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ANDRÉ KRAUSE – Zwischen Woodstock, Oss und Rammstein. Metal-Bilder in der niederländischen Presse: Die Neunzigerjahre

~ 2022 (Georg Olms Verlag) ~


Are these the answers I’ve sought?
Is this the message
I need to clear my conscience and bring peace
These symbols now what do they mean?

Geschichte war niemals mein Steckenpferd. Dies lag auch an den Lehrkräften meiner ehemaligen Schule, die es verstanden, die fraglos spannenden Inhalte dieses Faches in einer unglaublich öden, uninspirierten Art und Weise zu präsentieren. Späterhin wurde das Interesse geweckt. Mit der richtigen Lektüre, den richtigen Themen, da kann man sicher ein paar Leute interessieren. Wenn es die gäbe, ich würde eine Zeitreise machen an den Hof Augusts des Starken oder die Werkstatt Michelangelos. Genauso aber finde ich spannend die Geschichte, die ich selbst miterleben durfte, vor allem wenn es dann noch mit „meiner“ Musik verknüpft ist. Vor kurzem noch durfte ich meine Jugend nacherleben in Nikolai Okunews ´Red Metal´. André Krause, der Teil des Epic Metal Blog ist, wirft nun als Historiker einen Blick ins nächste Jahrzehnt in unserem Nachbarland, Ihr wisst schon, das mit den Tulpen und den Lekkerbek.

Der erste Gedanke beim Blick auf den Titel war, oh, fein, Bilder. Der zweite beim Blättern, Bilder, Fehlanzeige, dafür gibt es gefühlte drölfzig Diagramme. Und da sind wir beim Dilemma. Für den Laien ist dieser Schmöker mit 280 Seiten erst einmal eine trockene wissenschaftliche Arbeit. Inhalt der Studie ist der Blick der niederländischen Tagespresse auf den Metal von 1990 bis 1999. Dafür wurde die dortige Pressedatenbank „Nexit“ ausgewertet. Das erspart die aufwändige Recherchearbeit in den Archiven, hat sicher aber auch den Nachteil, dass möglicherweise nicht alle Zeitungen des Zeitraums digitalisiert sind. Dennoch scheint das Ergebnis recht aussagekräftig. 

In verschiedenen Kapiteln wirft der Autor den Blick auf das „Dynamo Open Air“, Popularität, Qualität oder Stilfragen. Es geht um Rebellion, Religion und Rechtsextremismus. Und es wird auch die Frage gestellt, ob man in „Polderland“ (Zitat aus dem Buch) auch auf Bands und Fans aus Deutschland geschaut hat. Ohne mehr zu verraten, ja, man hat.

Jedes Kapitel beginnt mit einer statistischen Zahlenauswertung. Fachlich wichtig ist das für mich als Laien eher Folter, wie ausgezählt wird, welche Zeitung wie oft zu welchem Thema und das ganze mit ganzen Zahlen und Prozenten. Hat man diese Zeilen geschafft, dann wird es spannend. Nehmen wir als Beispiel das Kapitel zum Death Metal. Kaum ist das Zahlenwerk überstanden, werden Auszüge aus Artikeln in der Tagespresse zitiert, erläutert und bewertet. Wichtigste Themen in diesem Kapitel sind die Bands GOREFEST aus Goes und THE GATHERING, die aus Oss stammten. Es geht um ihre stilistische Entwicklung, ihre Fans, den Erfolg ihrer Musik, in der Regel aus dem Blickwinkel von Journalisten, die mit dieser Musik eher nicht zu tun hatten. Das sorgt inhaltlich tatsächlich für einige Spannung, da dieser Blick von außen nicht immer frei von Vorurteilen war (und vielleicht noch heute ist).

Ergänzend gibt es zu einigen Kapiteln einen sogenannten Zeitsprung, bei dem der Blick auf die nähere Gegenwart gerichtet wird, zum Beispiel auf die Diskussion auf Bandshirts aus dem H&M. Zwei Texte fügte Aidan Stein bei, Partner in Crime beim oben erwähnten Blog, der sich etwa mit der Stilentwicklung im Metal der 90er Jahre beschäftigt. Selten wurde etwa die Entwicklung des europäischen Power Metal oder des Epic Metal so gut zusammengefasst. Aber wenn die Relevanz von SAVATAGE nach ´Edge Of Thorns´ (S. 108) hinterfragt wird, bekomme ich Lust auf eine Diskussion.

Von diesem einen Punkt aber abgesehen ist den Autoren ein lesenswertes Buch gelungen, auch ohne Bilder. Die Buch ist auch ein Abschied. Nach elf Jahren beendet André seine Tätigkeit am Zentrum für Niederlande-Studien an der WWU Münster. Also verbinde ich das Lob zu dem Schmöker mit den besten Wünschen für die Zukunft. Die Zeitreise zum „Dynamo Open Air“ würde ich mir dennoch ersparen. Da waren mir, zumindest in den späteren Jahren, zu viele Leute.

These are the answers I’ve sought
This is the message I need. The final answers of all time
These symbols are visions of hope
A door to the other side. A new awakening of the mind

Die Songzeilen sind aus ´The Book Of Kells´ von Jag Panzer (2011).

 

 

 

 

 

 

 

 

Das vorliegende Buch ist eine Veröffentlichung der Reihe XVIII der Wissenschaftlichen Schriften der WWU Münster und erschien im „Georg Olms Verlag“. Der Preis beträgt 41,80 €.

ISBN: 978-3-487-16156-3