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VLIMMER – Nebenkörper

~ 2021 (Blackjack Illuminist Records) – Stil: Post/New/Dark/Wave/Industrial ~


Mitten in das Auge des Sturms. Rundherum tobt das Unheil. Inmitten ist es still, aber jeder Zentimeter nach außen verspricht ein Brausen und ein Krachen. Sieht so die Endzeitstimmung aus?

Zeit hat sich Alexander Donat mit seinem Projekt VLIMMER für diesen Moment reichlich genommen. Seit 2015 läuft er eine Runde nach der anderen, um den Shoegaze in das Inferno des Dark Wave und Post Punk zu führen. Sage und schreibe über 18 EPs waren wahrlich eine Serie wert, über die Jahre hinweg – angefangen bei der Doppel-EP ´I/II´ bis hin zur selbstgebastelten Box ´XIIIIII​/​XIIIIIII​/​XIIIIIIIII´ – veröffentlicht zu werden. Und bereits hier versank der Gesang oftmals im Getöse aus Synthesizern und Gitarren, der letzten Offenbarung des Weltuntergangs nicht fern.

In der Ruhezone dieses tosenden Wirbelsturms entsorgt Alexander Donat sein ganzes, bislang genutztes Equipment, häutet sich einmal kurz und schüttelt sich. Dann bricht er auf, mit frischem Equipment den ´Nebenkörper´ zu aktivieren, nach unzähligen EPs das Debüt, das erste Full-Length-Album von VLIMMER zu präsentieren.

Wütend ist VLIMMER, etwas ´Farbenmüde´ vielleicht, so betont es die instrumentale Einführung, die bereits geschmackvolle Industrial-Klänge im Tribal-Rhythmus vorantreibt. Im Tumult des Sound-Gefechts geht daher nicht nur der Gesang von ´Fensteraus´ beinahe unter. Dabei hat er doch so einiges zu erzählen: er fällt aus dem Rahmen, dem Gesicht und dem Fenster. Schnell raus, schnell weg von hier ist gleichsam die insgeheime Losung von ´Mutem´ („Keine Tonspur für die Tortur.“). Natürlich zeigt sich währenddessen diese Stimme immer wieder wie in ´Restfall´ lamentierend im Sinne des New Wave, bisweilen aufgrund der Verärgerung gar verschnupft.

Wehende Synthesizer, ein flotterer Beat, so stellt sich ein Song namens ´Meter´ vor („Millimeter oder Kilometer? Der Blick an uns vorbei,  Worte von Sinn befreit.“). Trotz kontinuierlicher deutscher Lyrik besitzt insbesondere dieser Song weltweite Airplay-Ambitionen. Weitaus mehr noch mäandert ´Ad Astra´ den Slogan für die Mehrheitsfindung ins Hirn. Synth-gefütterte Industrial-Schläge führt dagegen ´I.P.A.´ zur Schau.

Ist ´Kartenwarten´ beinahe die Ruhe selbst, erwacht die Zerstörungswut nochmals in ´Kron´. Ein Küsschen und ein ´Wangendruck´ links und rechts zur Beruhigung, doch „in welche Richtung?“ Derweil der Sturm an Heftigkeit verliert, bleibt eine weitere Frage aus ´Nebenbei´ und im Allgemeinen offen: „Wohin, denkst du, geht es denn die ganze Zeit?“

(7,5 Punkte)

https://blackjackilluministrecords.bandcamp.com/album/nebenk-rper

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