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GILBERT O’SULLIVAN – Driven

~ 2022 (BMG/Grand Upright Music) – Stil: Singer-Songwriter ~


Im Jahre 1972 verteidigte Gilbert O’Sullivan mit seinem Hit ´Alone Again (Naturally)´ sechs Wochen lang die Spitze der US-Billboard-Charts und stieg nicht nur in Großbritannien, sondern auch in den Vereinigten Staaten in den Olymp seiner Gilde auf. Seither verehrt ihn seine immense Anhängerschaft und unzählige Musikerkollegen spielen seine Kompositionen, wie etwa ´Get Down´ oder ´Clair´, immer wieder auf den Bühnen dieser Welt.

Nach seinen Erfolgen in den Siebzigerjahren war Gilbert O’Sullivan allerdings in der Dekade hernach verschwunden. Ein Rechtsstreit mit seiner Plattenfirma setzte ihn fünf Jahre außer Gefecht. Anschließend ging auch noch seine neue deutsche Plattenfirma, nach seinem 1987er Album unter. Jahrelang, geradezu jahrzehntelang konzentrierte sich der irische Songwriter nur noch auf den japanischen Markt, wie seine ansonsten lückenlose Diskografie belegt.

Gilbert O’Sullivan nutzte die Ruhe der Kanal-Insel Jersey und setzte sich täglich stundenlang an das Klavier, um wieder große Melodien aus dem Nichts zu kreieren. Denn für die heutige Popmusik, die nur von ihren Beats und nicht mehr von Melodien lebt, hat er nur ein bedauernswertes Lächeln übrig.

 

 

Seine neueste Songsammlung soll das komplette Gegenteil der aktuellen Popmusik sein. Gemeinsam mit einer sogenannten Haus- und Hofband – Pat Murdoch (Beyonce, SIMPLY RED, Chrissie Hynde), Rich Milner (MORCHEEBA, James Morrison) und Geoff Holdroyde (TAKE THAT, BIG LINDA) – in den RAK-Studios von Andy Wright produziert, zeigen sich dreizehn Songs, trotz des Alters ihres Verfassers, jugendlich frisch auf der Höhe der Zeit. Zudem erweist sich Gilbert O’Sullivan auf ´Driven´ immer noch als Meister der überraschenden Bridge oder der überschwänglichen Steigerung.

Seit seinem allerersten Hit ´Nothing Rhymed´ im Jahre 1970 ruft der Liebhaber von Schiebermützen in seinen Songs zu mehr Einfühlungsvermögen und Nächstenliebe auf. Mit ´Let Bygones Be Bygones´ will er die zerstrittenen Menschen der sozialen Medien aufrütteln und singt das Lied mit SIMPLY RED-Frontmann Mick Hucknall als würden sie bei diesem Lied an einer südländischen Promenade entlang schlendern.

Er gedenkt seiner Teenagerzeit in Swindon und schlendert mit Paul McCartney und Nick Garrie in ´Blue Anchor Bay´ zur untergehenden Sonne in die Nacht, oder in ´Love Casualty´ gar zum Tulsa-Blues. Als subtiler Songwriter, der nie mit der Tür in das Haus fällt, analysiert er sogar die schönen Dinge des Lebens und erklärt sie uns in ´Body And Mind´ sowie verblüffend in ´Don’t Get Under Each Other’s Skin´. Denn Gilbert O’Sullivan kann in diesen Tagen in einem ´What Are You Waiting For´ auch kurzfristig so progressiv wie Peter Gabriel oder in ´Let Me Know´ so leichtfüßig wie JELLYFISH sein.

Mit der schottischen Songwriterin KT Tunstall singt er obendrein das Duett ´Take Love´ in einem derart prickelnden R&B-Arrangement, dass sogar die BLUES BROTHERS wieder auferstehen. Letztlich umschmeicheln feinfühlige Streicherarrangements samt Klavier die Ballade ´If Only Love Had Ears´, während einem ´Hey Man´ sanfte Songwriter-Klänge entspringen.

Ein Mann, ein Song, eine Melodie und eine Herzensangelegenheit. Ohne ein Überraschungsmoment, aber mit vielen überraschenden Momenten der Siebzigerjahre Songwriter-Kunst präsentiert Gilbert O’Sullivan sein zwanzigstes Album für Jung und Alt.

(8 Punkte)

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