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LIFT – Lift 1 + Meeresfahrt

~ 2022 (Sechzehnzehn/Buschfunk) – Stil: Artrock ~


Aus dem DRESDEN-SEPTETT, das aus der Beatband DRESDEN-SEXTETT hervorging, entsprang 1973 die Artrockband LIFT.

Die Gründungsmitglieder Gerhard Zachar, Konrad Burkert, Jürgen Heinrich, Till Patzer, Manfred Nytsch, Wolfgang Scheffler, Karl-Matthias Pflugbeil, Bernd Schlund sowie Sängerin Christiane Ufholz blieben allerdings nicht lange eine Einheit. Sänger Konrad Burkert wurde 1974 durch Werther Lohse ersetzt, der bis zum heutigen Tag das letzte Bandmitglied aus den ersten Jahren von LIFT ist. Sänger Stephan Trepte kam 1973 und ging später zu REFORM. Dessen Platz nahm wiederum Henry Pacholski ein. Keyboarder Franz Bartzsch kam ebenfalls in diesem Jahr und ging ein Jahr später zur VERONIKA FISCHER BAND.

Die erste Langspielplatte wurde 1977 in der Besetzung Werther Lohse (Schlagzeug, Gesang), Michael Heubach (Synthesizer, Orgel, E-Piano), Till Patzer (Altsaxofon, Flöte, Gesang), Wolfgang Scheffler (E-Piano, Mellotron, Synthesizer), Henry Pacholski (Gesang) und Gerhard Zachar (Bass, Gesang) aufgenommen. Da Werther Lohse erkrankte wurde er auf der zweiten, 1979 veröffentlichten Scheibe ´Meeresfahrt´ durch Schlagzeuger Frank-Endrik Moll ersetzt.

Für die Lyrik von ´Meeresfahrt´ zeichnete sich nunmehr Henry Pacholski verantwortlich, denn auf dem Debüt überwogen noch die Fremdschriften durch die bekannten Texter Kurt Demmler und Ingeburg Branoner.

Die kommenden Umbesetzungen waren allerdings erst einmal unverschuldet. Henry Pacholski und Gerhard Zachar kamen 1978 bei einem Verkehrsunfall während der Tournee in Polen ums Leben, Michael Heubach wurde schwer verletzt. Daher drehte sich bei LIFT das Besetzungskarussell unentwegt weiter und wirkte sich auch auf die Musik der kommenden beiden Langspielplatten aus. Die große Tragödie verarbeiteten sie sogleich auf ihrem dritten von vier Werken in dem traurigen Song ´Am Abend mancher Tage´. Mit dem tragischen Unfall am 12. November 1978 endete gleichsam, noch ehe ´Meeresfahrt´ veröffentlicht war, die epochale Zeit von LIFT.

 

 

Lift 1 (1977)

 

Der Schritt vom Beat des DRESDEN-SEXTETT und Jazzrock des DRESDEN-SEPTETT zum Artrock von LIFT offenbart einen gewaltigen Quantensprung. Die ersten beiden Alben, ´Lift´ und ´Meeresfahrt´, tragen LIFT Ende der Siebzigerjahre auf den Olymp des Artrock. Zumindest in ostdeutschen Gefilden unerreicht, können diesem Qualitätslevel allein STERN-COMBO MEISSEN mit ´Weißes Gold´ oder ELECTRA mit ´Die Sixtinische Madonna´ das Wasser reichen.

Die Kompositionen sind träumerisch angelegt und tragen den Hörer mit ihren Metaphern aus dem Alltag in himmlische Weiten. Der flanierende, britisch geprägte Artrock von ´Wasser und Wein´ wird zu Beginn der ersten Seite des Debüts von einer Flöte begleitet und stellt den Tag des Lebens als einen leeren Krug dar, der dementsprechend gefüllt werden muss. Das kalte Menschenleben soll hernach unbedingt von einem Feuer gewärmt werden, ´…fällt der erste Reif´ verfällt dabei mit Altsaxofon-Solo etwas in Rhythm ’n‘ Blues.

Klassischen Prog und Artrock, mit Mellotron, Synthesizern und Klavier stellt ´Und es schuf der Mensch die Erde´ in aller Dramatik und unglaublich sehnsuchtsvoller Schönheit dar, samt des für LIFT charakteristischen, mehrstimmigen Chorgesangs. Auch der gefühlvolle Artrock von ´Jeden Abend´ wird mit Saxofon und Chor emporgetragen sowie von der Flöte verziert, während ´Früh am Morgen´ in ähnlicher Stimmung noch alten Beat miteinbezieht.

Das großer Herzstück des Werkes nennt sich zu Beginn der zweiten Seite ´Ballade vom Stein´ und richtet sich mit Pflastersteinen gegen die Diktaturen, mit einem gehörigen Schuss Prog Rock á la YES. Samt Mellotron hüllt sich ´Du falsche Schönheit´ in diese einmalig, Seelen aufreißende Atmosphäre des deutsch gesungenen Prog Rock der Siebzigerjahre. Dem schließt sich in aller betörenden Ruhe ´Komm Her´ himmelhochjauchzend an, ehe ´Abendstunde, stille Stunde´ in bester PROCOL HARUM Art und Weise die Gefühle zum letzten Mal in Wallung bringt.

 

´Lift´ und ´Meeresfahrt´ werden aktuell zusammen auf schwarzem Doppel-Vinyl neu aufgelegt.
Zwei Klassiker, der eine ein kleiner, der andere ein großer, vereint in einem Gatefold-Cover.
Hierbei werden allein die vollständigen Texte vermisst.

 

Auf ihrer Meeresreise verwöhnen LIFT den Hörer abermals mit ihren Metaphern, die von einem losen Faden zusammengehalten werden und von Abschied, Seereisen sowie Wiederkehr sprechen. Der mehrstimmige Chorgesang kommt nicht nur bei inbrünstig vorgetragenen Kompositionen wie ´Nach Süden´ und ´Sommernacht´ zur Geltung, sondern ebenso bei der epischen ´Tagesreise´.

Die ´Meeresfahrt´ beginnt allerdings ebenso gewöhnlich wie der Vorgänger mit ´Wir fahrn übers Meer´ samt Mundharmonika, einem der letzten Songs von Henry Pacholski. Es heißt indes „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n wir fahren, wir fahr’n, fahr’n übers Meer.“ und nicht „Wir fahren, fahren, fahren auf der Autobahn“. Die große LIFT-Hymne ´Nach Süden´ über Kinderfantasien entzückt anschließend immerhin vollends und scheint mit großem Chorgesang ebenfalls wie das letzte Lied der Scheibe ´Sommernacht´ für echte Genießer angelegt worden zu sein.

Dazwischen begeistern LIFT mit dem von Streichern begleiteten ´Scherbenglas´ für das nächste Kammer- oder mittelalterliche Hofmusikkonzert sowie ihren beiden sinfonischen Prog Rock-Meisterwerken. Die achteinhalbminütige ´Tagesreise´ ist das Meisterstück von Gitarrist/Keyboarder Michael Heubach, das er bereits, jedoch in einem anderen Arrangement auf der 1975er Scheibe der HORST KRÜGER BAND eingebracht hatte.

Noch monumentaler ist die fünfzehnminütige ´Meeresfahrt´ von Keyboarder Wolfgang Scheffler. Intoniert von vielerlei Tastenklängen, samt Querflöte, Klarinette und Saxophon, durchschifft sie jeden Sturm und jedes Unwetter mit Leichtigkeit, um letztlich strahlend in den Heimathafen einzulaufen. Da haben es selbst ELECTRA und STERN-COMBO MEISSEN schwer, mitzuhalten.

 

Meeresfahrt (1979)

 

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