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KOWLOON WALLED CITY – Piecework

~ 2021 (Neurot Recordings) – Stil: Noise/Rock ~


Seit ´Grievances´, dem 2015er-Glanzstück aus Gravitas und Groove, sind KOWLOON WALLED CITY im Noise Rock eine Instanz. Nicht mehr wegzudenken, wenn man ehrlich-kantige Unterhaltung sucht.

Die Herrschaften aus Oakland haben die vergangenen Jahre damit verbracht, ihre Formel von meisterhaften Licht- und Schatten-, Spannungs- und Entspannungsdynamiken auf den Prüfstand zu stellen – und sich bewusst auf ihre elementaren Bestandteile zu beschränken. Das Resultat: ´Piecework´. Es reicht zwar nicht an den Vorgänger heran – ist aber nur knapp unter Augenhöhe angesiedelt.

Was klar ist, schon nach Durchlauf Nummer eins: Dieses Album hat sich der Reduktion verpflichtet. So verwundert kaum, dass es nur knapp über 30 Minuten zählt. Mit seiner halben Stunde fängt ´Piecework´ die trübe Bandbreite menschlicher Emotionen ein – Verletzlichkeit, Triumph, Wut, Frustration, schwache Hoffnung und ein wenig Akzeptanz. Klar, KOWLOON WALLED CITY sind keine Sonnenkinder. Sie bleiben gern in Deckung, auch musikalisch.

Und bei all ihrer Zurückhaltung und bewussten Abkopplung ist dies das, was wir an KOWLOON WALLED CITY schätzen. Von den knapp gegriffenen, nur anklingenden Akkorden zu Beginn des Titeltracks über die erschütternde Atonalität von ´Utopian´ und das schöne, melancholische Läuten mitsamt dezenten Harmonien in ´Oxygen Tent´ bis hin zur sludgigen Langsamkeit von ´You Had A Plan´ ist dies klassisch KOWLOON WALLED CITY.

Kaum erwähnenswert, dass das Tempo nicht so beschleunigt wird wie in den Jahren von ´Turk Street´ oder ´Gambling On The Richter Scale´, sondern eher eine gemächliche, bedächtige Dringlichkeit zeigt. So ist die Band auf diesem Album immer noch in der Lage, unwiderstehliche, unaufhaltsam treibende Akzente zu setzen, zugleich ihre Muskeln spielen lassen – in einem unkompliziert rhythmischen Strom. ´When We Fall Through The Floor´ ist eine der fesselndsten Erkundungen des negativen Seins, der Spannung und des Loslassens, die den Herren bisher gelungen ist. Das Schlußstück ´Lampblack´ ist dann der erschöpfte, kathartische Triumph, der den Markenkern der Band bildet.

Mit ´Piecework´ haben KOWLOON WALLED CITY abermals den Soundtrack zum gesellschaftlichen Status Quo geliefert. Es ist das Bedauern eines Sonntagmorgens nach einer durchsoffenen Samstagnacht – obgleich wir längst alt genug sind, um es besser zu wissen. Es ist der Herzschmerz und die Frustration eines ausgebrannten Sonntagabends, an dem man sich fragt, wozu das alles noch gut sein soll. Es ist das triste, verzweifelte, doch dabei schöne Leben, in dem wir nicht immer wissen, wo wir hingehören oder wohin die Dinge führen – dabei bleibt nur eine Richtung: nach vorn.

(8 Punkte)