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THE 39 CLOCKS – Next Dimension Transfer (Folge 1)

~ 2019 (Tapete Records) – Stil: Garagen Rock/Psychedelic Rock ~


THE 39 CLOCKS waren zu ihren Zeiten eine unbeachtete Underground-Band aus Hannover. Heutzutage haben die 39 CLOCKS eine weltweite Anhängerschaft, ihre Original-Tonträger werden zu hohen Summen gehandelt, nicht nur in England, Griechenland und den USA. In den Soundtracks der Filme „Nigthtfall“, „23 – Nichts ist so, wie es scheint“ sowie der US-TV-Serie „Halt and Catch“ finden ihre Lieder Widerhall.

THE 39 CLOCKS sind ein einziges Mysterium, andere bezeichnen es als gezielte Antihaltung zum Establishment. Das Duo trug Sonnenbrillen und Anzüge, war auf allen Bildern niemals genau zu erkennen und legte seine bürgerlichen Namen nicht offen, sie nannten sich „J.G.39“ und  „C.H.39“ und erinnerten damit an Molekülketten wie LSD-25, genauso verstrahlt wie ihre Musik. Ebenso verstrahlt ihre Live-Auftritte: Geräusche und Improvisationen, Staubsauger statt Gitarren, der Band Gewalt androhende Konzertbesucher und Strom abdrehende Veranstalter.

 

Frühe Experimente 1973: Die Clocks nehmen Acid und fotografieren Maulwurfs Hügel im Park. Der Sammler Manfred Jucks hat alle 176 Aufnahmen aus dieser Fotoserie mit Echtheitsnachweis erstanden und erntet regelmäßig Hohn und Spott für seine Bemühungen, dafür eine Ausstellung zu organisieren: „Ich nehm’s doch weiß Gott nicht bierernst“, winkt Manfred ab beim Versuch, das Debakel herunterzuspielen, ohne seine Enttäuschung wirklich verbergen zu können. „Über Duchamp wurde schließlich auch gelacht und über Kurt Schwitters“, betont er etwas störrisch und mit Nachdruck. (Auszug aus dem BOXSET-Booklet)

 

In den Siebzigerjahren fanden Jürgen „J.G.39“ Gleue (Gitarre, Bass, Gesang) und Christian „C.H.39“ Henjes (Gitarre, Orgel, Gesang) bereits zusammen, wandten sich erst dem Punk und drei Jahre später dem eigens kreierten „Psycho Beat“ zu. Eine musikalische Insel in Zeiten der Neuen Deutschen Welle, deren Inspirationsquellen die 39 CLOCKS mit einer Anzahl von 123 angaben – neben VELVET UNDERGROUND wohl auch die TROGGS, SUICIDE, NEU! und CAN. Das Schwarz-Weiß-Image fand sich auch in der Musik wieder. Eine schlichte Stimme singt mit bewusst betontem Akzent in Englisch, aufgenommen auf einem Vier-Spur-Gerät. Die neue Dimension hieß THE 39 CLOCKS.

 

 

Das vorliegende 5-LP-Boxset, inklusive CDs im Pappschuber, enthält die ersten beiden regulären Studioalben ´Pain It Dark´ (1981) und ´Subnarcotic´ (1982), zwei Zusammenstellungen von Outtakes/Resten namens ´Reality Is A State Of Mind´ und Raritäten ´13 More Protest Songs´ sowie die unveröffentlichte Live-LP aus dem Jahr 1981 ´A 39 Clocks Performance´. Zudem: ein 28-seitiges Booklet mit schockierend neuen Fakten und Geheimnissen.

 

Performance: Am Anfang hatten die Clocks große Schwierigkeiten, Gigs in geschlossenen Räumen zu bekommen. Deshalb musste der erste Auftritt im Freien stattfinden. Auf der grob gezimmerten Holzbühne konnten sie die Fans nur kurz begeistern, da im einsetzenden Nieselregen mehrere Kurzschlüsse die Anlage in Rauch aufgehen ließen. Ein zufällig anwesender Elektronik-Bastler versprach, die Verstärker wieder in Ordnung zu bringen. Außerdem wollte er den ersten Computer der Welt bauen; beides wurde von den Clocks erfolgreich verhindert. Dieser historische Ort ist leider mittlerweile zugebaut. (Auszug aus dem BOXSET-Booklet)

 

 

 

THE 39 CLOCKS – Pain It Dark (1981)


Obwohl sie zu den Neo Psychedelic-Bands des deutschen Undergrounds der Achtzigerjahre gerechnet werden, bleiben die 39 CLOCKS dem melodischen Aspekt des Psychedelic Rock fern und tendieren weitgehend zum Garagenrock der Sixties. Ihr Debüt ´Pain It Dark´ erschien 1981 ebenso wie ein Jahr vorher ihre erste Single bei „No Fun Records“.

 

Verluste – Was die wenigsten wissen: Die Clocks sind auch auf den „klassischen“ Instrumenten – Gitarre, Bass, Piccolo-Flöte, Orgel und Rhythmusbox – wahre Meister. So benötigten sie beispielsweise nur zwei Stunden, um die erste LP einzuspielen (inklusive der nervigen Diskussionen, welcher Song als nächstes aufgenommen werden soll). Diese Phase der Clocks fand allerdings eine jähes Ende, als 1989 während der Proben zu einem ihrer Comeback-Versuche alle Instrumente auf mysteriöse Art verschwanden. Für die Fans ein Desaster, in Sammlerkreisen aber löste der Verlust Euphorie aus, witterten doch einige die Chance ihres Lebens. In den folgenden Jahren wurde die Umgebung des Probenraums mit kriminalistischen Methoden akribisch untersucht. Ober-Schnüffelnase Martin E.: „Ich hatte mir die Suche einfacher vorgestellt – auch sonst vergessen die Clocks manche Sachen einfach. Immerhin hab ich schon ein Wah-Wah-Pedal ausgegraben …“ (Auszug aus dem BOXSET-Booklet)

 

Ein Deutscher in New York. Ein apathischer Gesang nötigt dem Beat einen eigenen Anschlag ab – nicht unbedingt kalt, aber träge im Gesangsvortrag. Zwei Deutsche spielen Musik. US amerikanischer Garagenrock und Proto-Punk sind die Ausdrucksweise. Aus der Musik sind natürlich die Garage von VELVET UNDERGROUND und der Zauberkasten von SUICIDE nicht wegzudenken. ´Shake The Hippie´ und ´Test The Beat´ dienen bis heute als Bewahrer ihrer Stilistik. ´Psycho Beat´ rüttelt im Orgelklang nicht am eigenen Denkmal. Das Tenor-Saxofon von Gast-Star Tonio Scorpo versucht ´DNS´ in den Wahnsinn zu treiben. Turbulent und wild, ferner rätselhaft und streng, auch repetitiv sind die Klänge von ´Pain It Dark´, monoton und hypnotisierend. THE 39 CLOCKS sind die Vorhut von so vielen Bands, deren Musik in den 1980ern erst noch durch die Lautsprecherboxen krachen sollte.