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A PLACE TO BURY STRANGERS – See Through You

~ 2022 (Dedstrange) – Stil: Post Punk/Noise/Shoegaze/Experimental ~


Als Frontmann der progressiven New Yorker Post Punk-Band A PLACE TO BURY STRANGERS baut Oliver Ackermann nun bereits seit mehr als 20 Jahren seine beeindruckenden Walls Of Sound, und seit Drummerin Sandra Fedowitz und Bassist John Fedowitz Teil des aufgefrischten Line-Ups sind, scheint Ackermann das Chaos zunehmend in den Griff zu bekommen. Wo es einigen früheren Veröffentlichungen an lyrischem Können oder melodischer Kraft noch gemangelt hatte, geht ´See Through You´ nun über den ursprünglichen Drang hinaus, einfach nur laut zu sein.

Nach dem herausragenden, selbstbetitelten Debüt voller Feedback und heftiger Effekte trotzte die Band nicht nur dem Einbruch beim ebenfalls überzeugenden Nachfolger, sondern schuf mit ´Exploding Head´ 2009 sogar ihr bis heute wohl bestes Werk. Mit den folgenden drei Alben verloren sie teilweise von der an Noise Rock grenzenden Klangintensität, die die ersten beiden Alben gefärbt hatte, und schufen zunehmend Werke mit einer wesentlich dunkleren Spannung.

Auf ihrem sechsten Album ´See Through  You´ tauchen A PLACE TO BURY STRANGERS nun noch weiter in experimentelle und düstere Sounds ein, während sie noch größere Einflüsse aus den ganz frühen und besonders rauen Inkarnationen des Post Punk beziehen. Dabei durchschneiden elektronische Elemente den Sound wie spannungsreiche Risse, aus denen leidenschaftliche Vibrationen widerhallen.

 

 

Das zeigt sich vor allem in der höhlenartigen Katharsis bei Songs wie ´I’m Hurt´, wo Ackermanns kalter, distanzierter Gesang durch einen Hallfilter geschickt wird. Das dröhnende Gitarrenkratzen fühlt sich manchmal beinahe wie eine Rückkehr zu ihren früheren Werken an, allerdings wirkt das Schlendern der zerklüfteten Riffs nun nicht mehr ganz so laut und aggressiv, sondern besitzt eher das Feeling von kreischendem Garagen-Rock.

Auf ´See Through You´ wirkt die Band jedenfalls wesentlich stärker auf den Song fokussiert. ´So Low´ dient als weiteres Beispiel dafür, und wo sie früher das Feedback zu ihrer stärksten Waffe gemacht hätten, geben sie den Drums im Mix nun deutlich mehr Raum, um die Dinge besser im Groove zu halten.

Während die erste Hälfte noch mit zerfetzenden Gitarren voranstürmt, ist die zweite wesentlich langsamer, und ihr Talent von schwerem Post Punk in Shoegaze überzugehen, zeigt die Reichweite und Kontrolle, die das Ensemble im Laufe der Jahre gewonnen hat.

Wo ´See Through You´ durch seine 13 Tracks hätte donnern können, haben A PLACE TO BURY STRANGERS dem Drang erneut widerstanden, übertrieben und so massiv laut wie nur möglich zu sein. Stattdessen haben die New Yorker nun deutlich stärkere melodische Elemente mit eingebaut, die sich vor allem gebündelt im Album-Closer ´Love Reaches Out´ wiederfinden, und damit eine feine Balance zu ihrer Lärmwand geschaffen.

Das Album wirkt beinahe wie ein impressionistisches Gemälde, bei dem man erst einen Schritt zurücktreten muss, um das ganze Bild zu sehen – eine logische Entwicklung, bei der die Band dennoch nach wie vor an ihrer kompromisslosen und kakophonischen künstlerischen Vision festhält.

(8 Punkte)


(VÖ: 11.03.2022)
Pic: Ebru Yildiz