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DISPYRIA – The Story Of Marion Dust

~ 2023 (El Puerto Records / Edel – KNM) – Stil: Melodic Power Metal Konzeptalbum ~


Viermal werden wir noch wach – heißa, dann ist Marions Tach! Es geht endlich weiter. Nicht höher, schneller, weiter, sondern immer besser. Mit dem mittlerweile dritten Teil der Geschichte um Josh Devon und seinem Kampf gegen eigene Dämonen und die Manifestationen von Gut und Böse hat Mastermind Jürgen Walzer sich den Namen seiner einstigen Band SUPERIOR sprichwörtlich zu Herzen genommen und sein Herzensprojekt DISPYRIA nach Teil II ´The Journey To Aelyrea´ auf ein weiteres Level gehoben.

Wer hätte beim ersten Teil seines Metal-Epos – der damals in erster Linie zu selbsttherapeutischen Zwecken diente und schon hier und da einige SAVATAGE-Momente aufwies – zu träumen gewagt, welchen Trumpf Herr Walzer für Teil III aus dem Ärmel zaubern würde? Denn nicht unerheblichen Anteil an dieser abermaligen Steigerung hat niemand geringerer als SAVATAGE- und CIRCLE II CIRCLE-Frontmann Zak Stevens, der nach einer mutigen Anfrage ebenso wie seine bessere Hälfte Katherine dermaßen begeistert von Musik und Story war, dass er sich sogar für fünf Songs verpflichtete und sie selbst das Gesamtpaket in Lyrics umsetzte.

 

 

Soweit, so gut. Was dürfen wir also erwarten? Antwort: Nicht weniger als das Beste, was man von Zak seit ´The Wake Of Magellan´ geboten bekommen kann. Natürlich denkt man schon aufgrund seiner unverwechselbaren Stimme hier und da an Bombast-SAVATAGE, doch DISPYRIA ist und bleibt zu 100% Jürgen Walzer. Einen Song aus diesem gewaltigen Gesamtwerk herauszuheben, ist schlichtweg müßig, doch den alten SUPERIOR-Fans sei gesagt, dass das spätere ´Firechild´ (welches zur Entstehungszeit auch für diese Band gedacht war) praktisch den Nachfolger zum Jahrtausendhit ´Odyssey´ darstellt. Hopp, allegar!

Ebenfalls überflüssig zu erwähnen, welche Wohltat und Segen es tatsächlich bedeutet, Zaks warme Stimme endlich wieder in Kompositionen zu hören, die so ausgefeilt, spannend und mit packenden, DISPYRIA-typischen Refrains zum Niederknien ausgestattet sind. Der Opener ´A Girl Called Marion´ erinnert in den Strophen teils an die große Epik von URIAH HEEP zur Byron-Ära, danach würde ich bei choralen Elementen in ´The Mark ´ und ´Blue Mirror´ eigentlich bereits von direkten Highlights sprechen, wenn der Opener nicht schon so grandios gewesen wäre und kann sogleich vorwegnehmen, dass das Niveau sich über das gesamte Werk hält.

 

 

Also lassen wir das und erfreuen uns weiter an großem Kino im ´Eternal Eye´ am Wechselspiel von balladesken Parts und fetten Höhepunkten mit metallischen Ausbrüchen. Jeder, aber wirklich jeder Song besticht durch grandiose Hooks und Melodien, die zu keiner Zeit platt, ausgelutscht, vorhersehbar oder kommerziell wirken wie mir persönlich mittlerweile zu oft bei großem Theatralik-Metal, weshalb ich zum Vergleich eher AYREON oder besser STAR ONE plus späte SAVATAGE aufgrund der Dynamik mit metallischeren Ausrichtung anführen möchte, wobei jegliche Vergleiche hinken aufgrund der Eigenständigkeit, wie man sie auch von meinen anderen heimischen Faves FLAMING ROW kennt und liebt.

Bevor wir nun zu den nächsten Überraschungsgästen am Mikro kommen, springen wir zum eingangs erwähnten ´Firechild´, für welches Axel Rudi Pell und sein Johnny Gioeli töten würden, da es nämlich eines dieser wunderbar getragen beginnenden Heavy-Epen ist, die mit ultimativen Höhepunkten aufwarten wie zum Beispiel der geliebte, mit ´Chance´ von SAVATAGE etablierte Satzgesang von Zak inklusive der überirdischen Epik später ELOY Werke mit bombastischen Chören. Gänsehaut! Über die handwerklichen Fähigkeiten von Jürgen Walzer muss man keine Worte mehr verlieren, wenn man sich die Gitarrenarbeit von SUPERIOR zurück ins Gedächtnis ruft (für Revival Konzerte dieses Jahrtausend hatten Wolfgang Sing und Jürgen sich beispielsweise mit RACER X aufgelockert) und weiß, dass er in den letzten rund 30 Jahren keineswegs untätig war.

Noch ahnt man bis hierhin nicht, wer sich nun als nächster im Bunde bereits warmsingt. Und auch wenn viele beim Namen bereits die Augen verrollen, so hat des Meisters songschreiberisches Händchen eine Paraderolle für Ralf Scheepers (PRIMAL FEAR, ex-GAMMA RAY) kreiert, bei der er seine gesamte Range von tief bis Scream zeigen kann und einmal mehr beweist, dass er immer noch zu Germanys Finest gehört. Was als waschechte Powermetalnummer beginnt, überrascht im Mittelpart mit dem argentinischen Tenor Alejandro Martin als Kontrapunkt zu Scheepers statt einer der vielen Sympho-Goth-Metal-Heulbojen, die weniger Eier als Floor haben oder Tarja hinterhereifern und ständig stolpern! Wahnsinn.

 

 

Nach all‘ diesen Ohrgasmen übernimmt die schwierige Aufgabe im grande Finale – ohne abzuschmieren – Carsten „Lizard“ Schulz (LAZARUS DREAM), dessen ureigene, starke Rockröhre einen klasse Kontrast zu den Vorgängern bietet. Zwischen fettem Hard & Heavy und Doublebass-Metal öffnet sich ´Pandoras Box´ und findet sich wieder in sehr gefühlvollen Gefilden. Auch hier wieder ein Refrain, bei dem ich vor meinem inneren Auge Serafino Perugino sehe, wie ihm das Wasser aus Mundwinkeln und Augen läuft und er verzweifelt seinen gesamten Frontiers Music Backkatalog auf der Suche nach diesen Emotionen durchsucht. Den Cliffhanger zum nächsten Album entfesselt ´The Curse´ wiederum auf flotte, mitreißende Art und setzt sich zum Abschluss ein letztes Mal im Ohr fest, sodass ihr die nächsten Stunden unbewusst „Marion“ vor euch hinsummen werdet.

Der Gastcast hat sich ein wenig verkleinert, was der Klasse jedoch keinen Abbruch getan hat. Zusätzliche Gitarrenparts liefert erneut Tausendsassa Markus Pfeffer (einige seiner vielen Projekte hier), der sich diese mit Jürgens altem Compagnero Wolfgang Sing (DEZPERADOZ) teilt, Roland Moschel an der Hammond Orgel und im Background Sabrina Roth und Stephan Hugo (WINTERLAND). Mit all‘ diesen auch bereits bei Liveauftritten von DISPYRIA eingespielten Künstlern hat sich das Projekt und damit die Geschichte um Josh mittlerweile dermaßen gigantisch entwickelt, dass zu dem ursprünglich als Trilogie geplanten Epos bereits ein weiteres Doppelalbum in der Mache ist.

Doch dies ist eine andere Geschichte. A propos Geschichte: Auf der Rückseite der CD befindet sich ein QR Code, über den man sich das handlungserklärende Storybook (welches auch zu den ersten Teilen existiert) mit dem starken Artwork von Timo Würz herunterladen kann. Schnelle Kinder bestellen hier vor Release (Freitag dem 10.2.2023) und kriegen für die lausigen 15 Tacken das großformatigere, endgeile Storybook einfach so dazu. Gratis. Für diese edle Druckversion separat berappt ihr dann später 8 Mäuse ohne Porto – was es jedoch immer noch wert ist. Auf der Homepage von DISPYRIA  könnt ihr die ersten beiden Teile der Story unter dem Reiter „Das Projekt“ nachlesen… kann ich nur empfehlen.

Bleibt nur zu hoffen, dass DISPYRIA nun endlich die Aufmerksamkeit bekommt, um eine Vinylveröffentlichung (bitte auch als Porno-Box!) als auch ein Earbook im Format der AYREON-Reissues zu rechtfertigen, wofür alleine schon das Storytelling-Artwork von Meister Timo Würz schreit. Falls ich noch Punkte vergeben würde, wäre hier ohne wenn und aber die Höchstwertung zu ziehen, auch wenn man fast Angst davor haben muss, dass das Ende der Geschichte nochmal eine Schippe draufpackt. Doch bis dahin: Besser geht ein bombastisches Konzept-Gesamtpaket nicht und der Numerus Clausus für die erste Liga ist längst erreicht.

 

 

In die Welt der Marion Dust entführen euch:

Jürgen Walzer – Guitars, Bass, Programming
Zak Stevens – Leadvocals
Ralf Scheepers – Leadvocals
Carsten „Lizard“ Schulz – Leadvocals
Roland Moschel – Hammond Organ
Markus Pfeffer – Leadguitars
Wolfgang Sing – Leadguitars
Sabrina Roth – Backingvocals
Stephan Hugo – Backingvocals


dispyria.com

facebook.com/dispyria

mehr von Jürgen Walzer findet ihr hier