen und schreiben an neuem Material, vorerst unter dem Banner DISCIPLINE. Erst kurz vor der Veröffentlichung fällt die Entscheidung, doch unter KING CRIMSON zu agieren.

 

 

Während sich die meisten Vertreter des Progressive Rock-Genres in den Achtzigerjahren dem Rock/Pop zuwenden, konzentrieren sich KING CRIMSON auf die Progressivität der Rhythmik und formulieren Experimente klar aus. Sie unterziehen sich mit Produzent Rhett Davies zwar ebenfalls einer Transformation, nehmen elektronische Elemente sowie Post Punk und New Wave, Funk und Minimalismus in ihren Sound auf, bleiben dabei aber einem avantgardistischen Ansatz treu. Ihre Rhythmen bekommen Knoten und behalten sehr wohl eine gewisse Harmonie bei.

KING CRIMSON setzen sich zwischen alle Welten und toben sich inmitten aus. Adrian Belew entlockt seinen Gitarren Geräusche wie von Tieren und Robert Fripp spielt zugleich die komplexesten Arpeggios, während Tony Levin mit seinem Chapman Stick der Stabilität das notwendige Gewicht verleiht und Bill Bruford sogar mit einem elektronischen Schlagzeug experimentiert. Die Musik ist im Jahre 1981 schlichtweg extravagant und zukunftsweisend.

 

 

Allein die klagenden (Tier-)Geräusche der Gitarrentöne können in ´Elephant Talk´ schwelgen, ansonsten herrscht gleich zu Beginn der A-Seite eine aggressive Stimmung. Zur eingängigen Basslinie agieren die Gitarren im polyrhythmischen Takt. Eine positivere Stimmung strahlt ´Frame By Frame´ aus, nimmt jedoch außerhalb des überaus melodischen Gesangsvortrages schnell wieder ein hektischeres Tempo auf.

Das Album hat bereits in diesem Moment mehr Stimmungen und Spannungen durchlaufen als andere auf ganzer Länge. Auf dem aktuellen 200g Vinyl darf und muss es auch laut gehört werden.

Mit ´Matte Kudasai´, japanisch für „Bitte warten“, schreitet es getragener, und mit jaulenden Gitarrensounds sowie „Frippertronics“ geradezu gespenstisch voran. Doch Tony Levins Stick und die mächtige Schlagzeugarbeit von Bill Bruford bereiten bereits eine geräuschvolle Kulisse für die Geschichtserzählung von ´Indiscipline´ vor. Basierend auf den von Adrian Belews Ehefrau übermittelten Erfahrungen beim Malen, schreit Belew den Wahnsinn dieser scheinbaren Tortur am Ende heraus.

Die B-Seite nimmt den Hörer umgehend rhythmisch in den Dschungel mit. ´Thela Hun Ginjeet´, ein Anagramm von „Heat In The Jungle“, erzählt zu seinem Beat von Adrian Belews Erfahrungen mit Straßengangs und der Polizei in London. Dagegen ist das instrumentale ´The Sheltering Sky´ von der 1949er Novelle des Beat-Poeten Paul Bowles inspiriert und gibt damit einen Vorgeschmack auf den Album-Nachfolger ´Beat´. An dieser Stelle kann Bill Bruford im mit acht Minuten längsten Song ganz seinem Naturell entsprechend klöppeln, während erst Robert Fripp und dann Adrian Belew ihre Gitarren zum Jaulen bringen. Als Zusammenfassung der aktuellen Entwicklungsstufe darf zum Abschluss das instrumentale Titelstück ´Discipline´ angesehen werden. Der afrikanische Rhythmus lebt sich zu perfekt interagierenden Instrumenten in einem minimalistischen Rocksong aus.

Ohne ´Discipline´ wäre die Musikgeschichte tatsächlich anders verlaufen, hätte es keinen Math Rock oder etwa in ihrer Form niemals TOOL, PRIMUS oder NINE INCH NAILS gegeben. Ein Meisterwerk.

Discipline is never an end in itself, only a means to an end.

 

 

 

Die 80s-Trilogie ist – zum 40-jährigen Jubiläum – erstmals auf 200g-Super-Heavyweight-Vinyl erhältlich, in einem fantastischen, nie besser tönenden Steven-Wilson-Mix. 

 

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