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TRISTAN BRUSCH – Am Wahn

~ 2023 (Tautorat Tonträger/Four Music) ~


Große Musik benötigt keine Kategorisierung und Tristan Brusch komponiert, spielt und singt grandiose Musik.

Der gebürtige Gelsenkirchener Künstler lässt sich auch auf seinem dritten Album ungern klassifizieren.

´Am Wahn´ ist der wahrgewordene Traum von großer deutschsprachiger Popmusik. Da müssen keine Reden geschwungen werden von Chanson oder Schlager.

Tristan Bruschs Kompositionen sind derart sonderbar und außergewöhnlich, dass sie immerfort ein Lächeln auf die Lippen zaubern würden, wären sie nicht gleichzeitig von großer Tragik erfüllt. Seine Welt ist strahlend, aus fahlen Farben werden bunte Bilder, über Engel, Huren, Freier, Jungfrauen, Gespenster, Blinde und Nachbarn.

Der 34-jährige ist ein Poet der besonderen Art und geht dabei mit der Instrumentierung sparsam um, Klavier und Streicher gesellen sich zur Akustikgitarre, deren Umgreifen beim Akkordwechsel sogar zu hören ist, ehe der jeweilige Song womöglich in all seiner Macht auflodert.

Tristan Brusch drängt seine Lebensbilder aufs Äußerste ins Licht, er bringt seine Liebesgespielinnen annähernd um den Verstand (´Wahnsinn mich zu lieben´) und erlebt die ewige Liebe in dem einen Jahr des Wahnsinns (´Seifenblasen platzen nie´), denkt alsbald an die Verflossene (´Glücklich´) und wie er sie letztlich umbringen könnte (´Am Herz vorbei´).

Der Wahlberliner erkennt gott- und staatenlos das Ungeheuer in uns (´Monster´), zeigt auf, dass kein Mensch ohne Schuld ist (´Oh Lord´) – oder vielleicht doch (´Kein Problem´ mit Annett Louisan als hauchender Gegenpart)? – denkt während der Chemotherapie an die geile Zeit am Badesee (´Baggersee´) und sinniert, ganz gleich wie das Leben so spielt, dass es immer einen gibt, der für uns da ist (´Für Theo´).

Große Musik, große Texte über 37 Minuten und elf Songs. Ganz grandios. Restlos groß.

(10 Punkte)

 

 

„Wie ein Orgasmus durch den Strohhalm, wie das Glück durch einen Schluck …
Getanzt, gefickt und gebetet, gestritten, dann gelacht …“

 

https://www.facebook.com/tristanbrusch


Pic: Rebecca Kraemer