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IN THE WOODS … – Diversum

~ 2022 (Soulseller Records) – Stil: Gothic/Doom ~


Ich hab keine Ahnung, die wievielte Platte von IN THE WOODS das hier ist. Die allwissende Encyclopedia Metallum sagt Nummer Sechs seit 1995, Compilations und Livealben nicht mitgezählt. Ich hatte damals das ´Isle Of Men´- Demo und ´Heart Of The Ages´ als LP, welche ich irgendwann verkauft und mir 2021 neu als CD gekauft habe. Der darauf enthaltene Black / Epic Metal-Mix wurde recht rasch abgeändert, soviel ich las.

Unser Chefredakteur hat mir diese neue IN THE WOODS fragend zugeschoben, ich hab ja gesagt. Angeworfen und reingelauscht. Die Katzen rennen schon mal nicht gleich kreischend weg, also kann die Musik vielleicht ja doch gut sein. Nach einem friedvollem Dahinschweben mit Keyboardteppich und Akzenten klar gespielter Elektrogitarre beginnt das erste Stück rockend, mittelschnell dahinstapfend, geradlinig mit dunkel melancholischer, von einer sanften, etwas dunkleren Stimme melodisch geführten Stimmung, bevor die metallischen Elemente den entspannten Gothic Rock-Einschlag aufpeppen und die Vocals grollend derb einen eindeutigen Deathmetal Ausdruck bekommen. Der Refrain ist halb klar gesungen, halb gegrollt. Es folgt eine wiederum eher schwebende, sanft wogende Passage mit wunderschönen Gitarrenleads. Willkommen in der Welt der IN THE WOODS nach dem Debüt.

Vorteilhaft für meine Ohren ist ihr Verzicht auf zu „moderne“ Sounds, ich meine diese siebensaitigen nach Computer klingenden Saubermann Gitarren, die zwar tiiieeeeeefe Noten spielen können, aber kein Feeling offenbaren. Auch bleibt die Band stets geradeaus. Der Geist der frühen bis mittleren 90er erhebt sich aus dem wabernden Bodennebel der Erinnerungen an unsere Jugend. Und fürwahr bin ich einen Augenblick lang wieder 20. Damals hatten zwar IN THE WOODS keinen Drang, Elemente aus epischem Doom, straightem Gothic Rock, melodischem Deathmetal und sinfonischem Neoprog und Pomprock durcheinander purzeln zu lassen. Aber es gab Ansätze überall, einige Helden des Todesdooms hatten sich mehr zum Progressiverock oder Gothicsound orientiert und doch die dichte Atmosphäre ihrer kurz zuvor noch angesagten Deathdoom Hymnen beibehalten. Die schmachtende Leadgitarre hier und dort versprüht die Essenz des 90er Deathdooms, den ich so vergöttere. Aber die Band dreht und wendet sich. Hier gibt es viel melodischen Gesang zwischen sanfterem Gothicsound und klassischem Hardrock.

 

 

Beim zweiten Stück ´Moments´ vereint sich das Hardrockcrooning im Refrain sogar mit dem hellen Keifen, welches an Blackmetal erinnert. Das Ergebnis geht durch Mark und Bein. Die klare Struktur und somit gegebene Eingängigkeit des Songs bleibt selbstredend stets unangetastet. Sehr schön gemacht ist der Bruch und kurzfristige Weggang vom elegant dahinschreitenden Bombastdoomrock, wenn das irgendwie garstige Heavy Metal-Riff einsetzt und zu einem Emporrecken der Faust bzw. zur Präsentation der Mano Cornuto einlädt. Die Hymne ist trotz der nackten Rauheit dieses Augenblicks dennoch gegeben. Nach dem Leadgitarrenschmachter, welcher ´Moments´ beendet, kommt ein neuer Leadgitarrenschmachter und beginnt ´We Sinful Converge´, einen gleichbleibend entspannt dahingroovenden Gothicrocker, der in der Strophe beim sanften Gesang fast schon Poptauglichkeit erreicht, im Vorrefrain durch Blackmetalkeifen ersetzt wird und dann in einem Refrain mit unglaublich bewegender Melodie mündet. Alles in einem stabilen Tempo gehalten. Die obligatorische nachdenklich melancholische Ruhepassage mit leichtem Progrockfeeling muss dann natürlich auf dem Fuße folgen. Aber rasch bricht ein Deathdoom Abschnitt wie eine Wildsau durchs Unterholz und fällt über uns her, leitet den nächsten Refrain ein. Wenn das Teil kein Tanzflächen Hit in der Metaldisko würde…ich wüsste auch nicht.

IN THE WOODS springen zwischen den artverwandten Stilen umher, mal sind sie mehr Gothicrock, mal epischer Doom, mal schwelgen sie im getragenen Prog- und Bombastrock, würzen alles mit progressiv melodischem Deathmetal und einer nur ganz sachte unter der Oberfläche zu spürenden Blackmetal-Schroffheit, die immer wieder von den packenden Melodien umspült wird, gleich einem rauen Fels in sanfter Brandung. Dabei machen alle Songs stets Sinn und kommen auf den Punkt. Wirklich innovativ stellen sich die Norweger dabei nicht an, setzen auf klassische Metal- und Rock-Elemente, auch bei schwereren Passagen nie zu derb inszeniert. Ich bezeichne solche Alben als Genussmusik. Tanzbarer als meine 22er Highlights von CANDLEMASS und FER DE LANCE, aber von ähnlichem Geiste. Musik mit Größe und Würde.

IN THE WOODS bleiben sich treu, erschaffen mit ihrem sechsten Album ein wunderschönes Werk, welches rasch Ansätze offenbart, die Zeiten als Klassiker zu überdauern. Ob das so geschieht, kann wohl erst in 20 Jahren gesagt werden. Aber fantastische Musik für alle Epic und Gothic Doomer und Melodicdeathprogger der 90er ist hier wieder gegeben.

(8,5 Punkte)

 

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Pic: Runar Haugeland