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INGA RUMPF – Darf ich was vorsingen?

~ 2021 (Ellert & Richter Verlag) ~


Inga Rumpf, die große Stimme aus deutschen Landen, war schon in jenen Tagen berühmt als der Rock noch bisweilen als Krautrock betitelt und belächelt wurde. Pünktlich zu ihrem 75. Geburtstag nimmt sie ihre langjährige Hörerschaft auf eine autobiographische Zeitreise mit: „Darf ich was vorsingen?“

Als Ingeborg wächst sie im Hamburger Rotlichtbezirk St. Georg mit musikalischen Eltern auf und geht mit den verschiedensten Gesellschaftsschichten zur Schule. Sie tritt mit ihrer ersten Gruppe, der PAWN SHOP SKIFFLE GROUP, im „Haus der Jugend“ in St. Pauli auf, sie mit einer roten Schlaggitarre, doch ab ihrem 15. Lebensjahr nennt sich Ingeborg nur noch Inga.

 

„Als ich vier Jahre alt war, sang ich auf einer Familienfeier ein paar Volkslieder
und jemand drückte mir ein Fünfmarkstück in die Hand.
Ich dachte, na, das mach’ ich öfter.“

 

Und sie macht es öfters. Sie entdeckt Blues und Gospel und Mina Simone und Mahalia Jackson als Vorbilder. Bald ist sie Mitglied der Folkband DIE CITY PREACHERS, die ein echtes Potpourri an Musikstilen beherrschen. Nach einigen Bandverwerfungen steigt binnen kurzem der aus Gronau nach Hamburg gezogene Udo Lindenberg als Schlagzeuger ein. Doch nachdem Udo dem feinfühligen Franzosen und Keyboarder Jean-Jacques Kravetz auf offener Bühne dessen musikalische Unzulänglichkeiten beschieden hat, muss Udo den Platz räumen. In der Band-WG hat Inga erstmals ein eigenes Zimmer; sie hört Jimi Hendrix, Dr. John, ROLLING STONES und PINK FLOYD, sie liest William S. Burroughs, Jack Kerouac, Henry Miller und das Tao Te Ching. 

Weitere Umbesetzungen später handelt es sich auch nicht mehr um DIE CITY PREACHERS, sondern um die Urbesetzung von FRUMPY. Diese spielen einen großen Sound aus Rhythm’n’Blues, Klassik sowie Pop- und Jazzelementen, in dessen langen Ausgestaltungen Inga erstmal einen Platz und eine Melodie zum Singen finden muss. Den Bandnamen entleihen sie sich von dem Song ´Frumpy´ der englischen Band RAVEN, da er – “alte Schreckschraube” oder auch “Vogelscheuche” – so mächtig cool ist. Sie erhalten einen Plattenvertrag und spielen in vier Tagen das 1971er Debüt ´All Will Be Changed´ ein. Für ihre Europa-Tournee mit SPOOKY TOOTH und Bodo Albes‘ CRAVINKEL bekommen sie nur ein laues Trinkgeld. Dennoch feiern die Leute sie und vom Debüt werden durch geschickte Verkaufsstrategie und Werbeplatzierung über 30.000 Einheiten verkauft.

Die Hamburger „Fabrik“ wird zu ihrer Lieblings-Location. Drogen und freakige Anhänger führen dabei immer wieder, im Nachhinein, zu lustigen Anekdoten. Im Hamburger „Gruenspan“ etwa steigt eine Frau einfach auf die Bühne, hebt ihr Kleid und pinkelt hinunter, ohne dass sie jemand davon abhält.

 

„Ich bin in den 1960er-Jahren angetreten mit dem Wunsch zu singen,
Menschen und Länder kennenzulernen und meinen Lebensunterhalt mit Musik zu verdienen.
Herausgekommen ist viel Leben in einer Zeit des Aufbruchs der Deutschen Rockmusik,
viele Aufs und Abs und das Erinnern an gleichgesinnte Menschen auf der Suche nach Selbstfindung und Anerkennung.“

 

Und so erzählt Inga neben all ihren Erlebnissen viel von ihren eigenen Empfindungen und Gefühlen aus jenen Tagen, auch die Streitereien und den Stress in den Formationen lässt sie nicht unter den Tisch fallen. Aus FRUMPY wird ATLANTIS und sie gehen auf große US-Tournee, die Band in einem Ford Gran Torino, die Roadies in einem Truck, mit LYNYRD SKYNYRD und den koksenden AEROSMITH sowie zweimal im Vorprogramm des verehrten Muddy Waters. Inga veröffentlicht ein Solo-Album in deutscher Sprache, das von der Presse irritiert, aber von den Anhängern begeistert aufgenommen wird. Nicht nur das Musiker-Karussell dreht sich, auch von ihren Lebensgefährten erzählt Inga. Später wird es heißen: „Verliebt, verheiratet, geschieden.“

Tina Turner startet 1984 mit Ingas Lied auf ihrer Single ihr Comeback. Inga gibt dafür den Tour-Support bei Lionel Richie und feiert Sessions mit den ROLLING STONES, erstmals auf ihrer aktuellen Scheibe nachzuhören. Inga erzählt aber nicht nur aus den Siebziger- und Achtzigerjahren, sondern ebenso ausführlich aus ihrem Leben bis in die Gegenwart.

Inga begeht mit „Darf ich was vorsingen? Eine autobiographische Zeitreise.“ einen echten Seelenstriptease, so dass sie in ihrem Schlusswort das Gefühl hat, „mich in einem vorgezogenen Fegefeuer zu befinden.“ Somit bleibt am Ende nur noch, das Buch nicht allein FRUMPY- und ATLANTIS-Anbetern zu empfehlen und sich den Glückwünschen, die der Probst der Probstei Plön, Erich Faehling, neben ihrer Schwester Regina, ihrem Manager Andreas Linke und anderen in den abschließenden Erinnerungen ausspricht, anzuschließen: „Danke für Herz und Seele, Stimme und Zuneigung, so oft ich das erleben durfte und darf. Gott behüte dich auf all deinen Wegen.“

 


Inga Rumpf
Darf ich was vorsingen
Eine autobiographische Zeitreise
352 Seiten mit 90 Abbildungen
15 x 23 cm, Hardcover
978-3-8319-0798-4