PlattenkritikenPressfrisch

RORY GALLAGHER – Rory Gallagher

 

~ 1971/2021 (Universal) Stil: Blues Rock ~


Schon mit TASTE schrieb der irische Gitarrist Rory Gallagher Rockgeschichte. Mit der Band spielte er zwei Studioalben ein, klassischen Blues Rock in Trio-Besetzung. Herausstechend schon damals sein leidenschaftliches und explosives Gitarrenspiel auf der Bluestradition aufbauend, aber immer mit einer gehörigen Portion Rock. Deshalb fand Rory auch schnell Anklang bei einer breiten Rockhörerschaft und nicht nur bei einem Nischenpublikum. TASTE wurden – auch mit gehöriger Mithilfe ihres damaligen Managements – schnell „abgewickelt“.

Letztendlich war TASTE aber eigentlich Rory Gallagher. Wenn Rory auch immer von hervorragenden Musikern begleitet wurde, wie später von Drummer Ted McKenna oder schon hier von Dauerbassist Gerry McAvoy, so war er immer der Mittelpunkt jeder Besetzung. Denn sein Gitarrenspiel war im Studio, aber noch viel mehr bei seinen hervorragenden Live-Auftritten die Substanz der Musik und der Magnet für die Zuhörerinnen und Zuhörer. War hier doch ohne Zweifel einer der leidenschaftlichsten und besten Gitarristen der Rockgeschichte am Start. Und auch ein starker Songwriter und Sänger. Das wird schnell vergessen.

Hier geht es um sein erstes gleichnamiges Soloalbum, das 1971 erschien und jetzt in verschiedenen Versionen neu gemastert und mit bis zu 30 zusätzlichen Outtakes und Live-Stücken angereichert wurde. Das Groß-Paket liegt mir zur Besprechung nicht vor, aber doch viele Outtakes neben der neu gemasterten Originalplatte.

Sein Debüt ist nicht mein Lieblingsalbum, da gibt es ein paar andere, aber wie alle seine Veröffentlichungen sehr stark. Rory wich nie von seinem Weg ab, blieb bescheiden, verzichtete auf Singleveröffentlichungen, Stargehabe und anderen Firlefanz und lebte nur für seine Gitarre, seine Musik und seine Supporter.

Es gibt auf jeden Fall auf dieser Neuveröffentlichung, die Rory mit Schlagzeuger Wilgar Campbell und dem ab dann ständigen Dauerbegleiter Bassist Gerry McAvoy nebst Gastkeyboarder einspielte, außer den bekannten Perlen wie ´Sinner Boy´ mit massivem Slide Gitarren-Einsatz oder dem dynamischen Boogie-Opener ´Laundromat´ vieles zu entdecken. Sanftes, natürlich akustisches wie ´Just A Smile´ oder die wunderschönen Halbballade ´I Fall Apart´. Das starke ´For The Last Time´ mit begeisternden Gitarrensoli oder ´I’m Not Surprised´. Und abschließend das längere ´Can’t Believe It’s True´, wo er noch einmal seine Gitarrenkünste ausführlich darbieten darf. Rory zeigte hier sein ganzes Spektrum, die spätere Hard Rock-Seite ist aber eher noch unterbelichtet, aber ansonsten passt diese starke Platte hervorragend in seine eigenständige Interpretation von Blues und Rock.

Nun gibt es wie oben genannt neben drei Session-Songs (waren teilweise schon Bonus-Titel auf vorherigen CD-Ausgaben) allerhand Outtakes und BBC-Livetracks auf der Doppel-CD und der 3er-Gatefold-LP und noch deutlich mehr auf dem Luxus 4-CD Box Set mit seinem ersten Konzert zusätzlich auf DVD. Outtakes sind ja meistens eher für beinharte Fans als für Gelegenheitshörer interessant. Zumindest heute, wo sie schon für zukünftige Deluxe Editionen vorproduziert werden, und deshalb nutzlos sind. Nun, bei Rory machen Outtakes aber schon Sinn, denn er war sehr spontan und improvisierte viel. Das macht auch seine inzwischen vielen veröffentlichten Live-Aufnahmen so spannend. Deshalb kann man hier schon die eine oder andere Perle entdecken wie die „Tangerine Studio Session“ von ´I Fall Apart´, eine sehr dynamische Version von ´Sinner Boy´ oder das Instrumental ´Advision Jam´, wo Rory schnell das Songkorsett zugunsten seines explosiven Gitarrenspiels verlässt.

Für Einsteiger, die sein erstes, oft weniger bekanntes Album noch nicht kennen, ist diese Wiederveröffentlichung sicher der richtige Zeitpunkt einzusteigen. Für alle anderen ist es eine Budget- und Geschmacksabwägung wie tief man in den Rory Gallagher Kosmos eintauchen will oder kann.

Letztendlich ein wichtiges Zeugnis eines hochbegabten Künstlers, der wie viele noch immer nicht die notwendige Anerkennung, die ihm schon lange zusteht, bekommt. Ein glänzendes Stück Rockgeschichte. Sowas hätte ich mir für das, dieses Jahr auch 50 Jahre alt gewordene THIN LIZZY-Debüt-Album auch gewünscht.