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DEAFHEAVEN – Infinite Granite

~ 2021 (Sargent House) – Stil: Shoegaze/Post Rock ~


DEAFHEAVEN waren noch nie eine Band, die vor ihrer künstlerischen Vision zurückschreckte. Ihr zweites, wegweisendes Album ´Sunbather´ verschmolz die Wut und Atmosphäre des Black Metal mit Shoegaze und der ausladenden Schönheit des Post Rock auf eine noch nie dagewesene Art. Seitdem hat die Band einen Weg beschritten, der die Balance dieser Elemente meisterhaft vorangetrieben hat. Mit ´Infinite Granite´ haben sie ihre Kernqualitäten beibehalten, während sie sich jedoch weiter denn je von ihrem ursprünglichen Sound entfernt haben – ihr bisher kühnster Schritt in Bezug auf Genretranszendenz und stilistische Innovation.

Zum ersten Mal singt Frontmann George Clarke mit einem überwiegend klaren Gesang, und wenn ´New Bermuda´ von 2015 einem geradlinigen Metal-Album am nächsten gekommen war, dann erreicht ihr neuestes Werk am ehesten den Status von geradlinigem Shoegaze. Clarke hat sein Spektrum jedenfalls deutlich erweitert und singt oft mit länglichen, federleichten Worten, die wie durch leuchtende Blautöne fließen, Schreie sind hingegen selten und werden nur in taktischer Weise eingesetzt.

Die Gitarrenarbeit von Kerry McCoy und Shiv Mehra ist in den Strophen zudem klangvoller als je zuvor, aber während der Refrains kehrt sie zu ihrer einst mehrspurigen, semi-metallischen Pracht immer wieder zurück.

 

 

Die meisten Songs auf ´Infinite Granite´ sind nach wie vor epische Suiten, die zwischen nachdenklichen und ausschweifenden Momenten fließen und Emotionen durch sich fortwährend weiterentwickelnde, eindringliche Klangschichten hervorrufen. In ´Lament For Wasps´ und ´Shellstar´ beispielsweise läuten, wirbeln und drapieren Gitarren rauschende Verzerrungen um energetische Drums herum, wie wir es von DEAFHEAVEN bestens gewohnt sind.

Daniel Tracys komplexes und zugleich geschäftiges Drumming und Christopher Johnsons gekonnt pulsierender Bass verleihen dem Album eine geerdete Vielseitigkeit, während McCoys und Mehras‘ wirbelnde Astralgitarren und Geräuschwellen dem Sound erst seine verträumte Ausstrahlung verleihen. ´Great Mass Of Color´ etwa enthält dahingehend einige der unauslöschlichsten Hooks und Melodien, und ´Mombasa´ schreitet von akustischem Fingerpicking und wirbelnden Synthesizern über einen gedämpften Refrain plötzlich zu Black Metal-Vocals, die gemeinsam mit stürmischen Gitarren und unerbittlichen Drums aufflammen.

Die Wut und Angst in DEAFHEAVEN hatte schon immer seine Wegbegleiter an Melancholie, Introspektion und einer ausgeprägten Offenheit für Erkundungen. Auf ´Infinite Granite´ setzen die fünf US-Westküstler diese Reise nun fort, erweichen, erhellen und erheben sich zu einem tiefblau strahlenden Himmel, der manchmal immer noch durch Stürme zieht.

(8 Punkte)


(VÖ: 20.08.2021)