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LA ERA DE ACUARIO – La Era De Acuario

~ 2021 (Necio Records) – Stil: Psychedelic Pop ~


Ich finde immer wieder überraschend, was für geile Sachen aus Lateinamerika, Indien, oder anderen, nun ja, für uns anderen, entlegenen Teilen der Welt kommen. Allein wie vielfältig die Bands südlich von Texas und Kalifornien sind, die sich psychedelischen Klängen verschrieben haben. Da findet man echt alles. Es geht von düstersten Ecken postrockigen Doom-Gewalzes bis hin zu poppigen Beat-Sounds.

Eine dieser Entdeckungen will ich Euch hier ans Herz legen. Binnen weniger Stunden war die Vinyl vorbehaltene Auflage ausverkauft. Das selbstbetitelte Debüt von LA ERA DE ACUARIO, kurz LEDA, ist aber weiterhin als Download zu erwerben. Das Sextett stammt aus Ciudad de Mexico, mehr ist schon nicht zu erfahren. Irgendwo in dieser Millionenmetropole steht der Probenraum.

Vielleicht in einer Doppelgarage. Auf dem Garagentor ist außen ein VW Bulli aufgemalt, der an einem Strand unter azurblauem Himmel parkt. Neben dem Fahrzeug sieht man krautige Pflanzen mit, die Blätter sehen aus wie siebenfingrige Blätter. Irgendwie sieht das Gefährt aus, als würde es lachen. Unter dem Tor quillt Rauch heraus. Es riecht würzig, nicht nur nach Weihrauch. Auf dem Dach der Garage steht eine Seifenblasenmaschine.

Die Wände sind verhängt mit orientalischen Teppichen mit bunten, teils floralen Mustern. Auf dem Boden liegen alte Flokatis in verwaschenen Bonbonfarben. Ein Kühlschrank steht voller Flaschen in seltsamsten Farben, etikettiert mit Bildern von Vögeln, Affen oder Totenschädeln. Nebenan griffbereit finden sich diverse Rauchwaren. Eine Wand hängt voller Poster, die KINKS, die BEATLES, PROCOL HARUM und STATUS QUO (deren ´Pictures Of Matchstick Men´ als ´Fotografia´ spanifiziert wird).

Im Raum verteilt stehen Schalen mit Bonbons in allen Formen und Farben. Saure und bizzelnde, klebrige und sogar einige in feuerrot mit der Schärfe von Chillies. In einer Ecke sieht man – wie kommt der dahin? – eine Kopie des „Vater Rhein“ aus dem Heidelberger Schlossgarten, grün angemalt wie ein Wassermann. Sein Haupt wird bedeckt mit einer sehr langhaarigen Perücke.

Wie die Rauchschwaden im Raum, so wabert auch die Musik. Die Orgel bildet einen bunten Teppich. Seifenblasengleich schweben die Gitarren. Und darauf liegt der Gesang von Engeln. Alles ist Eins. Alles ist Frieden. Jeder und jede mit sich selbst. Mit den anderen. Mit dem Universum. Zeit und Raum befinden sich in vollkommener Harmonie. Jeder Ton ist Liebe.

Die Augen wandern. Selbst die Decke ist bemalt. Leda ist zu sehen, im Bade, umringt von kleinen Amoretten. Weiße Tauben kreisen um sie. So schaut sie mich an. Sie hat die Augen von Frida Kahlo. Liebevoll neigt sich ihr Zeus zu, in Gestalt eines Schwans. Doch ihr Blick sucht nach mir…

Im Erwachen habe ich noch den Duft des Weihrauchs in der Nase. Die Musik ist verhallt. Doch das Gefühl, es bleibt noch eine Weile. Und ich weiß, wie ich es wieder in Erinnerung rufen kann. Wieder und wieder.

Gracias por la musica.

(10 Punkte)

https://www.facebook.com/LAERADEACUARIOBAND

https://neciorecords.bandcamp.com/album/la-era-de-acuario-s-t-nr-lp-015