
Der neue Release des beständigen UK-Quartetts COLD IN BERLIN vereint die besten Eigenschaften dieser überzeugten Gruppe, die sie kontinuierlich kultiviert. Das aktuelle Album ´Wounds´ zeigt das Londoner Quartett erneut mutig experimentierfreudig. Die vier Musiker um die enorm charismatische Vokalistin Maya kombinieren Post Punk-Unterlagen und treibenden Krautrock mit Synthesizern und Free-Jazz-Bläsern – immer in nonkonformen Rhythmuskonstruktionen. Emotional treffen sie damit erneut punktgenau.
Im Folgenden führt die Band den Leser Track für Track durch das frisch veröffentlichte Werk.
Hangman’s Daughter
Das Rückgrat dieses Tracks ist eine dunkle Electro-Bassline, doch sobald Gitarren und Gesang einsetzen, erinnert der Song an Post-Punk-Legenden wie MAGAZINE. Der Song entstand vergleichsweise leicht. Als Bridge und Ende standen, wussten wir sofort: Das ist ein Single-Kandidat. ´Hangman’s Daughter´ handelt von unerwiderter Liebe: Eine Frau kann die Liebe eines Mannes nicht erwidern, der sie jedoch liebt – und ertränkt sie. Sie ist nicht verloren, sondern verfolgt den Mörder, der ihr nicht entkommen kann.
Der Titel spielt auf die Vergangenheit an, behandelt aber ein sehr aktuelles Thema für Frauen: Wie sie buchstäblich überleben können, wenn ein Mann sie nicht lieben kann, aber meint, dass nur sie zählen.
12 Crosses
Die Idee begann als „Doom-Walzer“ – so als würde ELECTRIC WIZARD einen Gesellschaftstanz aufführen. Später entwickelte der Song einen grungigen Charakter, besonders in den härteren Instrumentalpassagen. Jazz-Elemente sind subtil und weniger subtil eingeflochten, wie das schmetternde Saxophon im ersten Refrain. Sogar das Schlagzeug erinnert in der Bridge an Joe Morello in ´Take Five´.
´12 Crosses´ handelt von den Wunden, die wir tragen, wie sie uns gegen die Zukunft stellen, uns bis zum Ende begleiten und vielleicht sogar Kraft geben, uns dem Nächsten zu stellen.
Messiah Crawling
´Messiah Crawling´ begann als ausufernder zehnminütiger Drone-Track, um das Gitarren-Intro-Riff herum. Dieses Riff bildete den zentralen Hook. Der Song entwickelte sich zu einem wilden, unbändigen Tier, das wir im Studio und auf der Bühne zu zähmen suchten. Inhaltlich erzählt er die Geschichte einer Frau, die in Schwierigkeiten steckt und am Straßenrand steht – die Stimme des Gewissens, die entscheidet, was als Nächstes passiert: helfen oder sich selbst helfen.
They Reign
Das Überlagern von zwei Drum-Kits ist ein Trick, den wir seit 2010 verwenden, und kommt auch am Ende dieser synthlastigen Ballade zum Einsatz. Wir schrieben den Song auf der Gitarre, entschieden uns dann jedoch, die Akkorde auf Synthesizer zu übertragen. Die Synthesizer-Parts arrangierte und nahm der Berliner Musiker Bow Church neu auf.
´They Reign´ ist ein Liebeslied über eine gefährliche Beziehung, in der man sich gegenseitig zerstören kann – eine verlorene Liebe, über die man wie über ein seltsames Königreich herrscht, ein Ort, den man nicht verlassen kann, aber auch nicht bleiben will.
The Stranger
Der schwierigste Track des Albums war ´The Stranger´. Alle ursprünglichen Gitarrensounds wurden verworfen. Übrig blieben Strophen zum Tanzen und Refrains, die zum Untergang führen. Space-Age-Synthesizer verleihen dem Song enorme Dimension.
´The Stranger´ kann viele Interpretationen haben: Sucht, die Wunde, die nicht heilt; die Suche nach einem Platz in der Welt; alte Wunden, die durch Musik geheilt werden; intensive Liebe auf den ersten Blick. Der Song ist Heiler, Käfig, Sucht und gleichzeitig ein Ruf in die Dunkelheit – ein Aufruf an den Zuhörer, sich dem Lärm des Lebens anzuschließen.
We Fall
„Langweile uns nicht, komm zum Refrain“ trifft hier kaum zu, denn die Platte bot Raum für einen 3,5-minütigen Popsong, dessen Instrumental-Demo wir lange herumliegen hatten. Die Hooks tragen den Song und sind aus kleinen Einflüssen zusammengesetzt. Maya brachte den Text sofort auf den Punkt – plötzlich passte alles zusammen.
´We Fall´ handelt von der Liebe: davon, was wir riskieren, um sie zu finden, oder vom Ausklang einer gescheiterten Liebe. Die Liebe schmerzt zunächst sanft an den Rändern, bis wir ins Ende fallen.
The Body
Der älteste Track auf dem Album, den wir bereits 2021 live spielten. Für das Album ergänzten wir einen Refrain und ein kraftvolles Halbzeit-Ende. Der Text beschreibt, wie der Körper uns verraten kann, indem er Wunden fast ohne Erlaubnis teilt. Am Ende steht der Sonnenaufgang und neue Kraft – Verwundete stehen zusammen, jeder hat seinen eigenen Schmerz und Kampf bis zur nächsten Morgendämmerung erlebt.
I Will Wait
Der schleppende, bedrohliche Bassgroove legte die Grundlage für einen zunächst ruhigen Moment auf dem Album. Mit der Zeit entwickelte sich der Song zu einem Rockmonster mit Metal-Einflüssen. ´I Will Wait´ erzählt von jemandem, der auf einen verstorbenen geliebten Menschen wartet, ihn zurückruft, singt, betet, Zaubersprüche spricht und sich weigert zu gehen. Trauer ist die schwerste Wunde, die wir tragen, und kann zum Wahnsinn führen.
Wicked Wounds
Spoken Word ist Teil der DNA der Band, findet aber selten den Weg ins Studio. ´Wicked Wounds´ bildet eine Ausnahme und sorgt für Spannung am Ende des Albums. Der arpeggierte Gitarrenpart macht den Song zunächst ruhig, doch der Lärm bricht unweigerlich herein. Gesprochene Worte verbinden sich mit Gesang, und der Song rebelliert sanft gegen die Art, wie das Leben uns verletzt – indem es uns verwundet und Spuren hinterlässt.

https://www.facebook.com/coldinberlinband
Pics: Rupert Hitchcox



