Livehaftig

WUCAN, SPIRAL DRIVE

~ 12.08.2022, Café Central, Weinheim ~


Vor ein paar Jahren hatte ich schon mal Karten für WUCAN an diesem Ort. Leider war ich da krank und musste passen. Also heute, die Band hat mit ´Heretic Tongues´ ein neues Album in der Hinterhand, erfolgt ein neuer Versuch, das Quartett aus Dresden endlich live zu erleben. Obwohl es sehr heiß ist, und das „Café Central“ den Ruf hat, bei sommerlichen Temperaturen zur Sauna zu mutieren, finden sich eine Menge Fans ein. Aber, keine Bange, die Location hat die Zeiten von Corona genutzt, eine recht leistungsfähige Lüftung zu installieren. Dennoch, es ist zu erwarten, es wird heiß.

WUCAN liefern ab. Das ist schnell klar. Gänsehaut macht sich breit. Grinsende Gesichter allenthalben. Tanzende Thrash-Fans und feiernde Studis einhellig vereint unter dem Banner des Flötenrocks aus Elbflorenz.

Am Bass, Alexander Karlisch, wirkt gelassen, fast stoisch. Dennoch sorgen seine Läufe für Leben im Bandgefüge. Hinter des Kesseln sitzt Philip Knöfel. Selten habe ich bisher das Schlagwerk so wackeln, das Drumpodest so schwingen sehen. Hier treffen sich sichtbare Power und hörbares Spielgefühl. Selbst ein Solo ist drin. Das bleibt kurz, aber beeindruckt. Rechter Hand des Drummers tobt sich Tim George nicht nur an den sechs Saiten aus. Zwischen Power Chords und feinem Melodiespiel ist alles drin. Dazu steuert er diverse Backings bei oder bedient die Tasten.

Mittelpunkt der Show und Augen- und Ohrenweide ist ganz klar Francis Tobolsky. Zuerst wirkt sie klein und zerbrechlich, als sie während der Umbaupause auf der Bühne steht. Kaum jedoch ist das Saallicht aus und die Scheinwerfer sind auf sie gerichtet und die ersten Töne erklingen, schon scheint sie zu wachsen. Über sich hinaus, in Größen, so weit ihre Stimme trägt. So singt sie, tanzt sie. Lasziv wirken ihre Bewegungen, auch ein wenig verführerisch wie einst bei Salome. Aber nie gestellt, ohne künstliche Posen, immer echt. Dabei wechselt sie, problemlos scheinbar, zwischen Gesang, Flöte und Theremin. An diesem Instrument spielen nicht nur ihre Hände. Die Finger tanzen, das Gesicht lebt. Es wirkt wie die Beschwörungen einer Hexe, ekstatisch wie der Tanz auf dem Blocksberg.

WUCAN spielen, wenn auch in veränderter Reihung das komplette ´Heretic Tongues´. Dafür, leider, bis auf ´The Rat Catcher´, kaum älteren Stoff. (Wobei, hier kann sich meine Wahrnehmung irren.) Aber, die neuen Lieder werden durch die Bank gefeiert ohne Gleichen. Vehement wird ´Fette Deutsche´ gefordert. Noch mehr bejubelt wird das RENFT-Cover ´Zwischen Liebe Und Zorn´. Ruck Zuck verrinnt die Zeit und die Show ist vorüber. Die Zugaberufe verhallen aber nicht ungehört. So legen die vier noch einen nach. Ich wusste vorher, dieser Song ist im Programm. Trotzdem kommt es unerwartet. ´Am I Evil´. Ein grandioser Schlussspurt einer Band, die wohl nicht schwach kann und der jede Schublade zu klein ist.

Vor WUCAN aber gibt es noch eine Vorband zu bewundern. Das fällt nicht schwer. SPIRAL DRIVE kommen aus Mannheim. Sie stammen aus meiner Stadt und ich kenne sie nicht? Asche über mein Haupt. Das soll sich auf jeden Fall ändern.

Vier junge Männer betreten die Bühne. Im Vergleich zum Publikum wirken sie, wie eben erst der Mutterbrust entwachsen. Kaum legen sie los, hört man die musikalische Reife der vier optisch grundverschiedenen Jungs. Gitarrist und Sänger Raphael Nekes erinnert ein wenig an Kurt Cobain. Genau so lärmt er auch mit seinen sechs Saiten. Gesanglich bewegt er sich zwischen den Briten der Beat-Ära und eher krautigen Kollegen. Bassist David Knevels dagegen sieht aus, wie eben 1989 aus der NVA entlassen. Aber er tanzt mit seinem Instrument wie weilend 1968. Und spielen kann er auch zudem. Irre Läufe kommen ebenso wie funkiger Disco-Slap. An den Drums sitzt, wenn man das sitzen nennen mag, Felix Burtscher, der den etatmäßigen Schlagwerker vertritt. Er scheint eben aus einer kalifornischen Hair Metal-Band ausgestiegen. Spielerisch würde er jeder Prog-Truppe Ehre machen. Als Gast ist der vierte Mann dabei. An den Tasten wird das Trio von Quentin Vogel verstärkt. Und er zaubert, der Harry Potter-Lookalike. Er zaubert Töne.

Es ist kaum zu beschreiben, was die vier fabrizieren. Ist es Space, ist es Stoner? Da ist Psychedelic drin und Pop, eine Prise Beat und 70er Blues Rock. Und selbst wenn die vier kurz mal in verschiedene Richtungen gehen, ich vermag kaum mitzuzählen, finden sie kurz darauf wieder harmonisch zusammen. Oder ´Heatwave´, passend zur Wetterlage, wo am Schluss von Autobahn-Reisegeschwindigkeit abgebremst wird auf Slow-Doom. Auch im Set, ein Song namens ´Yeti´. Der entstammt der Band vom Vater des Sängers, den Ende der 70er in Duisburg aktiven TAIFUN. Nie offiziell erschienen, darum schon eine Rarität, passt der richtig gut ins Programm. Da merkt man, dass die Mannheimer, so jung sie sind, einer alten musikalischen Tradition folgen.

Was für ein Abend! Trotz Lüftung sind am Ende alle, Musiker wie Fans, schweißgebadet. Am Merch sieht man nur glückliche Gesichter. So gehe ich reicher nach Hause, als bei meiner Anreise. Schließlich hat eine Band alle Erwartungen erfüllt. Und eine zweite durfte ich kennenlernen, die ich bisher versäumt habe. Und beide würde ich auch wieder anschauen.


Pics: Marco Magin