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CULT OF SCARECROW – Tales Of The Sacrosanct Man

~ 2021 (WormHole Death Records) – Stil: Thrashrooted Atmospheric Doom Metal ~


Wow. Die Saat, die auf der EP 2018 aus gesät wurde, hat uns mit dem Debütalbum eine fette Ernte beschert. Waren CULT OF SCARECROW damals noch ein wenig auf der Suche nach ihrem Weg und ich ordnete sie in meiner Hirnbibliothek eher dem besonderen Doom mit kauzigen Einsprengseln zu, so wirkt ´Tales Of The Sacrosanct Man´ komplett in sich geschlossen mit einer klaren Linie. Und die heißt kraftvoller, dunkler Edelstahl.

How can you believe in this work of deception
Follow so blindly without any question
Are we the only ones with a different perception
Who want to break free from their everlasting suppression
How can you believe…

In the Sacrosanct Men

Schon der Opener ´Sacrosanct Men´ birgt diese unterschwellige Macht in sich, die früher entstand, wenn beinharte Thrasher einen Ausreißer mit Melodie und Atmosphäre auf ihren Alben präsentierten. Es ist zwar nicht meine Kernkompetenz, aber ich liebe guten Thrash. Ebenso liebe ich es, wenn das Tempo zugunsten eines tighten Grooves rausgenommen wird und die Songs in ein dooomiges Mäntelchen gekleidet werden. Dazu kommen wie auch schon auf der EP kritische Lyrics, die der gute Thrasher des Öfteren nutzt, um die Songs auf ein weiteres Gänsehautlevel zu hieven, wie ´Robotized´ exemplarisch darlegt:

They euthanized you not a shred of human feelings left
Then mechanized you they ripped your heart out of your chest
They digitized you programmed to listen and obey
Then mesmerized you condemned till your very last day

Erwischt! Es liegt wohl daran, dass drei der Belgier von CULT OF SCARECROW tatsächlich aus dem Thrash kommen (DEAD SERIOUS bzw. DIE SINNER DIE), doch ihre metallische Kraft steckt heutzutage in ebendiesem dunklem, groovigen Metal, der Freunde von NON FICTION über MINDFUNK bis VEIL OF DECEPTION hellhörig werden lassen und das ist gut so, denn diese perfekte Melange von Melodie und Urkraft inklusive dezenten Keys habe ich zuletzt eher selten gefunden, weshalb ich CULT OF SCARECROW auch keineswegs lediglich dem Doom zuordne.

Deshalb ersetze ich nach langem Hin- und Herüberlegen zwecks Stilbeschreibung das Wörtchen „extraordinary“ vom Review der EP (keine Bange – aus der Masse ragen CULT OF SCARECROW mehr denn je heraus) mit „thrashrooted“ und „atmospheric“, was definitiv etwas über Riffing, die hervorragenden Soli und die Konzentration auf starke Melodien und Stimmungen aussagt. Dem Kult sei Dank hat sich der Kern der Band nach dem Aus von DEAD SERIOUS 1995 über 20 Jahre später voller Enthusiasmus wiedergefunden und ist erneut an den Start gegangen. Older, maybe wiser – but even better.

 

 

Der starke Gesang unterstützt fast entspannt den fetten Groove der Songs, die einfach nach Bewegung deines Körpers schreien. Alleine das Riffing von ´Lazarus´ nach einem fast proggigen Beginn lässt dich unruhig auf dem Fahrzeugsitz hin und herrutschen und du sehnst dich danach, diese Band live in den vorderen Reihen verschwitzter Menschen zu erleben.

The ugly truth or the beautiful lies
Have you finally got it figured out
Willing to give in barely stay alive
Just quit living in this state of doubt

Wer bei ´Robotized´ nicht mitbangt und die Gangshouts „Piece by piece… come to cease… surprise surprise you’re robotized“ mitbrüllt, dem ist nicht mehr zu helfen. Abartig geil auch der Einsatz der Keyboards, die die düstere Atmosphäre lediglich unterstützen, anstatt den truen Metaller abzuschrecken. Um es mit Darth Vaders Worten auszudrücken: „Ich spüre eine Präsenz, die ich schon lange nicht mehr…“ – besonders bei ´Pitch-Black´ welches eine fantastische Atmosphäre aufbaut, mächtig explodiert und auch die Thrashroots nicht verleugnet. ´Dookicker03´ schraubt dir ebenso die Rübe runter, nachdem es dich anfangs mit Assoziationen zu Birminghams düstersten Wäldern gelockt hat und sich zu einem Kracher mit großer Dynamik auswächst, der ein äußerst ernstes Thema insbesondere im „Land of the free“ vertont:

So much for your killing machine
Another failure of your American dream
First glorifying honor then a pool of red
From a ribbon on his chest to a bullet in his head

Wachsen. Dies ist ein wirklich ein zentraler Aspekt von sämtlichen Songs von ´Tales Of The Sacrosanct Man´. Bei jedem Durchgang fühle ich mich wieder einen Ticken mehr gepackt und überrollt, aber das auf eine zutiefst glücklich machende Art trotz aller Düsternis. Vorsicht – diese Platte kann definitiv süchtig machen. Sakral startet ´This Blood’s For You´ – ein weiteres spannendes Groovemonster, welches Nackenmuskulatur als auch Beinfreiheit fordert und im Refrain gar positive Erinnerungen an (guten) Grunge weckt und zum mitshouten zwingt:

Here’s for you sinners here’s for you heathens
Here’s for you sinners here’s for you non-believers

This blood’s for you, this blood’s for you

 

 

Ha! Da läuft mir beim Intro von ´Samenes´ doch tatsächlich ein wahrer Platzregen von KING DIAMOND-Schauer über den Rücken. Zäh wie Lava, mächtig wie der K2 und vorwärts marschierend wie die größte Brasskapelle des Collegefootballs platziert sich auch dieser Song zwischen den Ohren.

Welcome to the land of the free where you risk high court for individuality
In this place bleak and grey you can have it your way if it’s done how they say
All they want puppets on a string mold to do everything but their own thing
Join the army of fools button your lips and obey the rules

Den krönenden Abschluss bildet die epische Metalhymne ´Own Worst Enemy´, die gänzlich ohne Schwerterklirren auskommt und sogar Fans von SAVATAGE (instrumental gesehen) und anderen US-Heroen ansprechen müsste. Äußerst gefühlvoll – wie eigentlich auf dem gesamten Album – agiert hier Sänger Filip De Wilde, dessen wohlklingende, unaufdringliche Stimme das i-Tüpfelchen auf der sehr individuellen Band-Torte bildet.

Why should you carry half of the world’s weight on every shoulder
It’s time for you to see in this life we all got numbered days
I just know without you this world would feel so much colder
Try to see it is only you who can rid of the burden and beat the maze

CULT OF SCARECROW haben sich mit der EP und diesem Debut als alte Hasen der Szene in meine Liga dieser ganz besonderen Bands eingefügt, die nicht nur Pflichtprogramm für anspruchsvolle Metaller sind, sondern auch ein heißer Tipp für diejenigen, die heutzutage im Metal kaum noch was Frisches für sich finden. Es sollte doch mit der teuflischen Vogelscheuche zugehen, wenn sich kein Veranstalter findet, der eine Band dieser Klasse aus unserem Nachbarland nächstes Jahr auf ein Festival-Billing platziert – egal welches, die Männer passen eigentlich überall hin. Bis dahin herzlichen Glückwunsch für den Einzug in meine Jahresbestenliste!

 

www.facebook.com/thecultofscarecrow

cultofscarecrow1.bandcamp.com

Eure neuen Sektenführer sind:

Filip De Wilde – Stimme
Jan Van der Poorten – Gitarre
Ivan De Strooper – Gitarre
Gunther „Gunny“ Poppe – Bass, Backings
Robbie Eelbode – Keyboards
Nico Regelbrugge – Schlagzeug, Backings