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GAIA GUARDA – Anatomy Of Fear

~ 2020 (Pentapus Records) – Stil: Avantgarde ~


Macht hoch die Tür, die Ohr‘ macht weit – es kommt die Frau der Herrlichkeit. Es ist mal wieder so weit. Ich bin bereit, mich von einer wunderschönen Frauenstimme aus Montreal auf eine akustisch-elektronische Reise in Sphären von MILA MAR, QNTAL, DEAD CAN DANCE & Co. entführen zu lassen. Was für ein Debüt.

Die Seele baumelt, die Ohren werden umschmeichelt von herrlich-warmen Kompositionen, deren Tiefe und Perfektion des Experimentellen man sich von einer gereiften KATE BUSH gewünscht hätte. Versteht mich nicht falsch, niemand pinkelt der Königin ans Bein, aber das, was die große Diva an Avantgardismus und Individualismus seit ´Red Shoes´ mehr und mehr zugunsten harmloser Stückchen verloren hat, findet sich auf diesem Album – insbesondere der verspielten, natürlichen Leichtigkeit von ´Who We Are´ – und entfaltet sich auf ganz eigene Weise. Eine Schönheit in trauriger Sentimentalität, die von ausgefeilten organischen und elektronischen Sounds und natürlich der verzaubernden Stimme von Gaia Guarda getragen wird.

Im Mittelpunkt des Schaffens von GAIA GUARDA steht neben dem Instrument Stimme stets das Lied oder die Melodie selbst, somit muss man als normaler Hörer keine Angst vor allzu extravaganten Strukturen haben. Rocky Gray (ex-EVANESCENCE) und Gaias URIEL-Bandkolleginnen Jessica Ricard (Cello) und Ariane Paquette (Violine) komplettieren die Band und erschaffen diese stimmungsvollen Klanglandschaften, die durch Harfenspiel von Gaia selbst noch veredelt werden. Für die treuen Anhänger gab es bereits eine Kollaboration mit der anderen Harfenfee LINDSAY SCHOOLCRAFT (ex-CRADLE OF FILTH) unter dem Titel ´I Didn’t Break´.

Der Zauber einer gedankenversunkenen Tori Amos mit und ohne Klavier (´Carefully Haunted´) und ein wenig LOREENA McKENNITT-Flair umgibt die dezent-rhythmisch ausgerichteten Kompositionen. Daneben dürfen auch PORTISHEAD ein wenig Trip-Hoppen (´Nothing’s Hiding In The Lake´). Die durchgehende Emotionalität des Albums sollte Freunde der Schwarzen Szene als auch den Anhänger avantgardistischer Diven abseits des gewöhnlichen Pop-Buiz ansprechen. Bei ´Heartbeat´ sehe ich vor meinem inneren Auge geschmeidige, anmutige Körper in perfekten Wellenlinien im Hangar des M’ERA LUNA tanzen, die sonst sehnsuchtsvoll auf MILA MAR, HELIUM VOLA oder QNTAL warten.

Besonders ´Answer Me´ zeigt in dem Bereich der tieferen Tonleiter die warme, stimmliche Nähe zu meiner Lieblingsmuse Milù alias Anke Hachfeld (MILA MAR), die bereits als Gastsängerin von SCHILLER gerade diese Nummern auf ein multidimensionales Niveau anhob. Mit ´Drowning In Fear´ verabschiedet sich GAIA GUARDA für die LOREENAs in episch-folkig-waviger Weise.

Einer der wundervollsten musikalischen Trips mit langer Nachwirkung, die ich im vergangenen Jahr begonnen habe und nun endlich jedem Musikfan wärmstens ans Herz legen möchte. Magisch.

www.facebook.com/gaiaguardamusic