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RUSH – Moving Pictures – 40th Anniversary

~ 1981/2022 (Universal Music/Mercury/Anthem) – Stil: Prog/Rock ~


Das ursprünglich am 12. Februar 1981 veröffentlichte achte Studioalbum von RUSH ist das monumentale Meisterwerk auf das sich Liebhaber aller Bandphasen der Kanadier einigen können.

Kann überhaupt irgendein Album von RUSH nicht vergöttert werden? ´Moving Pictures´ lieben alle. Daher erfährt es in diesen Tagen eine umfassende Neuauflage in einer Vielzahl von diversen Editionen: Super-Deluxe-Box, 3fach-CD, 5fach-LP, 1fach-LP sowie Digital und Dolby Atmos-Soundqualität.

 

 

Das Deluxe-Box-Set enthält drei CDs, eine Blu-Ray und fünf 180g-LPs, allesamt in der 2015er „Abbey Road Remastering“-Version.

Das Vinyl wurde bei RUSH erstmals in halber Geschwindigkeit via DMM geschnitten. Neben dem Studioalbum gehört unveröffentlichtes und von Terry Brown neu abgemischtes Live-Material zum Set, einem ungekürzten Konzertmitschnitt vom 25. März 1981 in „Maple Leaf Gardens“, Toronto. Daneben krönt die Lift-Top-Box ein 44-seitiges Hardcover-Buch, ein rotes Barchetta-Modellauto samt MP40-Nummernschild, zwei Signature-Schlagzeugsticks von Neil Peart, Gitarrenplektren, ein Nachdruck des offiziellen Tour-Programms, eine Emaille-Anstecknadel, ein YYZ-Gepäckanhänger sowie eine 3D-Lentikular-Lithographie.

 

 

Die 3fach-CD beinhaltet das neu gemasterte Originalalbum und das unveröffentlichte Konzert aus dem Jahr 1981, daneben ein 24-seitiges Booklet mit den ebenfalls enthaltenen Liner Notes und Beiträgen von u.a. Kim Thayil, Les Claypool, Taylor Hawkins, Bill Kelliher und Neil Sanderson.

Die 5-fach-LP berücksichtigt das Studio-Album auf einer LP und das Live-Album auf vier LPs, gleichfalls in DMM auf 180g geschnitten.

 

 

Frage die Kassiererin im Supermarkt nach ihrem Lieblings-RUSH-Werk und sie wird mit ´Moving Pictures´ antworten. Frage den Busfahrer nach seinem Lieblings-RUSH-Werk und er wird mit ´Moving Pictures´ antworten. Frage die Mitfahrer auf dem Weg ins Fußballstadion nach ihrem Lieblings-RUSH-Werk und sie werden mit ´Moving Pictures´ antworten. Frage die Postbotin nach ihrem Lieblings-RUSH-Werk und sie wird mit ´Caress Of Steel´ antworten. Frage deinen Bitcoin-Händler nach seinem Lieblings-RUSH-Werk und er wird mit ´Moving Pictures´ antworten. Frage mich nach meinem Lieblings-RUSH-Werk, dann bin ich manchmal der Busfahrer oder auch die Postbotin, aber ebenso der Fischhändler, der ´2112´ erwähnt, oder die Fleischereifachverkäuferin, die ´A Farewell To Kings´ nennt, oder oder. Kenner vergöttern schließlich in der Regel alle RUSH-Werke, obgleich viele Menschen einfach nur Busfahrer sind.

Bei RUSH Unzulänglichkeiten aufzuspüren, hieße auch die Stecknadel im Universum zu suchen. Gleichwohl muss bei ´Moving Pictures´ die eine Feststellung zugelassen sein, dass RUSH 1981 ihre immensen Prog-Wurzeln vermehrt in der Vergangenheit zurücklassen, aber gleichzeitig ihren damaligen Sound, dem sie bereits auf dem Vorgänger ´Permanent Waves´ eine gewisse Radiofreundlichkeit verpasst hatten, innerhalb von kompakten Songs unvorhersehbar und komplex perfektionieren.

´Moving Pictures´ ist das zweite Werk, das RUSH im „Le Studio“ in Morin-Heights, Quebec, aufnehmen und es ist das erste, von ihrem Co-Produzenten Terry Brown digital produzierte Album.

Nach einer zehnmonatigen Tournee durch die Vereinigten Staaten, Kanada und das Vereinigte Königreich ziehen sich RUSH 1980 zurück und sammeln im Beisein von Mitgliedern der Band MAX WEBSTER in den „Phase One Studios“ in Toronto erste Ideen. In Stony Lake, Ontario, schreiben sie an weiterem Songmaterial und fangen, zurück in den „Phase One Studios“, mit Demo-Produktionen an. Die Aufnahmen im „Le Studio“ finden schließlich im Oktober und November 1980 statt.

 

 

Alle Editionen sind 2022 mit dem nunmehr weiß gehaltenen Artwork von Hugh Syme ausgestattet. Das ursprüngliche Cover-Artwork von Hugh Syme zeigte Umzugshelfer, die Gemälde tragen: ´Moving Pictures´. Daneben standen trauernde Menschen, die von den Gemälden emotional aufgewühlt, also bewegt sind: ´Moving Pictures´. Auf der Cover-Rückseite nahm ein Filmteam die gesamte Szene auf, „und … Action!“: ´Moving Pictures´.

 

 

Der erste Handlager im roten Overall links war Bobby King aus dem Designerteam von Hugh Syme, er soll ebenso bei ´A Farewell To Kings´ und ´Hemispheres´ beteiligt, der Mann mit dem Hut auf ´Hemispheres´ und dem Starman-Logo von RUSH gewesen sein. Die Helferin, die das Gemälde mit dem Starman trägt, war Kelly Jay, Sängerin von Torontos CROWBAR. Die Jeanne d’Arc auf einem Gemälde war die Fotografin Deborah Samuel, deren Verwandte die Familie auf der rechten Seite darstellt.

 

 

Das bekannteste RUSH-Werk beginnt natürlich mit einem ihrer großen Radio-Single-Hits. ´Tom Sawyer´ sollte fortan, trotz der bedrohlichen Stimmung, die Bassist/Sänger Geddy Lee auf seinem Synthesizer während der Soundchecks auf Tour entwarf, bei fast keinem Live-Auftritt mehr fehlen. Das magische, gerne endlos aufspielende ´Red Barchetta´ entführt den Liebhaber von Schlagzeuger Neil Pearts Lyrik anschließend auf eine Spritztour sowie eine Verfolgungsjagd durch schwebende Streifenwagen, inspiriert von Richard S. Fosters Kurzgeschichte „A Nice Morning Drive“, mit einem Ferrari 166 MM Barchetta.

Nach dem Spaß an ´La Villa Strangiato´ auf ´Hemispheres´ (1978) gönnen sich RUSH den für einen Grammy Award in der Kategorie „Best Rock Instrumental Performance“ nominierten Instrumentalmeilenstein ´YYZ´, benannt nach dem IATA-Code für den „Toronto Pearson International Airport“, dessen Rhythmus aus den Buchstaben im Morsecode abgeleitet wurde ( ▄▄▄ ▄ ▄▄▄ ▄▄▄   ▄▄▄ ▄ ▄▄▄ ▄▄▄   ▄▄▄ ▄▄▄ ▄ ▄ ). Dagegen ist das wunderbar geschmeidige ´Limelight´ äußerst autobiografisch. Weil Neil Peart im Laufe der Jahre immer unzufriedener mit dem Ruhm und vor allem der Preisgabe seines Privatlebens wird, veranschaulicht er die Probleme populärer Menschen in einer auf sie einstürmenden Öffentlichkeit.

Der letzte, über zehn Minuten lange Song in RUSHs Karriere nennt sich ´The Camera Eye´ und thematisiert die Gedanken über Spaziergänge in New York und London, so dass die zwei Song-Abschnitte inoffiziell dementsprechend betitelt sind. Teilweise in dunklerer Atmosphäre, bleibt ebenso nachfolgendes ´Witch Hunt´ als Teil der „Fear“-Reihe umso mehr in dieser bedrohlichen Stimmung, dessen Hauptriff überraschenderweise Designer Hugh Syme auf einem Synthesizer entwirft. Die „Fear“-Serie wird später mit ´The Weapon´ (auf ´Signals´, 1982), ´The Enemy Within´ (auf ´Grace Under Pressure´, 1984) und ´Freeze´ (auf ´Vapor Trails´, 2002) fortgeführt. Und diese unheilschwangere Atmosphäre entwickelt live erst gänzlich ihre Wirkung. Das finale ´Vital Signs´ besitzt hingegen sogar erstmals einen dezenten Reggae-Groove und einen auf einem Oberheim OB-X eingespielten Sequenzer-Abschnitt.

´Moving Pictures´ entpuppt sich mit 5 Millionen verkaufter Exemplare allein in den Vereinigten Staaten als das meistverkaufte Studioalbum von RUSH, es wird in der Zukunft alles andere, womöglich sogar die Band selbst überstrahlen. Die bewegten Bilder lassen sich auch 2022, auch im Jahre 2112 und bis in alle Ewigkeit durch die Geschichte tragen.

(Klassiker)

 

https://www.facebook.com/rushtheband/


(VÖ: 14.04.2022)