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ISSOLEI – Cilicium

~ 2021 (Terratur Possessions) – Stil: Black Metal ~


Weil die aktuelle WHOREDOM RIFE erst zu spät zu mir kam, sind meine „TOP 20“ 2021 schon geschrieben und ISSOLEI sind mit ihrem Debütalbum, allerdings schon 2018 eingespielt, dabei. Norwegen, Trondheim, Nidrosian Black Metal, die Zauberworte, die einem Black Metal-Gourmet das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen. ISSOLEI zeigen sich von derlei Denke vollkommen unbeeindruckt und ziehen ihren Stiefel durch. Geboten wird in langen Stücken düsterer, kosmisch kalter und mystischer Black Metal mit einem leichten Einschlag von gothischem Heavy Rock, was sich in den postpunkig ruppigen Rockmomenten äußert, die man vernimmt, wenn man möchte. Aber das wäre ja nun wieder ein Trend in der aktuellen Szenerie an Death und Black Metal, das machen viele. Viele davon wirklich lecker. ISSOLEI zeigen sich von all den Trends unbeeindruckt.

Der Sound ist zwar irgendwie sehr klar, aber doch klirrend und infernalisch, verdeckt mehr, als er zeigt. Der mittelhelle Grollgesang ist da, aber verliert sich im eisigen Gesamtbild zuweilen und verschwimmt mit der verwunschenen Aura dieses kleinen Meisterwerks. Wenn es den Herrschaften zuviel der epischen Gesten wird, dann rasen sie im urtypisch schwarzmetallenen Blastbeat der 90er drauflos wie die Wildsäue, dann wogen die Gitarren und ein wenig synthetischer Bombast scheint auch durch. Aber sie haben zwischendurch immer wieder diese Momente, wo leicht dissonante Gitarrenmelodien den in dieser rauschhaften Klangkulisse versunkenen Hörer aufwecken und dazu bringen, mit kräftigen Schwimmstößen wieder aufzutauchen, bevor seine Seele noch ertrinkt. Aber dann geht auch schon die erbarmungslose Raserei weiter, wobei ISSOLEI mehr Musik als Krach ist. Die schönen Melodien beweisen es. Am Ende will es natürlich keiner gewesen sein, von den ganzen Trondheimer Krachbarden, die der Weltöffentlichkeit bekannt wären, keine Line-Up Angabe zu finden.

Finde ich das jetzt richtig gut? Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich die beiden vorigen EPs, aus denen vor Jahren mal das Debütalbum werden sollte, noch geiler vom Songwriting her finde, weil das alles so herrlich jazzig, zerfahren und kaputt klang, dass sich sogar die bereits vollkommen verschrobenen Franzosen DEATHSPELL OMEGA warm anziehen mussten. Aber in den Jahren zwischen den Aufnahmen hat sich was getan, ein gewisser Grad an Progressivität wird noch beibehalten, was sich eben in dem Post Rock/Post Punk Anteil im Gesamtbild äußert, aber die geilen Black Metal Riffs hier, die vielen eruptiven Abfahrten, das ist purer norwegischer Black Metal mit einem herrlich modrigen Ausdruck von altem Geist. Ein kaiserlicher Geist, wie ich finde, aber wiederum kein Abklatsch alter Größe. Ein Neuinterpretieren einer wunderbaren Epoche voller morbider Schönheit, irrsinniger Gewalt und brodelnder Kreativität.

Diese grandiosen singenden Leadgitarren, die man zwischenzeitlich vernimmt, rauben einem schier die Sinne und die Widerstandskraft, sich an den alten Göttern festzuklammern und die jungen Gottheiten zu ignorieren. Das haben sie auch nicht verdient. Hier wird musiziert, dass es jedem NORSK A – Punkt BLACK METAL Fanatic (ich musste kurz auf die ebenso kultige, wie bierselig bekloppte Provokation von der Rückseite der originalen DARKTHRONE – ´Transilvanian Hunger´ LP verweisen) die Spucke verschlägt.

ISSOLEI lassen ihre Songs leben. Lospreschen, wieder innehalten, rollen, stampfen, sprinten, über den Hörer hineinbrechen wie eine gewaltige Welle auf dem Meer. Und so erscheinen in der monolithisch schwarzen Klangsuppe immer wieder Parts, die freiformatig kosmisch mit brodelnden Gitarren, frei von Rhythmus, aber mit fiesen Vocals daherkommen oder mittelschnelle, versponnene, dissonant-proggige Einlagen, bei denen die Gitarren nicht immer ganz verzerrt sein müssen. Und hier zementiert man die Bindung zu den alten Fans, indem man sie erkennen lässt, dass der unaussprechliche Aspekt ihrer Musik noch da ist, nur in diesem massiven Gesamtbild eher versteckter.

Episch und erhaben, immer am Rande der absoluten Entrücktheit und schon mit einem Fuß auf der Brücke zur anderen Welt, so schenken uns ISSOLEI ihren Sound wie einen irgendwo stinkenden, fast schon verwesenden und doch unsere Sinne betörenden Trank in die Kelche, welcher uns hinfortreißt aus der tristgrauen Realität in eine Welt der schieren Lust.

(9 Punkte)