Livehaftig

EXTRABREIT

~ 23.11.2019, Lokschuppen, Bebra ~


Alle verdammten Jahre wieder starten EXTRABREIT ihre Weihnachts-Blitz-Tournee, die sie in diesem Jahr erstmals nach Bebra führt. Der Lokschuppen II, Teil des Kulturdenkmals Bahnhof Bebra, wurde erst im September 2019 offiziell eröffnet, bestand seine Feuertaufe jedoch bereits im Juli mit dem „Volldampf-Festival“.

Die neue Veranstaltungs- und Eventlocation feiert an einem kühlen Samstagabend mit dem Auftritt von EXTRABREIT die Premiere eines Einzel-Rockkonzertes. Da die 660 Besucher fassende Location nicht ganz gefüllt ist, kann man sich auch einen Bierpilz in der hinteren Mitte des Publikums gönnen. Verdursten soll heute keiner. Und auf Spaß muss erst recht niemand verzichten.

 

 

EXTRABREIT stimmen die Zuschauer zur Begrüßung kurzerhand mit sinfonischen Klängen ihrer Gassenhauer ´Flieger, grüß mir die Sonne´ sowie ´Hurra, Hurra, die Schule brennt´ vom Tonband ein und nehmen die Anwesenden sogleich auf eine Zeitreise in ihre Jugend mit. Schließlich unterhalten die BREITEN seit den Achtzigerjahren ihre Anhängerschaft, wurden ungewollt der Neuen Deutschen Welle zugerechnet und feierten dennoch in jenen Tagen ihre größten Erfolge. Irgendwann liebäugelten auch die Hagener mit einem Englisch-sprachigen-Album, konnten gleichwohl keine internationalen Erfolge feiern. Und so verlor man sich irgendwann aus den Augen.

In den Neunzigerjahren wurden EXTRABREIT wiederentdeckt, nur schienen seinerzeit die alten Erfolge, nach einer gefühlten Ewigkeit, einem anderen Leben zu entstammen. ´Wer Böses denkt, soll endlich schweigen´ – mit dem Kult-Song ´Joachim muss härter werden´ – war 1991 ein neuerlicher Klassiker, so auch ´Für mich soll’s rote Rosen regnen´ aus dem Nachfolger mit Hildegard Knef.

 

 

Ihr letztes Werk entsprang dem Jahr 2008, das auch heute Songs für den Auftritt liefernde ´Neues von Hiob´. Der Großteil an Kompositionen für die Stippvisite ihrer Blitz-Tournee in Bebra basiert natürlich auf ihren ersten drei Scheiben: ´Ihre größten Erfolge´ (1980), ´Welch ein Land! – Was für Männer´(1981) und die ´Rückkehr der phantastischen 5!´ (1982). Über 90 Minuten lang feuert das Quintett seine Songs von der Bühne des Lokschuppens.

 

 

Im Mittelpunkt des Events stehen selbstredend Sänger Kai Havaii, seit 1979 der Gruppe vorstehend, und Gitarrist Stefan Kleinkrieg.

Los geht´s mit der Bandhymne ´Extrabreit´ und der Aufforderung des Abends ´Her mit den Abenteuern´. Denn EXTRABREIT sind gekommen, wie Kai Havaii so schön sagt, um den Deutsch Rock zu zelebrieren. Bandgründer Kleinkrieg zeigt sich als souveräner Saitenspieler, der der Gruppe das nötige Profil verschafft.

 

 

Kai Havaii ist auf der Bühne ein wahrer Wirbelwind und lüftet im Laufe des Abends nur einmal die blanke Kopfhaut unter seiner Kappe. Allein bei einigen Midtempo-Songs geht der Gesang im Sound-Orkan der Instrumentalisten etwas unter. Derweil müssen und wollen wir ´Geisterbahn fahr´n´ und hören die aktuellste Bandkomposition ´War das schon alles´.

 

 

 

Als Ruhepol der BREITEN erweist sich auf der rechten Bühnenseite Bassist Lars Larsson, der seit Anfang dieses Jahrhunderts in der Formation spielt und sich mit seiner Sonnenbrille als Mr. Obercool outet.

 

 

 

 

Gitarrist Bubi Hönig ist der Rocker auf der linken Bühnenhälfte. Der Schweiß tropft ihm von der Stirn, denn Stillstand, still stehen, ist kein Rock’n’Roll.

 

 

Aus ´Neues von Hiob´ präsentieren die Männer ´Lärm´ und ´Besatzungskind´. Doch den größten Lärm rufen erst einmal ´Kleptomanie´ und der Bullen-Blues ´Polizisten´ hervor. Welch ein Bass, welch psychedelisch aufspielende Gitarre. Hinter dem Schlagzeug sitzt dagegen seit bald vierzig Jahren völlig souverän Rolf Möller.

 

 

 

Nach einem starken und vom Publikum mitgesungenen ´Der letzten Schliff´, aus ´Wer Böses denkt, soll endlich schweigen´, geht Havaii von der Bühne und überlässt dem Rest für zwei Songs dieselbe. Dabei wird etwa ´Liebling´ richtig schön punkig runtergerotzt. Das Album ´Rückkehr der phantastischen 5!´ scheint demnach bei dem Quintett derzeit hoch im Kurs zu stehen.

 

 

Mit Kai Havaii wieder am Mikrofon fahren EXTRABREIT die Heavyness keinesfalls herunter. ´110´ fegt regelrecht wie ein Tornado über das Publikum hinweg, derweil ´Der Führer´ von den mächtigen Gitarrenklängen lebt. ´Ruhm´ gelangt zu Live-Ehren und natürlich bleiben ´Für mich soll’s rote Rosen regnen´ sowie die erste Band-Single ´Hart wie Marmelade´, die aus ihrer Langsamkeit in einen Gewaltausbruch übergeht, nicht aus.

 

 

 

Bevor es zum Zugabenblock kommt, verabschieden sich EXTRABREIT natürlich mit dem unkaputtbaren ´Flieger, grüss mir die Sonne´.

 

 

Um das Hallenpublikum aufs Neue in Ekstase zu versetzen, schenken EXTRABREIT noch das Lied für alle schulpflichtigen Kinder – ´Hurra, Hurra, die Schule brennt´ – aus. ´Annemarie´ muss von Kai Havaii regelgerecht geschrien werden, ehe das Finale aus ´Ihre größten Erfolge´- ´Junge, wir können so heiß sein´ – den krönenden Schlusspunkt setzt.

 

 

Die aus der Mega-Komposition entwachsende Wahnsinns-Solo-Darbietung aller vier Instrumentalisten, angeführt von Stefan Kleinkrieg, bereitet in seiner Steigerung ein höllisch-heißes Ende. Der Lokschuppen bebt EXTRA-BREIT – bis zum Kesselhaus. Gerne, alle Jahre wieder.