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JASON BIELER & THE BARON VON BIELSKI ORCHESTRA – Songs For The Apocalypse

~ 2021 (Frontiers Music s.r.l.) – Stil: Hardrock/Metal ~


Jason Bieler wurde Anfang der Neunzigerjahre als Gitarrist und Songwriter, später auch als Sänger von SAIGON KICK semi-berühmt. Ein Chart-Hit (´Love Is On The Way´) und bis Mitte der Neunzigerjahre nur Kult-Alben gehen auf das Konto der völlig unterschätzten Legende. SAIGON KICK waren dereinst viel zu vielschichtig, um sich nur dem Hardrock oder nur dem Heavy Metal anzubiedern. Sie wurden von Menschen geliebt, die auch Ausnahmecombos wie JANE’S ADDICTION, JELLYFISH und ENUFF Z’NUFF goutierten, aber Gruppen wie WARRIOR SOUL, LAST CRACK, KING’S X und LILLIAN AXE vergötterten.

Seit 20 Jahren aufgelöst, seit 10 Jahren wiedervereinigt, wartet die Anhängerschaft seither auf ein Comeback-Album von SAIGON KICK. Immerhin brachte Jason Bieler 1998 mit dem Werk ´Houston We Have A Problem´ seine Solo-Karriere auf den Weg, die danach von zahlreichen EPs gepflastert ist. Als unvollendeter Nebenschauplatz kann sein Mitwirken bei SUPER TRANSATLANTIC, mit EXTREME-Bassist Pat Badger, sowie bei der frühen Tour-Version von TALISMAN, mit Marcel Jacob und Jeff Scott Soto, angesehen werden.

2021 ist die Zeit für ein Full-Length von JASON BIELER & THE BARON VON BIELSKI ORCHESTRA reif. Mit zahlreichen Gästen, die das Orchester im Projektnamen abbilden, einer echten Who-is-Who-Liste des Hardrock und Heavy Metal, schenkt Jason Bieler endlich wieder eine markante Song- und Stilmischung aus. „Es sollte ungefähr so ​​klingen, als ob NEUROSIS in einem Schneesturm mit SUPERTRAMP in einem Wawa stecken geblieben wären, dann tauchten JELLYFISH auf und alle beschlossen, Barry Manilow-Cover im Stil von MESHUGGAH zu machen, aber in Walzerzeit mit leichten Country-Grundlagen… und doch zugänglich für die Massen,“ bringt es der Meister selbst subtil auf den Punkt.

Wer also weiterhin auf die echte Alternative zu dem ganz gewöhnlich Normalen wartet, wird sich im Dickicht von ´Songs For The Apocalypse´ zwischen Hardrock und Heavy Metal, gewürzt mit etwas Prog, etwas Psychedelic und Rock’n’Roll, zurechtfinden. Die Musik ist düsterer und schwerer als es für gewöhnlich die Herkunft aus der gleichwohl tristen Gemütsverfassung der Neunzigerjahre erwarten lässt, besitzt nichtsdestotrotz diesen einnehmenden, mehrstimmigen Gesang der Sechzigerjahre. Dass „Frontiers Records“ womöglich dachten, Justin Bieber einen frischen Schallplatten-Vertrag unterzujubeln, steht hingegen auf einem anderen Witze-Kärtchen von Jason Bieler. 

Der echte Beginn, nach der zweiminütigen Einführung ´Never Ending Circle´, präsentiert den Song ´Apology´ in einer neuzeitlichen Heavy-Atmosphäre mit tiefergestimmter Gitarre und dem wuchtigen Schlagzeugspiel von Todd LaTorre (QUEENSRŸCHE), aber auch diesen einmaligen Harmoniegesang aus dem Hause SAIGON KICK. Beim anschließenden ´Bring Out Your Dead´ ist die Bridge im mehrstimmigen Gesang gar schöner gehalten als es der Refrain letztlich erst in der letzten Wiederholung übertreffen vermag – irgendwo zwischen DEFTONES, FATES WARNING und KING’S X zu verorten. Liebliche „Ohwɛ, Ohwɛ“-Gesänge fügen sich ebenso wie der Bass aus den Händen von David Ellefson (MEGADETH) und ein Gitarrensolo von Devin Townsend schmiegsam ein.

Der nächste, frei schwebende Trip, ´Annalise´, zieht sich behutsam gen musikalischer Himmelspforte hoch („God bless America my home, all my heroes are dethroned.“). Wohltuend trifft in ´Stones Will Fly´, mit einem Bass-Spiel von Pat Badger und Gitarren von Butch Walker (ex-MARVELOUS 3), virtuoser Classic Hardrock auf Alternative Rock. Dagegen tönt ´Down In A Hole´ wie ein Grunge-Song in einer Helium-Prog-Blase. Gedanken an T-RIDE kommen auf. Denn ´Anthem For Losers´ öffnet nicht nur den Zugang zu den Klaviertasten und der Twanging-Gitarre von Clay Cook, sondern die Tore für Arena-Rock, etwa von BIFFY CLYRO.

Im Anschluss an das skurril-jazzige Instrumental ´Horror Wobbles The Hippo´ stellt ´Beyond Hope´ den Hörer auf die Probe. Nicht der Bass von David Ellefson, das Gitarrensolo von Bumblefoot, sondern der Metal-Rap von SKINDREDs Benji Webbe („Jump, jump on the arrival. Jump, jump spitting fire.“) stellt die Komposition als glatten Ausreißer der Songsammlung hin. Jason Bieler hat aber auch noch weitere Überraschungen mit Saxophon, Sithar und Trompeten oder der Tuba in ´Crab Claw Dan´ auf Lager, wenn er seine altbekannten Zirkusfestival-Klänge wiederentdeckt. Die Harmoniegesänge sind jedoch allzeit der rettende Anker – oder im besten Falle das große Halleluja.

Heavy Gitarren holt nochmals ´Born Of The Sun´ heraus, beinahe in Prog Metal-Manier. Sodann erscheint ´Alone In The World´ im Alternative Rock/Industrial Rock, etwa im Sinne von STABBING WESTWARD, mit dem Gastgesang von Jeff Scott Soto. Eine Akustikgitarren-Ballade muss mit ´Very Fine People´ selbstredend auch noch auf der Liste stehen („We all need love. We all see who you are.“), sowie der Ausklang für alle Dicken: „fat kid swimming with your shirt on“ aka ´FKSWYSO´.

(8 Punkte)

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