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SPIRITUAL VOID – Wayfarer

~ 2023 (Journey’s End Records) – Stil: Doom ~


An den Bodensee und die Stadt Konstanz erinnere ich mich dunkel. Wir sind ab 1981 bis 1989 immer im Schwarzwald in Urlaub gewesen, etwas weiter westlicher nahe der Schweizer Grenze. So kam es, dass wir uns auch einmal auf die Blumeninsel Mainau im Bodensee verirrten, wo eine alte Dame meinen Cocker Spaniel Richie mit einer Frikadelle fütterte. Schöne, unbeschwerte Zeit meiner Kindheit. Dass es tatsächlich dort auch Heavy Metal, noch dazu morbide düsteren, brodelnd heißen Doom gäbe, daran hätte ich damals nie gedacht. Ich wusste gerade mal, wer die BEATLES waren und dass Elvis oder Bill Haley Rock’n’Roll gespielt haben. Nun, einundvierzig Jahre später sitze ich an einem Schreibtisch und genieße den Sonntag im Wachbüro einer Baustelle. Man muss ja auch von etwas leben, Luft, Liebe und Doom reichen nur für eine kurze Weile. Aber ich kann Musik hören, weil hier wirklich nichts los ist. Warum nicht SPIRITUAL VOID, die mir mein lieber Freund Martin, Inhaber von „Journey’s End Records“ aufs Auge drückte. Er ist ein Freund, zeitgleich aber auch Ehrenmann genug zu wissen, dass Freundschaft allein für eine gute Kritik nicht reicht, also spitze ich die Ohren und lausche der von ihm sehr lautstark gepriesenen Musik. Ich vertraue einigen Menschen und weiß, wenn sie etwas auf ihren Labels veröffentlichen, dann wird es mir zu einem musikalischen Fest. Und SPIRITUAL VOID sind da keine Ausnahme.

Ich weiß nicht, ob ich viel über den Doom der Süddeutschen schreiben muss. Ihr kennt den guten alten SIR LORD DOOM und wollt seine Lobeshymnen verpackt in epische Geschichten lesen. Aber manchmal fehlen selbst mir altem Recken die Worte, weil das angehörte Werk ganz urtypisch alle Identifikationspunkte eines Genres wiedergibt. So ist es auch bei SPIRITUAL VOID, welche Doom sind, wie eine Band nur DOOM sein kann. Die Riffs werden mit einer stark kratzend verzerrten Gitarre gespielt, sind sparsam gesetzte Akkorde und zermahlen Dir förmlich die Seele. Diese beinahe erdrückende Schwere wird von wenigen erhaben schönen Leitharmonien unterbrochen, hier und dort, wo es sich gerade ob der Verdichtung der Atmosphäre anbietet. Wenn der eingängige, mittelhohe und melodische Gesang nicht wäre, könnte man SPIRITUAL VOID locker in die Mitte Englands, zwischen Liverpool und Sheffield stecken wollen, wo sehr viele Bands in den frühen 90er Jahren die Stimmung eines uralten verwitterten Friedhofs zu nebeliger Abendstunde im Herbst in Musik ummünzten. Nun, echte Frohnaturen sind die Schwaben von SPIRITUAL VOID nicht, dafür sind ihre Weisen einfach zu dunkel, zutiefst traurig und verloren. Der beschwörende Gesang dringt dabei in Mark und Bein vor, kitzelt Deine Sinne mit Inbrunst. Vom Stil her könnte ich auf eine in der Szene recht bekannte finnische Kapelle mit kurzzeitigem Mainstreamerfolg verweisen, die vor rund zwanzig Jahren den Doom Metal wieder von seiner episch majestätischen Abgehobenheit befreite und dabei treu zu den Wurzeln stehend in den Schmutz der Hinterhöfe und kleinen Kaschemmen zurückbrachte. Rein klanglich wohlgemerkt. SPIRITUAL VOID sind dabei auch wirklich sortenrein, lehnen jedwede psychedelisierte Komponente ab. Und so klingt die Musik dann auch sparsam, reduziert, beinahe nackt. Die Songs schleppen sich waidwund aus den Boxen und wenn die zwar ebenso sparsam konzipierten, dennochpackenden Melodien nicht wären und eben jener emotional beinahe schon exaltierte Gesang, das Album wäre ein sehr zähes Vergnügen geworden, ein Vergnügen aber durchaus. Wenn soliert wird, dann mit brodelnder Lust und Leidenschaft. Die Leadgitarre erstrahlt hier in einem unglaublichen Glanz. Wenn ich meinen alten Freund Markus vom Metal Message zitieren sollte, der traf mit seiner Bezeichnung für solch erhabene Musik stets ins Schwarze: ABARTIG.

Doomheads, die auf lange, genussvoll zelebrierte Stücke in einem gemächlich dahinschlendernden, zuweilen aber auch tödlich verwundet wirkend schleppenden Rhythmus stehen und aus allem Minimalismus noch sowas wie hitverdächtige, einprägsame Musik heraushören mögen, werden dieses Album absolut vergöttern. Aber eben nur diese. Sparte bleibt Sparte. Egal…ein Hochgenuss

(10 Punkte)

 

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