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THE 39 CLOCKS – Next Dimension Transfer (Folge 2)

~ 2019 (Tapete Records) – Stil: Garagen Rock/Psychedelic Rock ~


Welche politische Sprengkraft die Clocks auch jenseits des Eisernen Vorhangs in Zeiten des Kalten Krieges hatten, zeigen diese Fundstücke aus den Asservatenkammern der Stasi, aufgetaucht im rumänischen Sura Mica. Da die Band wegen ihrer brisanten Lyrics im gesamten Ostblock Auftrittsverbot hatte, waren die Fans gezwungen, selbst Konzerte ihrer unerreichbaren Vorbilder zu veranstalten. Während die echten Musiker im Westen rauschende Erfolge feierten, traten hier auf illegalen „Clocks-Konzerten“ pfiffige Epigonen mit Sonnenbrillen-Imitaten und Billiginstrumenten an, um für einen kurzen Moment der tristen Wirklichkeit zu entfliehen. Ein kleiner Widerstands-Funke, der vielleicht mitgeholfen hat, 1989 die Lunte zum Brennen zu bringen, auch wenn das Publikum die Texte nur bruchstückhaft verstehen konnte. Wie sagten die Clocks noch? „Nur Menschen mir begrenzten Englischkenntnissen können die tiefe Symbolik der Texte erfassen“ – Hut ab!  (Auszug aus dem BOXSET-Booklet)

 

 

Das vorliegende 5-LP-Boxset, inklusive CDs im Pappschuber, enthält die ersten beiden regulären Studioalben ´Pain It Dark´ (1981) und ´Subnarcotic´ (1982), zwei Zusammenstellungen von Outtakes/Resten namens ´Reality Is A State Of Mind´ und Raritäten ´13 More Protest Songs´ sowie die unveröffentlichte Live-LP aus dem Jahr 1981 ´A 39 Clocks Performance´. Zudem: ein 28-seitiges Booklet mit schockierend neuen Fakten und Geheimnissen.

 

 

THE 39 CLOCKS – Subnarcotic (1982)


Eine der unbekanntesten und kultigst verehrtesten Neo Psychedelic-Bands des deutschen Undergrounds veröffentlichte 1982 mit ´Subnarcotic´ ihr zweites Album. Die 39 CLOCKS, bestehend aus Jürgen „J.G.39“ Gleue (Gitarre, Bass, Gesang) und Christian „C.H.39“ Henjes (Gitarre, Orgel, Gesang), waren die Underdogs des Undergrounds. Sie klangen mehr nach New York als New York selbst. Hannover konnte jedenfalls aus den Kompositionen nicht herausgehört werden. Selbstredend auch nicht mit den seltenst abgezogenen Sonnenbrillen vor den Augen – die Ohren bleiben frei.

Sammler Dietmar Huschig präsentiert diese angeblichen Utensilien einer Clocks-Anti-Performance auf der No-Fun-Jubeltour’ 81 wie das Turiner Grabtuch, in einer Vitrine, unter Glas. „ Glauben Sie’s oder nicht – dafür hab ich dreistellig hingeblättert!“, raunt Dietmar H. vertraulich hinter vorgehaltener Hand. Andere Sammler sehen das skeptischer – die Rede ist von einer Mullbinde und Sonnenbrille aus dem örtlichen Drogeriemarkt. „Da gönnt einer dem anderen nicht die Butter auf dem Brot!“, poltert Dietmar los und spielt seine Trumpfkarte aus: „Aber ich habe ein Echtheitszertifikat – was sagen Sie nun?!“ (Auszug aus dem BOXSET-Booklet)

 

Dereinst musste das Duo, das im Studio teilweise von einigen anderen Herren unterstützt wurde, für die Zweitveröffentlichung eigens eine eigene Plattenfirma namens „Psychotic Promotion“ gründen. Dort veröffentlichten hernach auch die KASTRIERTEN PHILOSPHEN. Bereits der Opener von ´Subnarcotic´ ist eine Kathedrale des Garagen Rock. Modriger als in ´Heat Of Violence´ können Gitarren nicht gespielt werden, skurriler keine Orgeln erklingen. Doch der Psycho Beat blüht noch mehr, enervierend in der musikalischen Kirche, im ´Dom (Electricity Elects The Rain)´ auf. Und dann ist da wieder der ´Psychotic Louie Louie´, für die Kirmes-Beschallung im Looping des Todes. Nicht gar so restlos disharmonisch wie der Rest. Denn der Beat des Psychos setzt mit Orgel-Hopping in ´Past Tense Hopes & Instant Fears On 42nd Street´ richtig ein. Das ´Virtuous Girl´ hat den Sixties-Beat. Ein ´Three Floors Down´ strahlt mit Melodica pure Lässigkeit und ein ´Rainy Night Insanities´ mit Klarinette klaustrophobischen Jazz aus. Die 39 CLOCKS waren eine der größten von den Kleinen.

 

 

Unter dem Druck der bevorstehenden Boxset-Veröffentlichung mit dem zu erwartenden Fan- und Presseansturm haben sich die Clocks vorübergehend nach Skandinavien abgesetzt, nach Island und Finnland jeweils. Ihr Pressesprecher Manfred Jucks, den sie speziell von ihren zu erwartenden Tantiemen engagiert haben, auf die Frage, wie es den Clocks dort gefällt: „Gut!“ Der Pressesprecher ist genauso einsilbig wie die Band, die dafür bekannt ist, wochenlang kein einziges Wort verlauten zu lassen. Ausnahmekünstler eben.  (Auszug aus dem BOXSET-Booklet)