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LIVING THE FIRE – Newman

~ 2023 (Independent) – Stil: Heavy Metal ~


Schande über mich. Meine Bothan-Spione hatten mir die Pläne dieser geheimen Superwaffe schon im Sommer diesen Jahres zugespielt und nach Monaten der Begeisterung habe ich es tatsächlich geschafft, den Startschuss im November zu überhören. Egal, gute Musik wird nicht schlecht. Also aufgemerkt, liebe Gemeinde.

I am Newman
More than human
I’m superior to everything and everyone before
I am Newman
Need no human
I am godlike you better obey my will or I’ll destroy you little human

Auf einem uns nicht ganz unbekannten Planeten, in der die Übernahme der Welt durch die Maschinen kurz bevorsteht, macht sich eine kleine Gruppe von Rebellen die künstliche Intelligenz nicht nur zur Artworkzwecken Untertan und beleuchtet sowohl dystopische als auch utopische Momente dieser selbst geschaffenen Konkurrenz für die Menschheit der Zukunft.

 

 

Ansonsten ist hier alles andere von Menschenhand kreiert. Bereits vom ersten Takt an macht diese unbeugsame kleine Schar namens LIVING THE FIRE klar, dass es auch in diesem Setting Metal gibt. Doch nicht irgendwelchen Metall, sondern einen unpolierten, eckig-kantigen, sehr eigenständigen – wie gefühlvolle Parts mit Wahnsinns-Ausbrüchen in der Art solch außergewöhnlicher Bands wie DEPRESSIVE AGE wechseln und immer wieder in kräftigen SACRED STEEL Metal münden.

Wer sich nach diesem musikalischen Genuss noch ständig über überproduzierte Hochglanzprodukte aufregt, macht irgendwas falsch. Echter, intelligenter und ehrlicher als sämtliche Schwertträger, Hammerschwinger, Metalpfarrer und Kriegsverherrlicher. Das finstere Mittelalter ist lange vorbei und die Krone der Schöpfung sieht sich ganz anderen Gegnern gegenüber. Die Geister, die wir riefen:

Mother history turning the pages
Licking her lips wiping you off her face
Pay the toll for your elders mistakes or
Come with me and transcend from your fate

You thought you were the masterpiece
A painting for eternity
But you were just a sketch
The canvas is replaced by me

Frontsirene Clemens war weiterhin fleißig im gemeinsam geführten HADES-Trainingscamp von Bruce Dickinson und John Cyriis und wird zwar weiterhin mit seinem einzigartigen Organ das Bangervolk spalten, aber diejenigen, die diese Screamingklasse mögen, zum Frohlocken bringen. Die gesamte Speisekarte beinhaltet leicht progressiven Metal, der teilweise schon voranthrasht, nicht allzu verkopft geradeaus auf den Punkt kommt und mit Songs wie ´Weak And Frightened´ auch stets die nötige Portion Drama bereithält. ´Dead And Evil´ als auch den ´Iron Deceiver´ kann ich jedem Speed- bis Powermetalfan empfehlen, der mal wieder richtig abgehen will und dabei auch Refrains haben will.

Humankind will cease to be
What I loved has turned against my heart
There is no second chance
The gods in the machine are real
We are second to their power
Follow him or cease to be
They extinct those who don’t kneel
Choose to live or to be free

Über das lose, aber ausgefeilte Konzept aus dem Bereich Mensch Maschine ließe sich ein eigenes Aufsätzschen schreiben, aber ich gebe mich der Hoffnung hin, dass ein aufmerksamer Metaller nach kurzem Anchecken letztendlich auch wegen dem grandiosen Artwork paar Dukaten zückt und seine Sammlung um ein wahres Kleinod des Undergrounds bereichert, für dessen Post in zehn Jahren reichlich Däumchen gedrückt werden. Es sei denn, wir geben uns der momentanen Strömung hin, sämtliche Kompromissbereitschaft und Diskussionsfähigkeit zu Gunsten der größeren Idiotie – äääh Ideologie – abzuschaffen:

We don’t compromise
Why should we? We’re always right
Close your mouth and mind
Join the tribe, be happy and smile 

 

 

Wie es sich für ein Konzeptalbum gehört, werdet ihr durch verschiedenste Stimmungslagen geleitet, die durch die variable Stimme von Clemens fantastisch erforscht werden. Unnötig zu erwähnen, dass bei dieser Art Musik instrumental und kompositorisch unglaublich viele Ideen im gehobenen Leistungsbereich umgesetzt werden.

Da es sich um einen gesamten Jackpot handelt, ist es schwierig, einzelne Stücke rauszupicken. Der Gangshouter brüllt die Zeile “Come come to me“ von ´Another World´, der Epiker streckt die Arme bei ´Hopes And Dreams´ in die Höhe und nicht wenige überlegen sich, ob der allmächtige Bruce abseits eingetretener MAIDEN- und Solopfaden in einer Heavyproggenden Umgebung so leidenschaftlich agieren würde. Bravo.

Definitiv ein Highlight des Jahres 2023, welches man sich erarbeiteten muss bis sich die Refrains in die Hirnwindungen bohren und man es danach nicht wieder missen möchte wie eine progressivere Ausrichtung von Combos wie NASTY SAVAGE, SACRED- oder AGENT STEEL.

CHARGE! Killing in my name
CHARGE! You become the fire
CHARGE! Forging a new time for a new way of life
CHARGE! For new and better men

The Newman is my GOD

 

mit LIVING THE FIRE stellen sich für euch der ungewissen Zukunft:

Stimme des Widerstands: Clemens Paulich
mindestens sechs Saiten: Sebastian Schmidt
mindestens vier Saiten: Martin Lauer
Geschützturm: Phil Vog


livingthefire.bandcamp.com