PlattenkritikenPressfrisch

VELVET VIPER – Cosmic Healer

~ 2021 (Massacre Records) – Stil: Heavy Metal ~


Die Tochter des fliegenden Holländers ist lebendiger als zuvor. Jutta Weinhold ist und bleibt ZED YAGO. Obgleich mittlerweile unter dem Bandnamen VELVET VIPER das fünfte Studioalbum erscheint, hängt das Herz des anhänglichen Lovers auf Ewig an den beiden Scheiben von ZED YAGO. Schließlich entstand die Tochter des Holländers einst im Kopf von Jutta Weinhold, um in Bezugnahme auf Heinrich Heine und Richard Wagner, die noch vorhandene Phantasie auf der Welt aufzuspüren.

VELVET VIPER ist ohnehin nur die namenstechnische Notlösung, da der Name ZED YAGO in neuer Konstellation unter Jutta Weinhold seit den Neunzigerjahren verbrannt ist. Jutta Weinhold spielte bereits direkt im Anschluss an den Split bei ZED YAGO Anfang der Neunzigerjahre zwei Scheiben unter dem Bandnamen VELVET VIPER ein, weil ihr Name ZED YAGO an die Mehrheit einer anfangs gegründeten GbR fiel – drum prüfe, frei nach Schiller, mit wem man sich bindet. Nicht ganz so glücklich wurden sogar im Jahre 2020 die beiden ZED YAGO-Klassiker – ´From Over Yonder´ (1988) und ´Pilgrimage´ (1989) – unter dem Banner VELVET VIPER wiederveröffentlicht.

Die aktuelle Bandbesetzung von VELVET VIPER besitzt zumindest seit ihrer Wiederkehr anno 2017 mit Holger Marx (Gitarre), Johannes Horas Möllers (Bass) und Micha Fromm (Drums) eine gewisse Konstanz. Das Kompositionsgespann Holger Marx und Jutta Weinhold kredenzt zudem völlig unzweifelhaft zum dritten Mal in Folge nach ´Respice Finem´ (2018) und ´The Pale Man Is Holding A Broken Heart´ (2019) mit ´Cosmic Healer´ beinahe ein Dutzend klassisch-romantischer Heavy Metal-Songs.

 

 

Produziert von Holger Marx in den „Jangland Studios“, gemischt von Ralf Basten und gemastert von Alexander Krull im „Mastersound Entertainment Studio“ hat ´Cosmic Healer´ außerdem Gastbeiträge von Ferdy Doernberg (ROUGH SILK, AXEL RUDI PELL) und Janine Schouten an den Keyboards sowie Background-Gesänge von Al Shirazi (VOLDT) und Karsten Vollmer (SKULLCRUSHER, RECKLEZZ) zu bieten.

 

 

 

Schwertklingen kreuzen sich, wie Donnerhall marschiert ´Sword Sister´ in die Schlacht. Niemals aufgeben heißt das erste Motto, das uns zum klassisch-pathetischen Heavy Metal präsentiert wird. Und Jutta Weinhold singt dermaßen emotionsgeladen, als hätte es die letzten dreißig Jahre nicht gegeben. Wer am Ende dennoch feige in den Brunnen fällt, hört den letzten Schrei nicht mehr auf Sichtweite verhallen. Zum fetten Bass reitet anschließend ´Let Metal Be Your Master´ in bester Ronnie James Dio-Manier durch die Steppe. Die Liebeserklärung an den Heavy Metal entwickelt sich zu einer echten Hymne. Daher gilt nicht nur für alle Freunde von STORMWITCH bis HAMMERFALL: Heavy Metal soll Euer Meister sein.

Als erste echte Bandhymne VELVET VIPERs erweist sich ´Holy Snake Mother´, bei der „Velvet Viper“ von einer verzerrten Stimme aus dem Background geshoutet wird. Denn in der muffigen Grabesgruft von Cleopatra haben vor zwei Jahrtausenden alle Schlangen zugebissen, nur die Samtotter, die Velvet Viper nicht. Diese schnappte sich die perlenbesetzte Krone und grub sich den Weg in die Freiheit, um fortan niemanden mehr zu beißen oder zu töten. Ein schöner Schlagzeugeinsatz in JUDAS PRIEST-Manier eröffnet indes den Titelsong ´Cosmic Healer´, der sich als Midtempo-Geschichtserzählung über Pankrates und Isis sowie als nächste Mitsinghymne entpuppt. Der Bruder von Isis, Osiris, war der Gott des Jenseits, der Wiedergeburt und des Nils. Der Mythos erzählt in ´Osiris´ von einem Fruchtbarkeitsgott in klassischem Metal-Pathos. Zum schleppenden Rhythmus bleiben VELVET VIPER sodann in ´Sassenach´ der Geschichtserzählung treu, hierbei über die Sachsen-Lady Sassenach.

Zu viele zeitkritische Fragen, auch über die Zukunft des Rock’n’Roll strapazieren wirklich nur das Gemüt. Jutta Weinhold stellt dieses Problem zwar zur Diskussion in den Raum, die Antwort muss jedoch warten, da ´On The Prowl´ again skandiert werden muss. Dennoch bleibt die 73-jährige kritisch und besingt in ´Long Shadows´ ein wohl fälschlicherweise Karl Kraus zugeschriebenes, und in die Gegenwart passendes Sprichwort – „Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten!“ – und äußert obendrein ihre Bedenken, ein gefährliches Spiel mit Mutter Natur zu treiben.

Die Geschwindigkeit wird sogleich bei ´Voice Of An Anarchist´ nochmals erhöht, um die Stimme des Anarchisten zu erheben, der weder regiert werden will noch selbst regieren kann. Ein weiteres und letztes Mal kommt der Zauber über uns, wenn die Zeit still steht, die Nacht kein Gestern und kein Morgen kennt, in der ´Darkness Of Senses´. Eine Akustik-Version der ´Götterdämmerung´ setzt letztlich den allerletzten magischen Schlusspunkt.

(8 Punkte)

https://www.facebook.com/VelvetViper

https://velvet-viper.de/


Pic: Volker-Wilke
(VÖ: 23.04.2021)