Livehaftig

VIO-LENCE, XENTRIX, WHIPLASH, ARTILLERY

~ 25.11.2022, Connection Complex, Mannheim ~


Freitagabend, ein geeigneter Tag für eine kleine Thrash Dance-Party. Im Rahmen der “MTV Headbangers Ball Tour” (durch den Corona-Wahnsinn immer wieder verschoben) hält ein äußerst attraktives Package in Mannheim. Und für knapp 40 Tacken gibt es vier Mal Thrash Metal mit Kultfaktor auf die Nase. U.a. mit den Amis VIO-LENCE, die es bisher noch nicht in die Breitengrade verschlagen hat, sowie XENTRIX, die auch nicht an jeder Steckdose spielen und mit WHIPLASH ein kultiges Trio, das auch nicht so oft hier auftaucht, sowie den Dänen ARTILLERY. Das klingt nach Spaß, Bangen und Airfisten.

Dass Mannheim jedoch nicht gerade eine Thrash Metal-Hochburg ist, wird an diesem Abend wieder klar. Nicht ganz 250 Thrasher versammeln sich zu dieser Zusammenkunft dieses „Randgruppen-Genres“. Das ändert jedoch nichts am Spaßfaktor.

Der Merch-Stand ist satt ausgestattet und die Preise relativ fair. T-Shirt für 25 Euro, Vinyl für 20 Euro. Da schlagen nicht wenige ordentlich zu. Zumal die Shirt Designs auch ansehnlich sind.

Den Beginn machen die Dänen ARTILLERY um Altgitarrist Michael Stützer. Mit seinen „neuen“ ARTILLERY und vor allem Sänger Michael Bastholm Dahl liefert das einstige dänische Thrash Metal Flaggschiff nur noch wenig Thrash Metal. Mit dem letzten Release ´X´ war man sogar eher auf Power Metal-Pfaden, was wiederum ganz gravierend an Sänger Michael Bastholm Dahl lag.

Und so wirkt auch der Auftritt heute Abend weniger brachial, weniger dreckig, weniger aggressiv. Dahl mit seiner Power Metal-Stimme, die grundsätzlich ziemlich gut ist, passt einfach nicht zu ARTILLERY. Durch ihn werden selbst alte Klopper wie ´Terror Squad´, ´By Inheritance´ oder ´The Challenge´, mit dem der Set beginnt, zur lauwarmen Soße. Was eigentlich Schade ist, denn die Klampfenfraktion liefert druckvoll. Von ´X´ findet sich nur ´Turn Up The Rage´ im Set.

Das Stageacting ist ok, der Sound ebenso. Die Banger sind überraschend textsicher und bei einer Nummer wie ´Khomaniac´ bekommt die Band ordentlich Unterstützung von gesangswütigen Fans. Die Band hat Spaß, der Fan hat Spaß. Alles gut soweit. Oder auch nicht. Thrash Metal geht anders.

Dass WHIPLASH nicht als Co-Headliner gesetzt sind überrascht nicht wenige, ist der Status der Amis doch deutlich höher als der der Briten XENTRIX. Das Trio fackelt nicht lange und ballert gleich aus der Hüfte. Man ist nicht besser oder schlechter als man die Band vor Corona hier und da bei uns auf einem Festival sah.

Während Bandleader Tony Portano eher die Ruhe selbst ausstrahlt, trotz der bohrenden Riffs, die er liefert, hüpft, bangt und wirbelt Basser William Winton  wie ein Irrer auf der Bühne. Mit einem wuchtvollen, enorm harten Drumstil treibt Charly Z das Trio massiv voran. Hohes Tempo und ein grundsätzlich aggressives Spiel zeigen markant, hier geht noch was und somit ist die Erwartungshaltung auf das erste neue Album (wohl bei „Metal Blade“) seit 2009, das wohl 2023 erscheinen soll, hoch.

Mit dem Doppelschlag ´Last Man Alive´ und ´Killing On Monroe Street´ eröffnet man den Set. Klare Kante zeigen sie dann mit ´Insult Of Injury´, ´Stage Dive´ und dem krachenden ´Spit On Your Grave´. Alles in allem ein satter thrashiger Auftritt, der wenig Spontanität zeigt und eher nach dem Schema „Standard“ runtergeprügelt wird. Ist okay, kann man gut mit leben.

Die Umbaupausen sind flott und als das Licht ausgeht, werden die Briten doch lautstark mit „Xentrix, Xentrix“-Rufen empfangen. Ich bin verblüfft, denn das habe ich beim besten Willen nicht erwartet, glänzten die Briten in der Vergangenheit doch eher mit mittelmäßigen Alben und waren auch generell nicht in der ersten UK-Thrash Liga angesiedelt. Aber so ändern sich die Zeiten.

Und was dann kommt kann man nur mit einem K.O.-Schlag bezeichnen. Die Riffwand ist enorm, die Taktung hoch und die Wucht nimmt einem fast den Atem. Fuck, XENTRIX machen da keine Gefangenen, im Gegenteil. Wenig Ansagen, wenig Konversation, die Macht des Riffs dominiert den Auftritt. Zehn Songs lang zerhacken die Briten mit einer ungestümen Gewalt die Trommelfelle. Original Sänger und Gitarrist Chris Astley, mit überraschend kurzen Haaren, ist gesanglich ein echter Fiesling. Keine Frage, seine Tonlage ist eingeschränkt, aber mit dem was er daraus macht, funzt dies live perfekt. Der Auftritt wirkt wie eine Walze. Überraschenderweise wird jedoch kein Song vom aktuellen, gerade veröffentlichten Album ´Seven Words´ gespielt. Dafür einiges vom 89er Debüt ´Shattered Existence´, wie ´No Compromise´, ´Crimes´ oder ´Dark Enemy´.

Wer hier nicht abschädelt, hat Thrash Metal nicht verstanden. Wo es auf den Alben der Briten an Durchschlagskraft mangelt, ist das live eine verdammt andere Geschichte. Dass die Stücke eher simple aufgebaut sind und sich teilweise nicht wirklich gravierend unterscheiden, hat Vor- wie Nachteile. Aber in Anbetracht der Power dieses Auftritts, kann man getrost über die eher simpel gestrickten Songs hinwegsehen. So gesehen die perfekte Bangermucke. XENTRIX haben überrascht, keine Frage.

So, und dann ist es soweit: VIO-Fucking LENCE. Zum ersten Mal. Dass der Band aus der Bay Area ein Kult-Status anhängt, ist selbstredend und zurückzuführen auf deren 1988 erschienen Debüts ´Eternal Nightmare´.

Das Auf- und Ab über die Jahre, Reunion, etc.. hat letztendlich dazu geführt, dass sich die Band ohne Rob Flynn neu orientiert hat und im laufenden Jahr endlich einen neuen Release vorgelegt hat: ´Let The World Burn´. Ein gelungener 5-Tracker mit neuem Material und einem Doppel-Wumms.

Und auch mit einem Doppel-Wumms beginnen die Herren um Sänger Sean Killian, der im weiteren Verlauf des Auftritts manchmal das Gefühl einen Psychopathen aufkommen lässt. ´Eternal Nightmare´ sowie ´Serial Killer´ eröffnen das Thrash Metal-Massacre. Blickfang neben Killian ganz klar Gitarrist Phil Demmel, der neben rasiermesserscharfen Riffs ordentlich posen kann. Wie bekannt, ist ex-OVERKILL Bobby Gustafson, der noch die EP mit eingespielt hatte, gefeuert worden und kurzfristig durch Ira Black (ex-VICIOUS RUMORS, etc.) ersetzt worden.

Das funktioniert auf der Bühne nun überraschend gut. Ira liefert ebenfalls feuerfeste Riffs, hält sich aber auf der Bühne eher im Windschatten von Demmel auf. Ganz anders Basser  Christian Olde Wolbers, der mit ordentlichem Körpereinsatz mächtig was fürs Auge bietet. Von der aktuellen EP haut man ´Flesh From Below´ sowie ´Upon Their Cross` raus, die perfekt zwischen Klassikern wie ´Kill On Command´ sowie ´Phobophobia´ bestehen können. Die Band klingt absolut tight.

Killian ist der strahlende Mittelpunkt mit seiner abgebrühten Coolness und einem gespielten Desinteresse, aber das macht ihn so unnahbar und auch wieder teuflisch gut. Fannähe liegt ihm ebenfalls, hat er doch keine Probleme damit, Körperkontakt über die Absperrung aufzubauen. VIO-LENCE legen die Bühne in Schutt und Asche und beenden ihr Massaker mit ´World In A World´.

Das war mal ein brutaler Kick in die Familienplanung und davon bitte schnellstmöglich mehr. Halleluja.

 


(Fotos: Jürgen Tschamler)