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DARKHER – The Buried Storm

~ 2022 (Prophecy Productions) – Dark Folk / Doom ~


Manchmal wartet man Jahre auf eine Platte. Auf diesen einen Song. Weil man ihn schon beim allerersten Hören geliebt hat, weil das Konzert, bei dem man ihn entdeckt hat so besonders war, oder weil man damit aussergewöhnliche Erinnerungen verbindet. Oder gleich alles zusammen – und genau so ging es mir mit ´Immortals´, das erstaunlicherweise keine der zuvor veröffentlichten Singles von DARKHERs Zweitling ´The Buried Storm´ wurde. Umso schöner, ihn zweieinhalb Jahre nach ihrem grandiosen und zugleich intimen Prophecy Fest-Auftritt in der Balver Höhle so oft geniessen zu können wie mir danach ist.

Eine sanfte Elfe, nicht von dieser Welt und wie aus der Zeit gefallen. Die Gitarre spielt, gern auch mit einem Cellobogen, mit zarten Loopmelodien und dann wieder schwersten, lang hallenden repetitiven Riffs Soundwälle aufbaut, und aus all dem zusammen mit den Drums Träume zu Liedern spinnt, die sie mit dieser Stimme zwischen Hauch und Beschwörung. Und hat mit ihrem extrem reduzierten, doch zu absolute Schwere fähigem Instrumentarium, welches wiederum ihre ätherische Stimme erdet oder zumindest verhindert, dass sie einfach so davon schwebt, diese grosse Menge Menschen einfach nur verzaubert. Entrückt, das beschreibt den Zustand, den man in jedem Gesicht nach dem Auftritt sehen konnte, es war schwer, aus ihrem Bann wieder in die Realität zurückzukehren.

DARKHERs Debütalbum ´Realms´ war 2016 euphorisch aufgenommen worden, ihr Mix aus zarten, aber gleichzeitig tiefschwarzen Singer/Songwriter-Stücken, die vom Kontrast zwischen schwebend und herunterziehend, geisterhaft und schwerfällig, sehnsuchtsvoll und abgründig leben, fanden begeisterten Anklang, nicht nur im Gothic Rock-Bereich sowie bei Fans von Emma Ruth Rundle oder den beiden Wölfinnen, entsprechende Einladungen zu grossen Festivals folgten auf dem Fusse. Nur, wie toppt frau danach einen solchen Einstieg, eine derartige Erwartungshaltung?

 

 

Indem man sich davon distanziert, noch mehr reduziert, mit einem oder gleich mehreren Schritten rückwärts zurückgeht auf das, was die eigene Musik nicht nur zusammenhält, sondern leben lässt, und das ist im Falle DARKHERs die zugrundeliegende Emotion: Sehnsucht, Melancholie, Verzweiflung, fast schon eine Todesverliebtheit finden sich da, aber genauso eine zurückgenommene Selbstgewissheit, Stärke und sanfte Durchsetzungskraft, die Maiven für ein Projekt, in dem sie Komponistin, Texterin, Musikerin und Produzentin gleichzeitig ist, auch braucht.

Sie hat eine klare künstlerische Vision, die sie jedoch kunstvoll vor unseren Blicken verhüllt verwirklicht, keine sonst kann Schönheit und Schmerz derartig miteinander verquicken, ohne dass man eindeutig sagen könnte was uns daran so bezaubert, es muss ihr Geheimnis sein und damit auch bleiben, um den Bann nicht zu brechen. Gleich drei Celli (Arianna Mahsayeh, Melanie Chaplin sowie FORNDOMs Ludvig Swärd) und auch der Violine gibt sie diesmal wieder viel Raum, sie ziehen uns gleich zu Beginn wie eine ´Sirens Nocturne´in ihren Bann, ihr eigener Gesang ist noch variabler geworden (das rundum schräg-dissonante, tiefgothische ´Love’s Sudden Death´) und das Tempo wurde noch mehr zurückgedreht. Sogar die zwischenweltlichen Lyrics sind sehr sparsam ausgefallen, und so Manchem wird hier zu wenig passieren, doch die Eingeweihten durchleben mit der Britin lustvoll sämtliche Schattierungen dunkler Gefühlsregungen. ´Lowly Weep´ nimmt mit rituellen Perkussions und gespenstischem Tremolo gefangen, ´Where the Devil Waits´ ist eine dieser musikalisch erzählten (Liebes-)Geschichten, die sich mit ihrem Americana-Anklang genauso im vergangenen Wilden Westen der USA am Lagerfeuer gut gemacht hätten. Überhaupt Geschichten, es ist noch mehr Film Noir als zuvor in ´The Buried Storm´, und die effektvoll eingesetzte Verzerrung macht das Album zu einem perfekten Soundtrack.

Gegen Ende des Albums scheint der Einfluss einer ebenfalls britischen Seelenverwandten immer wieder durch, der von Kate Bush. Und auch wenn mich das gesamte Album verzaubert, nichts geht über ´Immortals´. Wie mächtig Sehnsucht wird, wenn sie auf ein paar einzelne Töne und Worte verdichtet und wie ein sanftes Streicheln stetig lustvoll wiederholt wird – und schliesslich in einem so lang herausgezögerten wie ekstatischen Finale ihre Vollendung findet, das ist wirklich für die Ewigkeit.

IMMORTALS

In the time of wonder
Before the tales were told
Speak of all creation
No more we seek

I dive in the waves
They’ve risen above me
Capsized in the sea
Immortal are we

In the days we gather
When the spell is bound
In the calm of water
No more we seek

I dive in the waves
They’ve risen above me
Capsized in the sea
Immortal are we
Immortal are we
Immortal are we

 

DARKHER haben sich zugunsten der seelischen Wirkung gegen den Metal, und wieder auf ihre Herkunft besonnen, und machen mit einem zarten und gleichzeitig mächtigen Album deutlich, dass Wahrhaftigkeit immer über Effekt siegen wird. In der Ruhe liegt noch viel mehr Kraft als geahnt…

(8,5 Punkte)

 

https://darkher-uk.bandcamp.com/
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https://www.instagram.com/darkhermusic


Pic: U. Classen