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OLD MAN WIZARD – Kill Your Servants Quietly

~ 2021 (Independent) – Stil: Rock/Metal ~


OLD MAN WIZARD nehmen den River Styx in Richtung Ewigkeit. Bereits mit dem dritten Werk begraben sie eine der großartigsten Undergroundformationen der Gegenwart.

Ende 2011 entsprangen OLD MAN WIZARD in Südkalifornien aus dem Nichts. Auf das 2013er Debüt ´Unfavorable´ folgt 2018 ´Blame It All On Sorcery´ und weitere drei Jahre später anno 2021 das angekündigte Final-Werk ´Kill Your Servants Quietly´.

Die Heavy Rocker werden gerne als Progressive Rock-Gruppe angepriesen, weil sie ganz unerschrocken Elemente dieser Stilistik verarbeitet. Aus allen Epochen der Vergangenheit, vornehmlich aus den Siebziger- und Achtzigerjahren beziehen sie ihre Einflüsse. Gerne wird ihnen das Schild Okkult-Rock-Band angenagelt, dabei sind sie schlicht eine einzigartige und herausragende Band mit epischen Gesängen und spannungsreichen Kompositionen.

Ebenso spektakulär und beispiellos wie THE LORD WEIRD SLOUGH FEG oder HEART OF CYGNUS, nur dass OLD MAN WIZARD dem Grunde nach von allen erwachsenen Generationen des Rock verehrt werden müssten. Schließlich lieben Millionen Menschen Gruppen wie BLUE ÖYSTER CULT, URIAH HEEP, BARCLAY JAMES HARVEST, MOODY BLUES, UFO, JETHRO TULL, KING CRIMSON, RUSH, RAINBOW, KANSAS und QUEEN.

 

 

Zum Abschied spenden OLD MAN WIZARD ihrer Die-Hard-Anhängerschaft nochmals 46 traumwandlerisch sicher beglückende Minuten. Obendrein beinhaltet die A-Seite ein antireligiöses Mini-Konzept, das aber nicht nur die Kirche offensiv unter Beschuss nimmt, sondern vielen falschen Propheten und Kriegstreibern die Faust ins Gesicht schlägt.

Der Protagonist betet fromm für „Glück und Gesundheit“, aber auch im Allgemeinen für „Liebe und Weltfrieden“, dennoch wird Gott über all die Jahre einfach nicht zu seinem Freund (´I Prayed´). Schließlich behauptet er, die Kirche kontrolliere die Gesellschaft, und jede Liebe zu Gott sei „ein narzisstischer Betrug“ (´Kill Your Servants´). Eine andere Person vertraut hingegen auf Gott, gibt ihm „seinen Zehnten“ und spürt seinen Atem (´God Is Your Friend´). Ungeachtet dessen werden wir alle erst wissen, ob Gott ein Schwindler ist, wenn wir in „das Gesicht des Todes“ schauen (´I Wanna Know´). Die Schlussfolgerung ist unkompliziert: Das Leben ist nicht das Problem, man muss nur das Beste daraus machen (´Your Life´).

OLD MAN WIZARD machen unumstritten die schönsten Lieder der Saison. Donner und Regen erschallen, ein Glockenschlag ist wahrnehmbar, ehe behutsam und heroisch ´I Prayed´ besungen wird („I prayed for hope and life unchanged. And God seems quite deranged. But that doesn’t matter.“) – ein einzigartiger Labsal, nicht nur für GHOST- und BLUE ÖYSTER CULT-Genießer, die umgehend vor Ehrfurcht auf die Knie fallen. Hier wurden Gitarre, Bass und Schlagzeug noch völlig altmodisch live und im selben Raum zusammen aufgenommen.

Etwas EMERSON LAKE & PALMER und HEART OF CYGNUS bieten sich hingegen als Anhaltspunkt beim Genuss von ´Kill Your Servants´ an, wenn die Gitarren ordentlich live surren („Your love of God is a narcissistic fraud. Your church controls society if you kill your servants quietly.“). ´God Is Your Friend´ schleppt sich sodann im doomigen Schongang zur Beerdigung, steigt allerdings in die lieblichste Höhe hochhinaus („Gather, conspire! Desire for everything! Higher than anything at all.“), natürlich trotz „God only knows“ ohne BEACH BOYS-Gesang, sondern high wie GHOST („Father, please save me! Enslave me and punish me! Until you’re done with me. Then I’ll come back for more.“).

Plötzlich überraschen OLD MAN WIZARD mit Indie- und Brit-Rock, ´I Wanna Know´ belässt dennoch den Modus zum völligen Schwelgen aktiv („When you look at death’s face. Hope you appreciate. The punishment that you face. Knowing that God is fake.“). Dann setzt die Akustikgitarre für das Gänsehaut-Erlebnis ein; ´Your Life´ ist grandiose und magische Songwriter-Kunst („I don’t see your life as a problem, I just think we’re better off this way. Life goes on, with or without you. Make the best of whatever remains to be seen.“). Komplett am seelischen Boden liegend, öffnet der himmlische, mehrstimmige Gesang vom groovigen Heavy Rock eines ´Today´ wieder die Augen zur Schönheit des Lebens.

Noch rockiger, weitaus metallischer dreht sich jedoch ´Soldier’s Winter´ rotierend im Kreis („Fading slowly. March on splinters. Worse than dying. Soldier’s winter. We’re all alone. Alone.“); die späten Sechzigerjahre scheint ´Parasite´ gar im Marschschritt zur Gesellschaftskritik aufleben zu lassen („Parasite. Filthy Parasite. Live your life. Filthy Parasite.“). Um den Beweis anzutreten, dass die B-Seite ohnehin viel mehr Heavyness versprüht, wildert ´Falling Star´ auch in instrumentalen Abschnitten, ehe ein abermals vom Himmel geschenktes ´Live Forever´ dem Werk ein metaphysisch erleuchtendes Ende setzt („Thought I’d live forever. But a star must also die. And I missed out on all my life.“).

Pure Magie.

(9 Punkte)

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(VÖ: 5.11.2021)