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MEMORY GARDEN – 1349

~ 2021 (No Remorse Records) – Stil: Power Doom ~


Nicht erst seit sich MEMORY GARDEN mit dem heimlichen Triptychon, bestehend aus ´Tides´ (1996), ´Verdict Of Posterity´ (1998) und ´Mirage´ (2000), als Macht im Power-Doom positioniert haben, sondern bereits mit drei vorausgegangenen EPs, insbesondere ´Forever´ (1995), hatten sie sich ihren Platz in der Szene erkämpft. Die 1992 gegründete Formation musste allerdings im Anschluss immer wieder lange Durststrecken überstehen, da sie erst 2008 und 2013 mit weiteren Studioalben, ´Carnage Carnival´ und ´Doomain´ für Nachschub in ihrer Diskografie sorgen konnten.

Problematisch war natürlich immer wieder die Unruhe im Bandgefüge, denn allein Sänger Stefan Berglund und Schlagzeuger Tom Björn sind seit Anbeginn beim Gedächtnisgarten dabei. Lead-Gitarrist Simon Johansson ist seit dem zweiten und Bassist Johan Wängdahl sowie Ante Mäkelä erst seit dem letzten Studioalbum bei MEMORY GARDEN angekommen.

 

 

Doch es scheint von Vorteil, dass MEMORY GARDEN nicht nur innerhalb der letzten achtzehn Monate wie die Konkurrenz auf die Schnelle ein Studioalbum fabriziert haben, sondern sich dafür acht Jahre Zeit gelassen haben.

Denn ´1349´ ist ein famoses Konzeptalbum über die Pandemiejahre der Schwarzen Pest geworden. MEMORY GARDEN betrachten dabei keinen stringenten Zeitablauf, sondern verarbeiten einzelne Schlüsselmomente der Jahre zwischen 1346 und 1353, in denen etwa 25 Millionen Menschen vom Schwarzen Tod heimgeholt wurden. Die Bezeichnung eines Schwarzen Todes wurde allerdings erst später in die Welt gesetzt, in jenen Tagen sprach man von „mortalitas magna“ („großes Sterben“), „pestis magna“ („große Seuche“) oder „pestilencia maxima“ („riesengroße Pestilenz“).

MEMORY GARDEN sind mit ihrem sechsten Werk dennoch keineswegs der Schwarzen Magie verfallen und haben wahrscheinlich auch keine Ratten mit dem bereits dereinst aus China eingeschleppten Bakterium in einem großen Zaubertopf verrührt. Das Quintett ist fieberhafter unterwegs, melancholisch-kraftvoll schluchzend als auch übermütig-aggressiv triumphierend, natürlich immer einen Pfad Richtung schwedisch-epischem oder klassischem Doom einschlagend oder der Gewalt des Power Doom folgend.

Denn der Opener ´Shallow Waters´ nimmt längst jede mittelalterliche Stadt im Sturm ein. Mit einer Strophe im Sinne von CANDLEMASS und einem überaus hymnischen Heavy Metal-Refrain zum Triumphieren könnte die Spur direkt auf die Kampfbahn zum anwesenden Volke führen. Solch eine Hook zu diesem gar frühen Zeitpunkt der Handlung regt zu echten Freudentränen an.

Die Dunkelheit ummantelt anschließend ´Pariah´, das schwer schleppend durch die Ecken und Winkel der Umgebung geistert, ehe ein kurzes, psychotisches Gitarrenlead das Lied auf Pfade führt, die es in die strahlenden Höhen zum Lichte zieht. Das sind wärmende Epic-Gefühle zum Entgegenjauchzen.

Schnellen Schrittes durchquert dagegen ´Distrust´ die verschmutzten Straßen der Stadt, himmlische Stimmen singen bisweilen mit dem Wandersmann im Chor. Auf diesem Weg könnte es daher zu vermehrtem Schütteln der Köpfe kommen. Zum Ausklang singt der Barde obendrein dermaßen heroisch formvollendet, dass erneut jedem Mannsbild und jedem Weibsbild die Tränen reichlich überkommen.

Trotz aller Schwere und scheinbaren Unvergänglichkeit der Töne breiten wir alle gemeinsam zu ´Rivers Run Black´ die Arme aus und blicken durch die schwarzen Wolken hindurch in den Himmel der Träume. Josefin Bäck, die wir vom ersten, 1993er Demo und dem Song ´Marion´ kennen, übt sich zwischendurch in kurzen „Na-na-na“-Gesängen, doch die Männerschar spannt alle Ausharrenden auf die Folter. Eine klitzekleine Progressivität kann daher den Kompositionen zuweilen nicht ganz abgesprochen werden. Dann allerdings öffnen sich die epischen Tore zum Himmelreiche, mit wortloser Begleitung von Josefin Bäck.

Die dunklen Schwingungen breiten sich in ´The Flagellants´ zwischen den Straßenschluchten aus und werden von den vormals psychotisch angedeuteten, jetzt sich vollends waltzerischen, in der Finsternis windenden Stimmungswechseln heimgeholt. Der Chor setzt mutig in diesen Singsang mit ein, da die Riffs im Stechschritt in die Höhe gefeuert werden. Zur Stimmungsaufhellung holt Gastmusiker Göran „Freddy“ Fredrikson sogleich seine mittelalterliche Ausrüstung heraus, wird jedoch vom elektrifizierten Instrumentarium schnell übertönt. Denn der Barde lässt abermals sein herrliches Organ ertönen und erhält von Josefin Bäck in dieser nervösen Singer-Songwriter-Komposition ´The Messenger´ Geleit. Magie liegt in der Luft.

Häscher fallen in der Stadt ein. ´The Empiric´ versprüht die Power und unbändige Kraft. Bereits der Weg zur Wolkenleiter ist freilich dermaßen anschmiegsam, dass sich das Mannsbild nach der Holden umschaut, doch nur Niklas Stålvind von WOLF schaut kurz vorbei, um die theatralische Vorführung beinahe in ZED YAGO’sche Bahnen zu führen.

Mittlerweile scheinen alle Wege aus der Stadt in das riesige Rund für das gemeine Volk zu führen, denn ´1349´ ist zur dortigen Darbietung als hymnische Anbetung geradezu prädestiniert. Und schon erklingen die Klaviertasten. Das Volk ist bereit, dem Barden zu lauschen. ´Blood Moon´ ertönt und schmettert die Töne zu jedem Tastenanschlag in die Menge. Nun fangen die Gitarren zu singen an und selbstverständlich steigen die restlichen Gruppenmitglieder bei diesem Schauspiel auch noch mit ein.

Die Pest bleibt alldieweil in den muffigen Gassen gefangen, die Volksmassen beklatschen ihren Triumph über den Tod. Feiern wir MEMORY GARDEN und ihr fundiertes sowie ausgereiftes Meisterwerk.

(10 Punkte)

https://www.facebook.com/memorygardenofficial


(VÖ: 17.12.2021)