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DEATH ANGEL – The Bastard Tracks

 ~ 2021 (Nuclear Blast) – Stil: Thrash Metal ~


Der Begriff „Legenden“ wird im Metal-Business ja gerne überstrapaziert, aber im Falle der Bay Area-Stalwarts DEATH ANGEL gibt es dazu einfach keine passende Alternative. Schon das Debütalbum ´The Ultra Violence´ von 1987 war seinerzeit ein absoluter Klassiker des Genres, und wohl nur wenige wissen, dass sich der Titel auf ein weiteres Meisterwerk bezieht, nämlich den Film „A Clockwork Orange“ von Stanley Kubrick. Drummer Andy Galeon war damals gerade mal 14 Jahre alt und das vorangegangene Kult-Demo ´Kill As One´ wurde von keinem Geringeren als Kirk Hammett produziert. Es folgten zwei weitere Alben mit allerdings unterschiedlichem Erfolg, nämlich das aufgrund seines eher experimentelleren Charakters leicht umstrittene ´Frolic Through The Park´ und das kommerzieller ausgerichtete ´Act III´, bevor sich die Band 1991 schließlich auflöste.

Die Mitglieder gingen danach bekanntermaßen getrennte Wege, einige mit THE ORGANIZATION und SWARM, doch mit ´The Art Of Dying´ feierten sie 2004 schließlich ihr hoch gepriesenes Comeback. Seitdem sind DEATH ANGEL wieder höchst aktiv, wenn auch mit einigen Wechseln in der Rhythmusgruppe, und haben seit der Reunion sechs Alben veröffentlicht, zuletzt das ausgezeichnete ´Humanicide´ von 2019.

Die Kombination aus der jahrelangen Tourerfahrung und der energischen Kraft, die normalerweise einer Band in den Zwanzigern vorbehalten ist, bringt jetzt ein Live-Album hervor, das aus einem Gig in der „Great American Music Hall“, San Francisco resultiert und nun rund sechs Monate später als Spektakel durch eine physische Freigabe zu beobachten bzw. zu hören ist.

Das passend benannte Audio- und Videoalbum ´The Bastard Tracks´ ist eine weitere Übung in moderner Thrash-Metal-Intensität, und um mit der Tradition zu brechen, das aktuelle Studioalbum in den Mittelpunkt zu stellen, gibt es nur einen Vertreter von ´Humanicide´, während ältere Post-Reunion-Alben wie ´Relentless Retribution´ neben zertifizierten Frühphase-Krachern von ´Frolic Through The Park´ und ´Act III´ den Hauptanteil bilden. Das Ergebnis ist eine maßvolle Kombination aus gnadenlos aggressiven Thrashern in voller Geschwindigkeit, druckvollen mittelschnellen Hymnen mit beißender Riffarbeit sowie auch einigen Streifzügen in sanfte Akustikballaden. Etliche „Deep Cuts“, die entweder nur selten oder bis dato sogar noch gar nicht live dargeboten wurden.

 

 

Die Songs umfassen den Großteil des Backkatalogs, wobei nur die bereits erwähnten ´The Ultra Violence´ und ´The Art Of Dying´ nicht vertreten sind, und die Mehrheit stammt von den letzten vier Alben. Die Anordnung der Setlist, genauso wie die Auswahl an sich, stellt ein perfekt inszeniertes Ereignis für die prügelnden Massen dar und der blutende Opener ´Lord Of Hate´ liefert auch sofort den nötigen Energieaufbau, während er von einem bescheidenen Akustikgitarren-Intro in einen schnellen, aber insgesamt stromlinienförmigen und eingängigen ersten Angriff übergeht. Das nachfolgende ´Where They Lay´ ist die erste Single- und Video-Veröffentlichung und ein glühender Thrasher, mit einem stechenden, rhythmischen Gitarren-Punch und einer gesanglichen Mischung aus Growls und heiseren Schreien aus der Halford-Schule.

Nostalgie-Freaks werden anschließend mit einer Reihe bombastischer Interpretationen alter Klassiker wie den punkigen, knorrigen Knallern ´Why You Do This´ und ´Guilty Of Innocence´ und dem ansteckenden Thrasher mit ANTHRAX-Vibe, ´The Organization´, verwöhnt. Es gibt keine langweiligen Momente, und selbst die ruhigeren Phasen, bestehend aus den akustischen Balladen ´Faded Remains´ und ´Volcanic´, erzeugen rohe Emotionen, da sie melancholische Landschaften hinter einer zurückhaltenderen und eindringlicheren Gesangsdarbietung von Mark Osegueda malen.

Der Sound dafür ist ausgezeichnet, er ist roh, allerdings auch nicht perfekt und er zeigt all die kleinen Unvollkommenheiten, die zu einem Live-Gig nun mal gehören. Einziger kleiner Kritikpunkt ist, dass Teds Aguilars Gitarre an bestimmten Stellen etwas tief im Mix ist, die Performance ist jedoch insgesamt exzellent, die Rhythmusgruppe super tight und die Gitarren haben überwiegend einen großartigen Ton, während Marks Gesang seine übliche, einzigartige Mischung aus Melodie und Schreien ist. Nach dem Ableben von SLAYER thronen DEATH ANGEL neben EXODUS und KREATOR jedenfalls ganz oben im Thrash-Olymp – und das auch völlig zurecht!


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