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SUPERCHUNK – Wild Loneliness

~ 2022 (Merge Records) – Stil: Indie Rock/Alternative/Punk Rock ~


Die Indie-Rock-Koryphäen SUPERCHUNK aus Chapel Hill, North Carolina, legen mit ´Wild Loneliness´ ihr sage und schreibe 12. Studioalbum vor, und nachdem der Vorgänger ´What A Time To Be Alive´ von 2018 noch einen ungeheuren Wutschrei ausgestoßen hatte, ist die Änderung des Tempos, sind die sonnigen Melodien und die nachdenklichen Themen vielleicht sogar unvermeidlich – jeder Song wird von akustischer Rhythmusgitarre umgurtet und nähert sich dem poppigsten Ende des Pop-Punk-Spektrums auf geradezu wundersame Weise. Immer noch BUZZCOCKS galore, nur eben die wesentlich softere Version.

Bereits beim Opener kündigt die Band ihre Rückkehr in das sanftere Territorium vom ´Here’s To Shutting Up´-Album an, wenn ´City Of The Dead´ mit Streichern eröffnet, und eine Süße ins Spiel bringt, um den dunklen Wolken unserer Zeit unmittelbar entgegenzuwirken.

´Wild Loneliness´ soll sowohl eine Verbindung als auch Befreiung sein, während es eine Bestandsaufnahme einer Welt macht, die sich zunehmend isoliert und mutlos anfühlt – und SUPERCHUNK antworten darauf mit Songs, die Hoffnung stiften, getragen von Arrangements, die luftig und beruhigend, aber dennoch reichlich treibend sind.

Der Rocker ´Endless Summer´, mit seiner ironischen Enthüllung hinsichtlich des Klimawandels, besitzt ein ziemlich klassisches SUPERCHUNK-Riff, wohingegen ´On The Floor´ dann wiederum ihre softere Hälfte zum Vorschein bringt, immer noch temporeich, jedoch gedämpft, da das Piano dem Mix zusammen mit dem Gastgesang von Mike Mills von R.E.M. noch etwas mehr Pomp hinzufügt.

 

 

Manchmal betreten die ruhigeren Nummern fast das Territorium von Mac McCaughans Soloarbeit in PORTASTATIC, wie etwa bei ´Set It Aside´, wo seine Stimme das Klavier in einem einfachen Rhythmus begleitet.

Das soll jedoch nicht heißen, dass es keine Songs mit etwas mehr Muskelkraft gibt. ´Refracting´ wirkt fast wie ein sarkastischer Kontrapunkt zur Schönheit des Titelsongs, wobei Jon Wursters Snare auf die Downbeats hämmert, während McCaughan gesteht: „I try not judge / But it’s so fun and so disturbing.“ Und wie immer hat die Band eine Vorliebe dafür, die Grenzen ihres Sounds zu erweitern, etwa indem sie bei ´Highly Suspect´ eine komplexe Anordnung von Bläsern hinzufügt, die ein Riff der ´Foolish´-Ära mit einem musikalischen Push-and-Pull zwischen triumphaler Kakophonie und manierierten Arrangements verschmilzt .

Auf dem abschließenden ´If You’re Not Dark´ verwebt Jim Wilbur Gitarrenlinien, die stadiongroße Melancholie und drahtige Angst auf beeindruckende Weise ausbalancieren, während McCaughan gesanglich geduldig von Zerbrechlichkeit zu Gewissheit aufsteigt und einen mitreißenden Chorus aufzubauen versteht.

Viele Bands geraten mit zunehmender Reife in einen regelrecht müden Trott, aber was SUPERCHUNK im Laufe der Jahre immer so belebend gehalten hat, ist die Art und Weise, wie sich ihre Musik und Texte weiterentwickelt haben. Man bekommt nie das Gefühl, dass die Band es vorhat, ihre vergangenen Alben einfach in Kopie zu erstellen. Stattdessen versuchen sie, lediglich kleine Änderungen vorzunehmen und musikalische Tricks einzufügen, Wege, um etwas Neues in ihrem so lange anhaltenden Sound zu finden, ohne dabei den Genre-definierenden Stil jedoch zu verlieren.

(8 Punkte)


Pic: Brett Villena