MeilensteineVergessene Juwelen

FRANK ZAPPA – Hot Rats

~ 1969/2016 (Zappa Records/Barking Pumpkin Records) – Stil: Rock / Jazz Fusion ~


Heiße Ratte auf kalten Eiswürfeln. ´Hot Rats´ heißt im Oktober 1969 das zweite Soloalbum von Frank Zappa. Die Eiswürfel gibt es gratis dazu. Gerade weil der verwahrloste Swimmingpool auf dem Coverartwork kein Chlorwasser mehr zu bieten hat, kommen die Ratten in Scharen angetrippelt. Wahrscheinlich Wanderratten, die inklusive Schwanz eine Größe von 40 cm erreichen können. Doch eine hartnäckige Lady lugt noch verängstigt über den Beckenrand, Christine Frka alias Miss Christine von THE GTOs. Dass sie zu jener Zeit auf einem Gatefold-Cover abgebildet wird, ist bei einem Einzelalbum eine echte Ausnahme. Doch so sehr sich Ratten auch anstrengen, sie sehen nicht das Coverartwork als Infrarotfotografie. Dafür ist bei diesen Allesfressern der Tast-, Geruchs- und Gehörsinn ganz ansehnlich ausgebildet. Frank Zappa betrachtet in jenen Tagen ´Hot Rats´, sein erstes seit der Auflösung der MOTHERS OF INVENTION, als sein Solo-Debüt, sein Orchesterwerk ´Lumpy Gravy´ außen vor gelassen. Sein erstes Werk ohne lyrische Satirestücke, da von sechs Kompositionen ohnehin fünf rein instrumental sind, vertieft sich ganz in die neue Technik von 16-Spur-Aufnahmegeräten. Sogar an der Bandgeschwindigkeit wird erstmals manipuliert. Dieser „Film für deine Ohren“, wie Frank Zappa in den Linernotes ´Hot Rats´ umschreibt, explodiert zwischen Jazz-Improvisationen und Jams in der Urkraft des Rock. Eine rattenscharfe Entwicklung, die in direkter Konkurrenz mit wenigen anderen Werken steht. ´Hot Rats´ kämpft mit MILES DAVIS‘ zur selben Zeit aufgenommenem ´Bitches Brew´ und mit THE TONY WILLIAMS LIFETIMEs ´Emergency!´ samt John McLaughlin und Larry Young um das Zepter des ersten Fusion-Werkes. Tatsächlich sind Wanderratten die allerbesten Krankheitsüberträger und Hygieneschädlinge. Doch Frank Zappa lässt Wandermusiker nur bedingt zu. Er komponiert und arrangiert, er produziert ´Hot Rats´ in seiner Gänze selbst. Er spielt hauptsächlich die Leadgitarre und holt sich als wichtigsten Mitmusiker den einzigen ex-MOTHERS und Multiinstrumentalisten Ian Underwood an seine Seite. Langsam beginnt sogar Frank Zappa, Studioaufenthalte zu lieben, denn mit den neuesten Aufnahmegeräten kann er die Instrumente reichlich schichten und Ian Underwood spielt dazu Klavier, Synthesizer und Orgel sowie mehrere Flöten, Klarinetten und Saxophone. Dabei verfügen Wanderratten tatsächlich über ein ausgeprägtes Lernvermögen. Besonders Don „Sugarcane“ Harris and Jean-Luc Ponty, die beide E-Geige spielen und somit Vorreiter für kommende Musikgenerationen sind, prägen als weitere Mitmusiker den Sound. Mehr als interessant ist desgleichen die Rhythmusgruppe, bestehend aus den Bassisten, Max Bennett und der 15-jährige Shuggie Otis, und den Schlagzeugern, John Guerin, Paul Humphrey und Ron Selico. So entsteht in wenigen Wochen die Weltneuheit ´Hot Rats´, 1969 eine erlesene Mischung für Liebhaber des Jazz, des Progressive und des Psychedelic Rock. Die vermehrungsfreudigen Wanderraten haben auch nur eine Tragezeit von drei Wochen. Dann kommen die erhitzten Ratten und bringen jazziges und schräges, zugleich gewandtes und köstliches, kaltes und heißes. Die A-Seite fräst sich mit dem heutigen  Fusion-Standard, dem Zappa-Klassiker ´Peaches En Regalia´ in mehr als drei Minuten zwischen Jazz Rock und Prog Rock ins Gehirn ein. Frank Zappa brilliert mit einem Solo, Ian Underwood an Flöte, Saxophon und Klarinette. Die B-Seite folgt derselben Spur. ´Little Umbrellas´ kann sich in ähnlicher Kürze mit sanften Keyboards und Bläsern zwischen Jazz Rock und Prog Rock ausleben. Der nächste echte Klassiker steht im Anschluss auf der A-Seite mit dem Neunminüter ´Willie The Pimp´ an. Eben beendet Frank Zappa noch die Produktion von CAPTAIN BEEFHEARTs Meilenstein ´Trout Mask Replica´, jetzt singt sein langjähriger Freund das einzige Lied mit Gesang ein. Wilde Soli von Don „Sugarcane“ Harris an der Geige und von Frank Zappa an der Gitarre schließen sich an. Die B-Seite hat an dieser Stelle gleichfalls einen Klassiker, das dreizehnminütige ´The Gumbo Variations´ anzubieten. Neben Zappa begeistern in dieser glückselig machenden Jam-Darbietung Saxofonist Ian Underwood, Violinist Don „Sugarcane“ Harris sowie die Rhythmussektion. Die A-Seite schließt ein weiterer üppiger Jazzrocker, der Neunminüter ´Son Of Mr. Green´, die B-Seite der Fünfminüter ´It Must Be A Camel´ ab. Aus ersterem, der instrumentalen Fortsetzung des 1969er ´Uncle Meat´-Songs ´Mr. Green Genes´ entwickelt sich gar die Legende, dass Frank Zappa mit dem Schauspieler aus der Fernsehsendung „Captain Kangaroo“ verwandt wäre, der der „Mr. Green Jeans“ darstellt. Letzterer Song schließt das 43-minütige Werk mit der anhaltenden Verwendung von Quintolen und dem Violinenspiel von Jean-Luc Ponty ab. Da können sich die Ratten wieder in ihre heißgeliebte Kanalisation zurückziehen.

Klassiker.

 

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