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LIND – A Hundred Years (The Justification Of Reality: Part I)

~ 2021 (Independent/Just For Kicks) – Stil: Prog Rock/Metal/Fusion ~


LIND ist die Bezeichnung eines fantastischen Projektes von Namensgeber Andy Lind, der zwar bereits einige Solo-Scheiben veröffentlichen konnte, aber hauptsächlich durch sein Schlagzeugspiel bei PANZERBALLETT, SCHIZOFRANTIK sowie FREAKY FUKIN WEIRDOZ in der Szene des Prog und Jazz Metal berühmt geworden ist.

Genauso überraschend wie die Veröffentlichung mit seiner Formation THE ANCESTRY PROGRAM für Begeisterungsstürme sorgte, fallen die Reaktionen bei LIND aus. Der Münchner Schlagzeuger bringt mit ´A Hundred Years: The Justification Of Reality Part 1´ eine der sensationellen Scheiben des Jahres heraus, sofern der Hörer auf ein Konglomerat aus Prog Metal, Fusion, Jazzmetal, Mathrock, Prog Rock, Canterbury und Avantgarde abfährt.

Andy Lind spielt bei seinem Solo-Projekt neben dem Schlagzeug natürlich auch die Keyboards und den Bass. Ein halbes Dutzend Gitarristen konnte er allerdings für die einzelnen Kompositionen gewinnen, ohne in diesem Bereich ein ungleichmäßiges Bild zu provozieren. Rüdiger Eisenhauer, Martin Vogelgsang, Martin Kursawe (SERUM), Jan Zehrfeld (PANZERBALLETT), Martin Mayrhofer (SCHIZOFRANTIK, PANZERBALLETT) und Wolfgang Zenk (SIEGES EVEN, 7 FOR 4) heißen die Saitenhexer und jeder Name zergeht wie ein Gaumenschmaus auf der Zunge.

Selbst für die Gesangsdarbietungen hält Andy Lind einige Überraschungen parat. Sein Kollege bei THE ANCESTRY PROGRAM, Ben Knabe, singt die elfminütige Eröffnung ´Do I Really Notice´, die auch mehrstimmigen Gesang aufbietet, und ´Soul Kinship´. Ansonsten sorgen zwei Damen für die stimmliche Ausdrucksstärke. Marie Brandis schmettert zwei Neunminüter, das jazzige ´Invisible Tears´ und das mit einem GENTLE GIANT-Einfluss aufwartende ´The Schemes´. Häufiger tritt jedoch Petra Scheeser an das Mikrofon. Sie singt ebenfalls zu zwei Neunminütern, ´A Hundred Years´ und ´Strange Waters´, sowie ´The Magic Gate´ und das finale, beinahe achtminütige ´Controversial Theory´. Echtes Crossover-Gefühl kommt in ´Displaced And Criticized´ auf, wenn Mirko Werler seinen Gesangspart eher spricht und rappt anstatt zu singen. In seiner Gänze sind die stimmlichen Vorführungen indes niemals exaltiert, sondern grooven sich im Sinne der Kompositionen richtig ein. Als Refrain wird zumeist schlicht ein Zweizeiler öfters zwischendurch wiederholt, damit die Gehirnsynapsen auch die Lyrik im Erinnerungsvermögen abspeichern mögen.

Sieht das Aufwachen nach einem schrecklichen Albtraum, in dem alle Musikregale umgeworfen werden und ihr Inhalt auf dem Boden verteilt liegt, derart aus, dass sich die Scheiben von THE ANCESTRY PROGRAM und PINIOL, von MESHUGGAH, PANZERBALLETT und HEAVEN’S CRY, von KING CRIMSON, GENTLE GIANT und CARAVAN auf dem Boden wälzen, ist die Welt auch morgens um sieben noch in Ordnung.

(9 Punkte)

https://www.facebook.com/LIND-240248982741890/

https://lind21.bandcamp.com/album/a-hundred-years-2