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ARJEN ANTHONY LUCASSEN’S STAR ONE – Revel In Time

~ 2022 (Inside Out) – Stil: Arjen Anthony Lucassen/Space Metal ~


 

Gibt es eigentlich Musik, die schlicht und ergreifend zu gut ist, um noch groß was drüber zu schreiben?

Was bringt einen Nerd – der gerade damit fertig ist, seine komplette Tonträgersammlung neu zu sichten und zu archivieren – dazu, sich mit all‘ diesen Klassikern im Kopf tatsächlich die Zeit zu nehmen, das gestern gelieferte Paket mit je zweimal auf- und einmal umdrehen einen halben Tag lang in Dauerschleife rotieren zu lassen?

Wie kann ein zugegebenermaßen leicht manisch begeisterungsfähiger, nie erwachsen werden wollender Junge im Alter von fast 53 Lenzen dennoch noch steiler gehen?

Fragen über Fragen. Doch die Antwort ist so einfach und naheliegend, wie es nahezu unmöglich erscheinen mag, Album für Album ein Ensemble an Überkünstlern zu versammeln und im eigenen Stil das Beste aus der Vergangenheit des Rock und Metal gemeinsam zu zelebrieren:

Arjen Anthony Lucassen & Friends – Brittney, Michael R, Sir Russell, Timo, Michael M (heißt laut Plattencover innen als auch hinten jedoch neuerdings „Micheal“ – wahrscheinlich der Diversität geschuldet ;)), Ross, Jeff Scott, Ron „Bumblefoot“, Brandon, Adrian, Joe Lynn, Will, Joel, Jens, Damian, Dan, Lisa, Marcel, Floor (pure love, my dear! – no offense to my one true love Karin!), Joost & Lul, John Jaycee, Roy, Steve, Ed, Erik, Marcela, Irene, Alessandro, Tony, Mike, Wilmer & dem Hellscore Choir… heute unter dem Banner STAR ONE.

UFF! oder UGH! oder HUAH! oder einfach: HOOOORAAAY!

 

 

Es kann nur Einen geben. An dieser Stelle vorweg eine Entschuldigung meinerseits für den dreisten Diebstahl von Zitaten aus einem der einzigartigsten Kultwerke der Geschichte des simplen Unterhaltungskinos, aber diese – und nur diese – sind unseres Highlanders aus den Niederlanden wahrhaft würdig. Pater, vergeben sie mir, ich bin ein Wurm!

Einst in ferner Zukunft wird man sagen: „2022 war ein hervorragendes Jahr! A. A. Lucassen veröffentlichte seine Krönungsmesse.“

Denn nichts anderes ist diese Machtdemonstration aus Können und Kreativität, nachdem selbst eingefleischte Fans bei dem letzten AYREON-Epos ´Transitus´ leichte Verschleißerscheinungen bemerkt haben wollen. Story & Artwork sind dabei meiner unwürdigen Meinung nach weiterhin über jeglichen Zweifel erhaben.

Was ist nun anders? Natürlich stand STAR ONE seit je her für mehr Metal statt Prog, aber wir wissen, dass Arjen beides nahtlos vermischen kann, mag und darf. Definitiv hat er hier jedoch mehr Kit gegeben – alles klingt frischer, kraftvoller, mächtiger, erhabener & heavier als zuvor.

Der Einfachheit weiter mit bekannten Kommentaren aus der Filmbranche:

„Es ist eine Art Zauber“
„Hallooo, hübsches Kind!“
„Ich lebe seit viereinhalb Jahrhunderten und ich kann nicht sterben“
„Ich muss sagen, ich werde hervorragend unterhalten. Eure Freundin ist eine klassische Sirene, hört Ihr?“
„Wenn dein Kopf nicht mehr auf den Schultern sitzt, ist es vorbei.“
„Einen doppelten Glenn Morran on Ice.“

Ein paar abgewandelte Worte finde ich dazu sogar noch selbst:

Mein wunderbarer Musikheld, mein Semi-Gott. Das ist er, mein Herz. Ich habe es niemals begreifen können. Weshalb er so kreativ geblieben ist. Weil ich ihn heute noch genauso liebe, wie am ersten Tag, als ich die erste AYREON traf – nachdem ich mit VENGEANCE schon bis ins ferne Arabia gereist war. Und weiterhin liebe ich es. Ich möchte nicht sterben, ich möchte dabei bleiben, für immer. Das möchtet ihr auch. Willst du mir und meiner Blume einen Wunsch erfüllen, Arjen? In den Jahren, die kommen werden, wirst du zu unseren Geburtstagen neue Lieder für uns schreiben?
Wo sind wir?
Wir sind in den Highlands der Niederlande, wo sonst? Wir laufen durch das flache Land, die Sonne scheint.

Liebe ist etwas für Träumer und Herr Lucassen hat viel Liebe zu geben, während er und seine Mitstreiter weiterhin diesen Traum leben. Mit dem Herzen, dem Glauben und dem Stahl. Es ist besser auszubrennen, als zu verblassen!

Was? Anderer Meinung?
Nonnen! Kein Sinn für Humor.

Zum Abschlußplädoyer (ja, ich weiß – weißer Schimmel) entlehne ich mir die bescheidenen Worte unzähliger Musiker zu ihrem aktuellen Produkt und wende es schamlos auf ‚Revel In Time‘ an: Dies ist das Beste, was Herr Lucassen jemals gemacht hat. Punkte? Nehmen wir ganz einfach die Eurovisions-Grand Prix-Wertung von der hübschen Schwester AYREON von 2018. Amen.

Dies ist Ear-Candy.
Natürlich ist es das!

(Less Lessmeister)

 

 

 

 

Erst wenn das letzte Candy-Girl seine letzte Runde gedreht hat und die Lichter im sanft schimmernden Filmpalast ausgehen, lernen die Lichtbilder laufen. Licht aus – Popcorn raus. Jetzt gilt es, sich im gepolsterten Sessel gemütlich und gänzlich dem Genuss hinzugegeben.

„Wow, hast du das gesehen? Der wollte nicht mal unseren Ausweiß sehen.“*

Wir befinden uns im Jahre 2022 und der Space Metal feiert sein Comeback. Denn immer wenn Arjen Lucassen der Rockoper mit AYREON überdrüssig ist, erscheint ein Werk von STAR ONE, das sich dem filigran ausgefeilten Heavy Metal widmet, dabei aber auch die alten Hardrock-Tage sowie die blubbernden Töne von Raum und Zeit nicht vergisst. Den Arjen Lucassen’schen Space Metal gab es bislang auf ´Space Metal´ (2002) und ´Victims Of The Modern Age´ (2010) zu bewundern. Nach zwölf langen Jahren feiert er mit ´Revel In Time´ seine heißersehnte Rückkehr.

Allerdings hat Arjen Lucassen das Konzept leicht verändert. Entgegen des von AYREON gewohnten Rockoper-Konzeptes bestand das Gesangsensemble bei STAR ONE bislang aus einem festen Gesangsteam um Russell Allen (SYMPHONY X), Damien Wilson (ARENA, ex-THRESHOLD), Floor Jansen (AFTER FOREVER) und Dan Swanö (u.a. EDGE OF SANITY). ´Revel In Time´ grenzt sich von der bisherigen Methode ab, indem es neben dem aktuellen Musikerstamm – Arjen Lucassen (Gitarre, Bass, Keyboards), Ed Warby (Schlagzeug), Erik van Ittersum (Solina Strings), Marcela Bovio (Backgroundgesang, STREAM OF PASSION, VUUR) und Irene Jansen (Backgroundgesang, AYREON, GARY HUGHES) – in jedem Lied einen anderen Sänger präsentiert.

Da dem Projekt zudem so viele begnadete Sänger und Sängerinnen zur Verfügung standen, sind alle Lieder nochmals mit einem anderen Gesangstalent zu hören. Diese Vorgehensweise lässt allerdings entweder eine gewisse Unentschlossenheit erkennen, welcher Sänger innerhalb eines Werkes endgültig, bis in alle Ewigkeit einer Komposition vorstehen soll, oder entspricht schlicht einer variabel wechselnden Zusammenstellung aus einem vorhandenen Künstler-Pool.

„Alles, was wir sind, ist Sand im Wind, Hoschi.“*

 

 

Während sich Arjen Lucassen auf dem Debüt ´Space Metal´ von Filmen inspirieren ließ, die im Weltraum spielen, zog der Nachfolger ´Victims Of The Modern Age´ dystopische und apokalyptische Filme als Ideengeber heran. ´Revel In Time´ nimmt sich nun den Movies an, die mit Zeitmanipulationen hantieren. Der Titel ist folglich eine Mischung aus „Travel in Time“ (ohne den ersten Buchstaben „T“) sowie einem Zitat aus Arjens Lieblingsfilm „Blade Runner“ („revel in your time“).

Mit Weltraumklängen und Synthesizern á la Arjen Lucassen schenkt ´Fate Of Man´ zum Beginn der Weltraumreise einen Einblick in die „Terminator“-Filme. Die Komposition selber wäre ohne die gewohnt spacigen Beigaben purer True/Power Metal und wird erstmals im STAR ONE-Universum von Sängerin Brittney Slayes (UNLEASH THE ARCHERS) angeführt. Für ein Gastsolo ist Michael Romeo (SYMPHONY X) zur Stelle. Das mit RUSH-Keyboards filmreif startende ´28 Days (Till The End Of Time)´ singt Sir Russell Allen, lässt die tiefer gelegte Dunkelheit aus dem Film „Donnie Darko“ aufsteigen und offeriert wandelreich eine gewisse Progressivität.

Den Film „Primer“ erzählt die Komposition ´Prescient´ nach, den uns Micheal Mills (TOEHIDER) und Ross Jennings (HAKEN) mit fantastischem Singsang und Chorgesang zu blubbernden Space-Themen und einer 80s-Melodie näher bringen. Mit Jeff Scott Soto am Mikrofon und Ron „Bumblefoot“ Thal (SONS OF APOLLO, ex-GUNS ‚N ROSES) an der Gitarre geht es sodann zurück in die Zukunft. ´Back From The Past´ holt nicht nur den DeLorean, sondern auch den alten Hardrock á la DEEP PURPLE wieder aus der Garage. Diese alte Bruderschaft von DEEP PURPLE-BLACK SABBATH hält ´Revel In Time´ weiter hoch, wenn sich Gitarrist Adrian Vandenberg und Sänger Brandon Yeagley (CROBOT) mit „Bill & Ted“ (*) auf die verrückte Reise durch die Zeit begeben.

Dagegen basiert ´The Year Of ’41´ auf „Der letzte Countdown“ und hat nicht nur Joe Lynn Turner sowie Will Shaw (ex-HEIR APPARENT, DEADRISEN) am Mikrofon aufzubieten, sondern Jens Johansson (STRATOVARIUS, MASTERMIND) an den Keyboards und Joel Hoekstra (WHITESNAKE) an der Gitarre. Unverkennbar veredelt Damian Wilson die erst leichtfüßig, dann kraftvoll auftretende Hommage an das Science-Fiction-Drama „Frequency“ unter dem Titel ´Bridge Of Life´. Ebenfalls kein Unbekannter ist hernach Dan Swanö am Mikrofon, der in Anlehnung an „Und täglich grüßt das Murmeltier“ seinen Auftritt in ´Today Is Yesterday´ und dessen SAGA-Keys hat. Floor Jansen darf schließlich die Nacherzählung von „Source Code“ unter dem Titel ´A Hand On The Clock´ singen, die zudem von einem Hammond-Solo von Joost van den Broek (ex-AFTER FOREVER) veredelt wird.

Zum ersten Mal übernimmt John Jaycee Cuijpers (PRAYING MANTIS) den Lead-Gesang für das A.A.L.-Universum auf dem Song ´Beyond The Edge Of It All´, einer Verbeugung vor der britischen Science-Fiction-Fernsehserie „Sapphire & Steel“. Der Höhepunkt ist selbstverständlich das beinahe zehnminütige Finale ´Lost Children Of The Universe´, zur Huldigung des Films „Interstellar“, mit Meistersänger Roy Khan (CONCEPTION, KAMELOT) am Mikrofon.

Dass auf den selben Song nochmals Marcela Bovio und Irene Jansen, Will Shaw, John Jaycee Cuijpers, Alessandro Del Vecchio, Wilmer Waarbroek (THE VICIOUS HEAD SOCIETY), Mike Andersson (CLOUDSCAPE, TUNGSTEN), Tony Martin (Ex-BLACK SABBATH) und Arjen Lucassen höchstpersönlich trällern, soll nicht unerwähnt bleiben.

„Der Qualm raucht immer noch!“*

(Michael Haifl)

 

 

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