PlattenkritikenPressfrisch

KING CRIMSON – Beat

~ 1982/2022 (Panegyric) – Stil: New Wave/Artrock ~


´Beat´ wird am 18. Juni 1982 veröffentlicht. Es ist das zweite von drei Studioalben, die KING CRIMSON in den Achtzigerjahren produzieren, insgesamt das neunte. Es ist das blaue Album der rot-blau-gelb gehaltenen Werkreihe dieser Periode.

Erstmals treten KING CRIMSON auf einem Studioalbum zum zweiten Mal hintereinander in derselben Besetzung an: mit Mastermind Robert Fripp (Gitarre, Orgel, Frippertronics), mit Adrian Belew (Gitarre, Leadgesang), der die Achtziger-, Neunziger- und Nullerjahre der Band prägt, mit Tony Levin (Bassgitarre, Chapman-Stick), der die Band seit den Achtzigerjahren mit seinem Spiel bereichert, und Bill Bruford (Schlagzeug und Percussion), der seit den Siebzigerjahren bis in die Neunzigerjahre den Takt angibt.

 

 

Bereits mit dem Vorgänger, dem roten Werk, integrieren KING CRIMSON Post Punk und New Wave, Funk und Minimalismus in den Artrock. Doch bei ´Beat´ wird schon der Studioaufenthalt zur Zerreißprobe. Adrian Belew scheint mit der Belastung der Produktion und seinen Aufgaben als Sänger, Texter und Songwriter überfordert und wirft eines Tages sogar völlig ungehalten Robert Fripp aus dem Studio. Fripp sieht bereits zu diesem Zeitpunkt die Gruppe auf viel zu weiter Distanz zu ihren Ursprüngen, Belew diese nervenzerreißenden Aufnahmen als schrecklichste Produktion seines Lebens. Die Gruppe selbst steht vor dem Abgrund und findet erst wieder zusammen, als sie auf Tournee gehen soll.

Diese Last des zwischenmenschlichen Dramas überschattet seither die magische Kraft von ´Beat´, lässt jedoch nach all den Jahrzehnten innige und lieb gewonnene Kompositionen zum Vorschein kommen. Auch wenn sich ´Beat´ in der Achtzigerjahre-Trilogie als Stiefkind fühlen mag und sich trotz aller krummen Takte wegen seiner beinahe federleichten New Wave-Schicht grämt, stechen die Kompositionen bei genauerer Betrachtung meilenweit über das gebotene Einheitslevel der frühen Achtzigerjahre heraus. Die übernatürlichen Fähigkeiten von Robert Fripp und Adrian Belew, die basssicheren Talente von Tony Levin und die perkussiven von Bill Bruford stehen ohnehin außer Frage.

Zudem ragt es aufgrund seines Konzeptes unter allen KING CRIMSON-Werken heraus. Alles andere wäre schließlich Gotteslästerung. Beflügelt durch den 25. Jahrestag der Veröffentlichung von Jack Kerouacs „On the Road“, lässt sich Adrian Belew nämlich nicht nur von diesem Buch, sondern von der gesamten Beat-Generation der Fünfzigerjahre inspirieren.

 

 

Doch nicht nur die Musik von KING CRIMSON unterscheidet sich in den Achtzigerjahren gegenüber der aus den Siebzigerjahren, auch der Gesang malt nicht mehr die Landschaften und erzählt nicht mehr diese farbenprächtigen Geschichten. Die Jahre mit Frank Zappa und David Bowie, aber insbesondere die mit den TALKING HEADS haben den Gesang des New Yorkers geprägt.

Adrian Belew singt vom Leben auf der Straße, ´Neal And Jack And Me´ bezieht sich dabei auf den Beat-Autor, den US-amerikanischen Schriftsteller Jack Kerouac und dessen Freund Neal Cassady. Während dieser Asphalt-Erzählung explodieren in einer insgesamt eindringlichen und enervierenden Melodie immer wieder die Gitarren, derweil Robert Fripp ebenso an der elektrischen Hammond-Orgel Stellung bezieht. Dagegen könnte ´Heartbeat´ auch von FOREIGNER sein, würden diese mit New Wave und Avantgarde experimentieren. Titel und Geschichte entstammen dem gleichnamigen Buch von Neal Cassadys Frau Carolyn und bietet sich für das Nachtprogramm im Radio an.

Tony Levin eröffnet hernach mit seinem Chapman Stick das instrumentale ´Sartori In Tangier´, das seinen Titel an das Buch „Satori in Paris“ von Jack Kerouac und die marokkanische Hafenstadt Tanger anlehnt, die in den Fünfzigerjahren von den Autoren der Beat-Generation für sich entdeckt wurde. Weltmusikalische Tendenzen offenbart ebenso ´Waiting Man´ zum Abschluss der A-Seite, mit höhergestimmten elektronischen Drums von Bill Bruford für einen Marimba-ähnlichen Rhythmus.

Unter Sirenen und Pfeifen startet ´Neurotica´ den echten Crimsonesken Wahnsinn. Benannt nach einer Zeitschrift aus der Beat-Ära, tobt sich das ursprünglich ´Manhattan´ betitelte Stück mit Sprechgesang und starkem Schlagzeugspiel in der Hitze der Großstadt aus. Demgegenüber scheint ´Two Hands´ der Avantgarde der späten TALK TALK vorauszugehen. Leicht aufrührerischer wird alsbald ´The Howler´, dessen Titel von dem bekanntesten Gedicht des US-amerikanischen Schriftstellers Allen Ginsberg abgeleitet ist. Robert Fripps Exkursion mit der Frippertronics-Schleife eröffnet das instrumentale ´Requiem´ zum Abschluss der B-Seite. Den weiteren dunklen Weg begleiten noch die röhrende Gitarre sowie Bill Brufords leichtes und jazziges Spiel.

´Beat´ lebt schlichtweg den mit dem Vorgänger neu definierten Sound von KING CRIMSON in der Ästhetik der 80er Jahre aus und erweist sich als weitere abenteuerliche Reise voller hochgradiger Musikalität in Polyrhythmik.

Schlage!

 

 

 

Die 80s-Trilogie ist – zum 40-jährigen Jubiläum – erstmals auf 200g-Super-Heavyweight-Vinyl erhältlich, in einem fantastischen, nie besser tönenden Steven-Wilson-Mix. 

 

https://www.facebook.com/kingcrimsonofficial/