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HANGMAN`S CHAIR – A Loner

~ 2022 (Nuclear Blast) – Stil: Doom/Gothic/Shoegaze/Post Metal ~


Wenn man an Paris denkt, kommen einem wohl unweigerlich Bilder von der romantischsten Stadt der Welt in den Sinn, einer Metropole weltweit bekannt für ihre Kultur, ihr gutes Essen und ihre reiche Geschichte. HANGMAN’S CHAIR stammen aus den Außenbezirken der City Of Love und setzen diesem Image nun schon seit einigen Jahren ihren harten Hybrid aus Shoegaze und Doom entgegen, dokumentiert auf bislang fünf Alben, einer Handvoll Splits und einer EP.

Doch je mehr die Jahre vergehen, umso stärker scheint sich das Quartett von seinen musikalischen Wurzeln zu lösen, und auf ihrem neuesten Werk ´A Loner´ wandern sie nun irgendwo an der Peripherie des Rock, der mittlerweile eher Gothic als purer Metal ist, womit sie sich nicht allzu weit entfernt von Genre-Kollegen wie etwa PARADISE LOST oder TYPE O NEGATIVE bewegen.

Ihre soziale Ader und anhaltende Systemkritik zeigt sich zudem wiederum im Albumtitel, der an das heimtückische Übel erinnert, das unsere modernen Gesellschaften gerade in der aktuellen Zeit bedroht – HANGMAN`S CHAIR stammen aus den Pariser Banlieus, und setzen sich dabei ein für die Ausgestoßenen und Verdammten, was sich vor allem in ihrem finsteren und nachdenklichen Sound wiederfindet. Ihr filmisches Universum ist ausnahmslos düster und deprimierend, und es dringt erneut ganz tief in das Fleisch und die Seele ergreifender Stigmata ein.

 

 

´An Ode To Breakdown´ eröffnet schließlich mottogetreu das Album und legt damit den Grundstein für die ätherische Klangwelt von ´A Loner´, mit seinen hallenden Gitarren und dröhnenden Drums. Die tiefe, grollende Basslinie paart sich dabei mit den sorgfältig ausgewählten, dicken Gitarrentönen und bietet Sänger Cédric Toufouti die perfekte Plattform, um seinen wunderschönen, gefühlvollen Gesang auszuleben. Die klebrige Melancholie des Shoegaze ist hier das geeignete Mittel, um dem schwangeren Schmerz Ausdruck zu verleihen, und die wie in den Asphalt gegossenen Riffs beruhigen zwar, werden jedoch auch immer wieder mit metallischen Nähten versorgt.

Auch ´Cold & Distant´ stützt sich stark auf die verzerrten Gitarren mit starren, verträumten Effekten und verleiht ein melancholisches Gefühl, wobei der harmonisierte Gesang einmal mehr ihre Vorliebe für melodische Hooks aufzeigt und damit durchaus Erinnerungen an OPETH weckt.

HANGMAN`S CHAIR funktionieren gerade dann am besten, wenn sie die ruhigeren Elemente ihres Sounds aufgreifen und mit ihrer Mischung aus eindringlicher Schönheit und verzweifelter Melancholie zu fesseln verstehen. Bei ´Pariah And The Plague´ beispielsweise überfluten einen die widerhallenden Töne und die kühle Atmosphäre auf eine Art und Weise, die sich beinahe wie die Partitur aus einem Spielfilm anfühlt.

Wie schon auf dem Vorgängerwerk ´Banlieue Triste´ schließt die Band ihr Werk mit einer Komposition, die sich um die zehn Minuten bewegt, und ´A Thousand Miles Away´ ist schließlich die Summe all dessen, was ihm vorausgegangen ist – ein dunstiges und durchschlagendes Songgemälde mit einer bitteren und nur schwer fassbaren Note.

´A Loner´ besticht jedoch vor allem durch seinen zugleich kraftvollen wie magischen Sound, und die Schichten verzerrter Gitarren sind dabei so abgemischt, dass sie energisch und effektiv sind, ohne dabei jedoch überwältigend oder gar chaotisch zu wirken. HANGMAN’S CHAIR navigieren sich nahtlos durch mehrere Genres hindurch, ohne dabei ihre eiskalte und hartnäckige Melancholie zu verwässern – und sie verfolgen auch weiterhin ihren Weg und graben an den Missständen einer Gesellschaft im Untergang.

(8 Punkte)

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