Livehaftig

WEIRD OMEN

~ 09.10.2021, ALTER am Alten Messplatz, Mannheim ~


Ein brachliegendes Baugelände am Alten Messplatz in Mannheim, direkt an der Kurpfalzbrücke und am Neckarufer wird momentan von der Stadtteil-  und Kulturinitiative ALTER bespielt. Mit Kiosk, Ausstellungsraum für junge Künstler, Tischtennisplatten und Spielgeräteverleih. Dazu kommt eine fest installierte Bühne auf dem Gelände. Diese wird seit dem Sommer, im Zuge der Lockerungen, von eher kleineren Bands genutzt, bei freiem Eintritt. Heute ist hier ein Trio aus dem französischen Limoges anzutreffen. Keine Plakate, keine Ankündigung in der Presse, nur ein kleiner Terminhinweis bei Fratzebuch. Da stoße ich eher durch Zufall darauf. Ich kenne das Gelände, dass da eine Open Air-Bühne ist, dass da Konzerte stattfinden, das ist mir neu. Doch der Terminhinweis ist spannend genug, um mich auf den Weg zu machen.

Dort war zu lesen, das französische Trio WEIRD OMEN spielt einen Mix aus Garage, Fuzz, Surf Rock und Psych, in der Tradition der Sixties mit Einflüssen etwa der KINKS. Das Ganze dann in der Besetzung Gitarre, Schlagzeug und Saxophon. Ein paar Youtube-Links stehen dabei. Aber die sehe ich mir nicht an. Entweder ich kenne die Band, die da spielt, oder ich lasse mich so richtig überraschen.

Also gibt es heute Abend das Überraschungsprogramm. Der ursprünglich geplante Opener fällt aus. Also geht es kurz nach Acht gleich in die Vollen. WEIRD OMEN scheinen ein gewissen Following in der Stadt zu haben. Direkt wird das Tanzbein geschwungen. Hosen wackeln. Harre fliegen. Nebenan bleiben Spaziergänger stehen. Aber auch die stehen nicht lange still. Die einen ergreifen zügig das Hasenpanier. Oder sie beginnen ebenfalls mit rhythmisch zuckenden Bewegungen. So ansteckend ist das, was da von der kleinen Bühne kommt. Und später wird auch klar, sie sind wirklich in der Stadt nicht unbekannt. Es stellt sich heraus, die Franzosen waren die letzte Band, die vor dem Lockdown im Café Blau auftreten durfte.

Auch wenn ein Trio keinen Hauptdarsteller hat (oder im Normalfalle haben sollte, Ausnahmen bestätigen die Regel), am meisten fällt Saxophonist Fred Rollercoaster ins Auge. Leopardenhemd, enge Jeans, das Instrument mit einer schweren Kette um den Hals gehängt, so tobt er über die Bühne. Drummer Remi Lucas ist schwer mit Tattoos übersät. Gitarrist Martin Daccord schwarz gekleidet und mit Schiebermütze, schreit und kreischt ins Mikrophon. Bei einigen Stücken übernimmt der Drummer den Gesang. Und wenn ich von Schreien und Kreischen rede, trifft das des Pudels Kern. Es ist laut. Es ist verdammt laut. Dabei ist kaum Fuzz zu erkennen, von Surf keine Spur. Irgendwie ist auf den ersten Hör auch nicht von den KINKS oder ähnlichen Acts zu erahnen. Dafür klingen WEIRD OMEN nach Garage. Nach einer sehr lauten Garage. Da ist Punk drin. Da ist mehr von THE CLASH als von Hippie Flower Power.

So geht es immer geradeaus. Knüppel aus dem Sack. Vier Akkorde für ein Hallelujah. Der wichtigste Bestandteil des Lärmkollektivs ist aber definitiv das Gebläse. Erst ersetzt Fred mit seinem Sax den Bass. Kurz später erzeugt er Klänge, kreischend, da wo das Gitarrensolo hingehört. Töne, die ich von einem Saxophon noch nie vernahm. So sorgt er für maximalen Lärmpegel. Martin legt mit seiner halbakustischen das Fundament. Riffs und Rhythmen von Beat bis Rock’n’Roll, von THE WHO bis ´Let There Be Rock´, aber alles in Höchstgeschwindigkeit. Angetrieben wird das Ganze von Remi. Der legt ein Tempo vor wie ein TGV. Wenn er völlig losgelassen ist, gibt es fast schon speedmetallisches Geballer. Und dann wieder das Saxophon. Das ist mehr Heavy Metal als alle Powerwölfe und Sabatonis zusammen.

Und das Partyvolk tanzt dazu. Ausgehungert. Ausgelassen. Wild. Und friedlich. Knapp mehr als eine Stunde Vollgas. Doch alle gehen mit in den vorderen Reihen. Selbst hinten ist Bewegung. Auch die Zaungäste lassen sich anstecken. So eindimensional die Musik erscheint, so wirkungsvoll kommt sie an.

Ganz anders dann der Albumsound. Auf dem Heimweg wird im Auto die CD eingelegt. So kann man feststellen, wie fuzzig, spacig, surfig und garagig die Jungs aus Limoges im Studio klingen. Da finden sich Melodien, fast ohrwurmartige Passagen. Ein ´Earworm´ der auf der Bühne einfach nur gnadenlos knallt, bekommt hier plötzlich Zwischentöne. Es gibt mit ´The Goat´ sogar einen waschechten Blues. Aber Blues und Zwischentöne werden live nicht benötigt. Da geht es um maximale Wirkung. Ich würde sagen, Ziel erreicht.

Halb zehn. Der Abend ist noch jung. Machen wir noch was? Im 7er spielen BOUNCE, ein BON JOVI-Tribut. Ein paar Balladen und Melodic Rocker zum Dessert. Größer könnte der Unterschied nicht sein. WEIRD OMEN haben sich mächtig ins Langzeitgedächtnis gespielt. Oder sollten sie nicht besser WEIRDO MEN heißen?

https://weirdomen.bandcamp.com/


Fotos: Simon Wolski