Redebedarf

MOSHQUITO – Mosh in Thüringen

~ Interview mit André „Rudi“ Nebel ~


1987 saß ein pubertierender Kochlehrling samstags am Radio, um die Metalstunde zu hören und seine Kassetten mit Musik zu füllen. Und plötzlich wurde er hellhörig. Diese Melodie kam ihm die bekannt vor.

Wer soll das sein? MOSHQUITO aus Zwickau, eine DDR-Band covert mit ´Penny Lane´ von den BEATLES einen West-Song. Dazu noch in englisch! Wie geil ist das denn? Das war neu. Wenn ich vorher Coversongs im Radio hörte, waren die eingedeutscht. Man stelle sich vor, CINDY & BERT singen ´Paranoid´, so hörte sich das sonst an… Jetzt also MOSHQUITO. Die waren bis dahin die härteste Band aus dem Lande, die ich gehört habe. Gegründet als ARGUS, hatten sie unter einem Spielverbot zu leiden, darum nun ein Namenswechsel. Die Geschichte dieser Band wollen wir nun Revue passieren lassen.

Rudi, Du warst ja nicht von Anfang an dabei, ich hoffe jedoch, Du kannst dennoch kurz erklären, wie es zum Namenswechsel von ARGUS zu MOSHQUITO kam.

Wie du schon treffend angedeutet hast, kam es zu Drangsalierungen seitens der Staatsmacht, da zu den Konzerten von ARGUS immer mehr von der Obrigkeit nicht gerade geschätztes Publikum kam. Dies nahm Ausmaße an, die die Auftrittsorte der Band aus allen Nähten platzen ließen, und nicht selten kam es auch zu Zwischenfällen, die solche Massenansammlungen eben mit sich bringen, vor allem, wenn etlichen Fans wegen Überfüllung der Zutritt verwehrt wurde. So wurde die Band zwar nicht direkt verboten, jedoch wurden die Veranstalter unter Druck gesetzt, ARGUS-Konzerte abzusagen bzw. gar nicht erst ins Programm zu nehmen, so dass die Band dann schlicht keine Muggen mehr hatte.

Also täuschte man mit der Umbenennung eine Neugründung vor und es ging weiter wie eh und je. Es grenzt an ein Wunder, dass das so funktionierte, denn die Besetzung änderte sich quasi nicht. Da sich auch der Musikstil von Hardrock/Heavy Metal zu härteren Klängen änderte, sollte der Begriff „Mosh“ im Namen vorkommen, damit von vornherein klar war, was abgeht. 😉

`Penny Lane´ ist zumindest bei mir gut angekommen, kennst Du andere Reaktionen?

Ausnahmslos positiv! ´Penny Lane´ entwickelte regelrechten Kultstatus und ist bis heute eine Art Aushängeschild. Neben ´Mosh In Moscow´ oder ´Saufen schmeckt gut´ ist das ein Song, an den sich noch heute jeder erinnert.

Das zweite Demo ´Mosh In Moscow´ war schon politischer, oder? Hat das Reaktionen der Obrigkeit hervorgerufen? Ich meine, ein Songtitel wie ´For The Communist Emperor´ kann doch nicht folgenlos bleiben?

Nun, es war ja nicht so, dass wir das Demo jedem auf die Nase gebunden haben. Die Kassetten wurden ohne großes Aufhebens zu den Konzerten unter die Leute gebracht. Dies wurde sicherlich auch von der Stasi registriert, aber ich denke, das Erscheinen des Demos fiel in eine Zeit, in der die Jungs genug andere Sorgen hatten. ´Solitary Land´ zum Beispiel bezieht sich auf die Geschehnisse auf dem Platz des himmlischen Friedens 1989 in Peking, und was noch im selben Jahr bei uns geschah, ist bekannt. Fakt ist, ein paar Jahre früher wäre das sicherlich so nicht durchgegangen.

 

Blick ins Publikum irgendwann um 1988

 

Gibt es irgendwelche Schwänke, die zeigen, wie das System DDR funktioniert hat?

Bezogen auf die Band kann ich da nicht viel dazu sagen, ich bin ja erst nach dem Mauerfall eingestiegen. Mangels „Einstufung“ hätte ich damals noch gar nicht spielen dürfen… 😉 (Mit Einstufung wurde die offizielle Spielerlaubnis bezeichnet, die jeder Musiker in der DDR benötigte, um überhaupt mehr oder minder professionell zu musizieren. Anm. d. Verf.)

Ich erinnere mich an zwei eigene Songs mit deutschen Texten (´Karrieremänner´, ´Wieviel bleibt mir noch Zeit´), die eigens für eben diese Einstufung noch als ARGUS geschrieben wurden. Es war Bedingung, dass die Texte deutsch zu sein hatten und keine irgendwie der sozialistischen Philosophie widersprechenden Inhalte haben durften. Auch für Bands galt ja das berühmte 60:40-System, also hatten die Eigenkompositionen den Kriterien der Genossinnen und Genossen zu entsprechen. Die Einstufungskommission war allmächtig, und wenn die nicht wollte, gab‘s keine Spielerlaubnis.

Da ich mit dem damaligen Schlagzeuger schon eng befreundet war, weiß ich, dass der eine Zeit lang ziemlich böse von der Stasi verfolgt wurde. Das ging bis zur psychischen Erschöpfung. Ich gehe davon aus, dass man sich ein offenes Auge und Ohr innerhalb der Band wünschte. Aber er konnte mit viel Mühe widerstehen…

Es gibt eine Anekdote, zu der es sogar noch ein Datum gibt. Am 30. April 1988 spielte die Band, noch als ARGUS, in Röderau bei Riesa, zusammen mit DESASTER AREA. Das war einer der Stammsäle, wo ARGUS sehr oft spielte. Die Hütte war dermaßen brechend voll, und es waren noch sehr viele Leute unterwegs, dass die vor Ort wachende Stasi sich gezwungen sah, der Band anzuweisen, sofort anzufangen, lange vor dem eigentlichen Beginn. So verpassten viele den ARGUS-Gig, was natürlich für großen Unmut sorgte. Wahrscheinlich war das dann auch einer der letzten Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte und letztendlich zur Umbenennung führte.

Eine weitere sehr interessante Geschichte ist ein Gig in Gera, der von der Wismut (Bergbauunternehmen in der DDR –  das hier abgebaute Uran war die Grundlage der sowjetischen Atomindustrie Anm. d. Verf.) veranstaltet wurde. Es waren ebenfalls wieder ziemliche Massen unterwegs zum Spielort, so dass der Veranstalter kalte Füße bekam und die Mugge kurzerhand absagte. Die Band nahm sich daraufhin eine Anwältin und zog gegen den Veranstalter vor Gericht. Erstaunlicherweise konnten die Jungs den Prozess für sich entscheiden, und die Wismut musste der Band 600 Mark der DDR Gage zahlen. Das grenzte damals an eine Sensation!

Das nächste Demo erschien ja schon nach dem Ende der DDR. Hat sich da noch jemand dafür interessiert?

Nein, leider nicht. Zunächst wurde uns ja sogar ein Plattenvertrag angeboten, was sich aber schnell als Nepp erwies. Wir bekamen das zum Glück noch vor der Unterschrift mit, und so löste sich das Ding in Luft auf. Das Demo stellten wir dann in Eigenregie her, aber es fehlte ja an allem. Ordentliche Produktion, Vertrieb, Werbung, das alles kannst du allein nicht stemmen. Am Ende sollte es auch nur eine Art Bewerbungsdemo für Plattenfirmen sein, um vielleicht doch noch an einen vernünftigen Deal zu kommen, aber es passierte rein gar nichts. Die Zeit war auch extrem ungünstig, denn für Ostmetal interessierte sich kein Mensch mehr. Durch den Mauerfall konnte man ja nun jedes beliebige Konzert besuchen. Ich denke, das war der Todesstoß für die meisten Bands aus dem Osten. Zumindest vorläufig.

Wie habt Ihr denn Eure Fans in der DDR erlebt? Haben die auch Eure eigenen Songs abgefeiert?

Natürlich, die haben alles gefeiert! Da hätte man auch ´Hänschen klein´ spielen können… 😀 Jedes Konzert war eine Riesenparty! Die Tatsache, dass so etwas im real existierenden Sozialismus überhaupt stattfinden durfte, war schon Grund genug zum Feiern! Und die eigenen Songs, die gespielt wurden, waren ja für die Fans gemacht, und nicht für irgendwelche Schlipsträger, die dir die „Pappe“ gegeben oder weggenommen haben. 😉 Speziell die bereits genannten Stücke wurden sogar vehement verlangt!

Wie war denn so das Verhältnis zu Euren Kollegen?

Auch hier bin ich eigentlich der falsche Ansprechpartner, aus genannten Gründen. Aber ich glaube, da gab es kaum Berührungspunkte. Meines Wissens waren gemeinsame Konzerte eher von Konkurrenzdenken geprägt als von Freundschaft. Wahrscheinlich wurde mit dem einen oder anderen mal einer gesoffen, aber das war es dann auch schon.Zu NOBODY aus dem Vogtland, die es heute auch noch oder wieder gibt, wurde damals ein recht freundschaftliches Verhältnis gepflegt. Man teilte sich zum Beispiel die PA, und es wurden auch viele gemeinsame Konzerte gespielt. Diesen engen Kontakt gibt es aber heute auch nicht mehr.

Mit wem habt Ihr heute noch Kontakt?

Soweit ich weiß, mit keinem. Kürzlich kontaktierte uns Sven Rappoldt von METALL, um uns auf sein METAL GODS Open Air in Berlin Hoppegarten zu packen. Es gab auch mal einen engeren Kontakt mit MACBETH, aber der ist inzwischen kaum noch vorhanden.

 

 

Zwischenzeitlich wart Ihr immer wieder von der Bildfläche verschwunden. Umso erstaunlicher, es gibt ein neues Album ´Far Beneath The Tombs´. Das ist mir noch unbekannt, bring doch mal Gründe vor, warum man es unbedingt haben muß!

Weil es einfach ein geiles Album ist? ;)Nun ja, es ist immer schwierig, sich selbst zu bewerten, aber nach unserer Ansicht ist es das beste, was wir bisher abgeliefert haben. Hier passt alles bis ins kleinste Detail.Da wir einen Amerikaner am Mikro hatten, der auch alle Texte bis auf einen geschrieben hat, kannst du auch von vernünftigen Lyrics ausgehen. Das war vorher immer so ein bisschen unser Problem. Wenn du als Deutscher Englisch schreibst, wirkt das immer irgendwie unbeholfen, selbst, wenn grammatisch alles passt. Uns fehlt einfach die richtige Ausdrucksweise. 😉 Ansonsten kannst du dich auf einen feinen, sehr technischen Death Metal mit gewissen Thrash-Einflüssen freuen. Auch die Produktion ist erstklassig. Die Scheibe drückt sehr ordentlich. Wir sind selbst absolut überzeugt von unserem Machwerk und auch ziemlich stolz darauf. 🙂

 

 

Unter dem Titel ´Metallic Grave´ sind die ersten beiden Demos als Vinyl bei German Democratic Recordings erschienen. Dort gibt es auch die aktuellen Alben. Gerade Freunde härterer Kost sollten hier mal ein Ohr spenden. Spannend ist vor allem, die Entwicklung von MOSHQUITO von 1988 bis heute zu beobachten. Denn schon die frühen Songs zeigten, wo am Ende die Reise hingehen sollte.

http://gdr.ostmetal.de/ (German Democratic Recordings)

 

Die Fotos stammen aus der Facebook-Gruppe Ost-Metal