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SCORPIONS – In Trance

~ 1975/2023 (BMG Rights) – Stil: Hardrock ~


In vielen bunten Farben werden im Augenblick viele Scheiben der SCORPIONS auf Vinyl wiederveröffentlicht. Obwohl mit dem Remastering von den Originalbändern klanglich eine echte Verbesserung erzielt wurde, hätten die Plattencover gerne massiver ausfallen können. Zudem ist die Verdunkelung des im Original von Michael v. Gimbut entworfenen Cover-Artworks der SCORPIONS-Scheibe ´In Trance´ völlig unakzeptabel. Außerdem kann heutzutage keine Veröffentlichung oder Wiederveröffentlichung mehr auf die Lyrik verzichten. Die Wiederveröffentlichung von ´In Trance´ scheinbar schon.

Da sich jedoch an dem 180g schweren Clear-Vinyl von ´In Trance´ keinerlei Mangel offenbart, darf das dritte Studioalbum der deutschen Hardrocker aus Hannover fortan liebend gerne in Dauerrotation auf dem Plattenteller Platz nehmen. Schließlich will man bei der phänomenalen Gitarrenarbeit von Uli Jon Roth ohnehin immer wieder auf diese Scheibe zurückgreifen.

Denn die SCORPIONS spielen auf ´In Trance´ erstmals in echter Bandbesetzung, erstmals mit ihrem berühmten Bandlogo und erstmals in purer Hardrock-Ekstase. Es ist ein Album voller Hardrock-Hymnen, gespickt voll harter Rocker wie ´Dark Lady´, ´Robot Man´ und ´Top Of The Bill´ sowie vieler Songs in verhaltener und aufrührerischer Geschwindigkeit. Es ist mit Uli Jon Roths bevorzugten Harmonien in Moll wattiert, die es zu einem faszinierenden und melancholischen Werk werden lassen.

Wenngleich dieses Werk aus dem Jahre 1975 erstmals von ihrem langjährigen Produzenten Dieter Dierks betreut wurde, sind im Vergleich zum selbstproduzierten Vorgänger ´Fly To The Rainbow´ aus 1974 keine großen Veränderungen auszumachen. Musikalisch kommen die Kompositionen dieses meisterhaften Albums hingegen ohne die psychedelischen und progressiven Elemente schneller auf den Punkt, längere Lieder bleiben fortan schlicht außen vor.

Die Hannoveraner erweisen sich dabei als Pioniere des frühen Metal und schaffen beim zweiten Werk mit Uli Jon Roth in Japan den endgültigen Durchbruch. Seither wird der deutsche Saitenkünstler in Fernost als Gitarrengott verehrt. Und ein jeder, der ´In Trance´ gehört hat, wird sich diesen Huldigungen anschließen.

´Dark Lady´ röhrt durch alle Boxen, durchbohrt sie und schleift jeden Stahl, ein majestätisches und bestialisches Unterfangen. Uli Jon Roth probiert sich hier ausnahmsweise als Gesangstalent, doch für die manifestierenden hohen Schreie zeichnet sich natürlich Sänger Klaus Meine verantwortlich. ´In Trance´ betört sodann absolut klassisch als wuchtige Power-Ballade und ´Life’s Like A River´ nochmals als echte Ballade, traurig und kraftvoll samt wundervoller Gitarrenleads. Letzterer Song bezeugt dabei, dass sich der Bass von Francis Buchholz auf diesem Werk in voller Wucht entfaltet.

Dagegen spiegelt das wilde ´Top Of The Bill´ schlicht das Leben eines Rockstars wieder, während sich ´Living And Dying´ machtvoll aus der Melancholie emporschwingt. Kompromisslos und ohrenbetäubend wütet nochmals der ´Robot Man´ durch die Röhren aller Boxen, roh und unaufhaltsam. Denn Wehmut kommt auf, wenn der Wind und die heulenden Gitarrensaiten von ´Evening Wind´ zu vernehmen sind, kerniger und aufsteigend elegischer.

Uli Jon Roth lässt in ´Sun In My Hand´ nicht nur seine Gitarre derart jammen, dass dem Zuhörer der Schnabel offen bleibt, sondern übernimmt sogar komplett den Lead-Gesang. Zu einem lärmenden Bass brennt sich letztlich die wunderbare Leadgitarrenarbeit von ´Longing For Fire´ in das Langzeitgedächtnis. Uli Jon Roth ist nun einmal Gott. Dafür liefert ad hoc und da capo das instrumentale ´Night Lights´ zum Ausklang ein weiteres Argument. Denn solche Harmonien erschufen in jenen Tagen in der Tat nur wenige Formationen.

Lustigerweise veröffentlichten die SCORPIONS ein halbes Jahr zuvor unter dem Pseudonym THE HUNTERS eine deutschsprachige Single mit den THE SWEET-Cover-Versionen ´Wenn es richtig losgeht´ (´Action´) und ´Fuchs geh‘ voran´ (´Fox On The Run´), ohne dabei den ´Hund von Baskerville´ einzufangen oder niederzustrecken.

(Klassiker)

 

 

 

Klaus Meine – Gesang
Ulrich Roth – Lead/Slide Gitarre, Gesang
Rudolf Schenker – Rhythmus Gitarre
Francis Buchholz – Bass
Rudy Lenners – Drums

 

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