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MCB – Heavy Mörtel Mischmaschine (1985-1989)

~ 2019 (German Democratic Recordings) – Stil: Heavy Metal ~


Eine der Bands, die dem Rezensenten über die Pubertät hinweghalfen, war ganz klar MCB. 1983 in Magdeburg gegründet, unter anderem aus Mitgliedern der verbotenen MAGDEBURG, war das Trio eine der wichtigsten Metalbands in der DDR. Dass sie in der Dreierbesetzung, nicht zu Unrecht, als MOTÖRHEAD des Ostens bezeichnet wurden, verwundert nicht, sie hatten ja auch mit ´I Got Mine´ und ´Ace Of Spades´deren Songs im Liveset.

Der Bandname, entstanden aus den Anfangsbuchstaben der Gründungsmitglieder, blieb trotz einiger Besetzungswechsel, erhalten. Einzig Bassist und Sänger Mike Demnitz war stets Mitglied und Kopf der später in Dresden ansässigen Band. Leider haben sie nie ein Album aufnehmen können, allerdings haben sie vier Songs auf einer Amiga-Kleeblatt-LP unterbringen dürfen. Auch nach der Wende gab es einige Versuche, mit wechselnden Besetzungen, MCB am Leben zu erhalten. Das war nie so recht von Erfolg gekrönt. Mike Demnitz hat heute eine Gitarrenschule in Freital bei Dresden. Gitarrist/Sänger Sebastian Baur spielt seit 1996 bei KNORKATOR.

Jetzt ist es endlich gelungen, sämtliche Aufnahmen des Rundfunks der DDR im Deutschen Rundfunk Archiv zu entstauben (offiziell nennt sich das Audio-Restauration und Finalisierung), ein toller Job von Patrick W. Engel, der sich schon länger um die ostdeutsche Szene verdient gemacht hat. Weiter zu nennen ist natürlich auch Hendrik Rosenberg, dem Kopf von GDRecordings, wo das gute Stück zu erwerben ist. 156 Minuten Musik verteilt auf zwei CDs, das ist Stoff für die Ohren.

Jetzt aber zur Mucke! Was war denn im Archiv von MCB zu finden?

CD 1 bietet zuerst einen Konzertmitschnitt vom 25.01.1985 in Schönebeck bei Magdeburg mit einem geradezu frischen und klaren Sound. Ich gestehe, da waren meine Erwartungen weniger hoch. Stilistisch stellenweise noch nicht ausgereift, sind dennoch dort schon Songs im Programm gewesen, die die Band bis in ihre späteren Besetzungen begleiten sollten, allen voran ´I Got Mine´, ´Doktor, Doktor´ (kein Cover des UFO-Classics) und ´Hexenjagd´. Insgesamt angelehnt an frühem Heavy Metal, ein paar Spritzer MOTÖRHEAD, eine Prise Hard Rock, erste Schritte, harte Musik zu etablieren wurden hier schon gegangen. Bass- und Drumsolo, zu der Zeit bei vielen Konzerten Standard, heute nicht mehr zwingend nötig, mögen auf einem Tonträger nicht der spannendste Inhalt sein, hier sind sie auch als Dokument zu hören. Und die Soli Mike Demnitz‘ gehörten und gehören zu MCB wie der Leipziger ins Allerlei.

Als Hidden Track leitet ein zwölfminütiges Interview von Lutz Schramm mit den beteiligten Musikern für den Rundfunk der DDR über zum Schlusssong des ersten Silberlings. Um einen besonders fetten Klang zu erzeugen wurde ´Im Kontaktclub´ Ende August 1985 im leeren Schwimmbecken eines Radebeuler Hallenbades aufgenommen, unter anderem mittels einem Kunstkopf. Das sollte vor allem auch den Stereoeffekt verstärken. So klingt ein eigentlich wenig spektakulärer Song doch ziemlich fett.

Die zweite Scheibe beginnt mit acht Songs, die im Studio im Funkhaus in der Berliner Nalepastraße ab 1986 entstanden sind. Studios gab es in der DDR eher wenige, viele harte Bands nahmen im Studio des Prinzip-Gitarristen Jürgen Matkowitz auf. Diesem Einheitsklang konnten MCB entgehen. Ich erinnere mich gerne an die ´Heavy Mörtel Mischmaschine´, den ´Eisenmann´ oder das ´Kommando 308´. Hier kommen dann auch die MOTÖRHEAD-Einflüsse erst richtig zum Tragen. Ihr Signaturesong wurde allerdings das ´Lied Des Galgenbruders An Sophie Das Henkersmädchen´, nach einem Text von Christian Morgenstern. ´Vergiß es´ richtet sich gegen übermäßigen Alkoholkonsum, hin und wieder mussten Metaller auch mal staatstragende Äußerungen tun, um die Spielberechtigung zu behalten. Hier wirkt es zumindest nicht peinlich. Mit dem ´Fest Des Wüstling´ schufen MCB noch eine zweite Morgenstern-Vertonung, die dafür aus heutiger Sicht schon fast als Kommentar auf die Zustände im „Arbeiter- und Bauernstaat“ gesehen werden kann.

MCB entwickelten sich, parallel zu anderen Bands in der damaligen DDR wie PANTHER oder MOSHQUITO, immer mehr hin zum Thrash Metal. Der letzte Studiosong ´Rage Out´ hat so erste Thrash-Einflüsse zu bieten. Dieser ist mir bis dato unbekannt geblieben, möglicherweise war sein erster Radioeinsatz erst nach meinem Verlassen der DDR?

Zum Abschluss gibt es noch elf Livesongs. Diese entstanden am 22.07.1988 beim 5. Berliner Rocksommer auf der Insel der Jugend. Einige der Songs dieses Konzerts kann man auch bei youtube als Filmaufnahmen finden. Im Vergleich zu den frühen Livesongs agieren MCB hier räudiger und metallischer. Allerdings ist der Sound hier weniger gut als bei CD1. Spannend ist allemal, zu verfolgen, wie sich einige Stücke verändert haben, oder wie bei Konzerten das Tempo noch angezogen wurde.

Ich bin begeistert, mit diesem Doppeldecker eine Reise zurück in der Zeit machen zu können. Zurück in meine Jugend. Die kann ich mir sicher nicht zurückholen, aber einige Erinnerungen konnten hier geweckt werden. Auch wenn da viel Nostalgie drin steckt (keine Ostalgie, nicht falsch verstehen), 9 Punkte sind von meiner Seite zu zücken.

Hier noch das Henkersmädel live zum Sehen und Hören: