PlattenkritikenPressfrisch

THE GHOST NEXT DOOR – Classic Songs of Death And Dismemberment

~ 2024 (Ripple Music) – Stil: Prog Heavy Metal ~


Eindeutig ist das hier Progressive Metal und progressiver Hardrock. Die Riffs und Rhythmen winden sich und umschlingen einander wie Kobras beim Liebesakt. Die Melodien sind versponnen, stimmen nachdenklich, haben zuweilen eine dunklere Atmosphäre, schweben aber auch gerne erhaben über den instrumentalen Strukturen. Die Passagen wechseln nicht selten.

Soviel zu diesem Album. Bisher. Es ist das Drittwerk der kalifornischen THE GHOST NEXT DOOR, die vier Jahre vom Debüt zum zweiten und nun fünf Jahre zum dritten Album brauchten. Kunst statt Kommerz, auch wenn man die Musik gut hören kann und sie einem in die Seele fährt.

Die Amis sind als Komponisten und Musikanten sehr auf einen natürlichen Fluss bedacht. Passagen wechseln, Rhythmen ändern sich, die physische Kraft wird erhöht oder verringert, alles in einem Gang ohne abrupte Stopps. Sie haben alten 70er Prog und 80er Neoprog als Grundzutaten sehr offen auf ihre Agenda gesetzt, der wird mit einem epischen Heavy Metal versetzt, welcher den Eindruck eines tosenden Ozeans vermittelt. Das ganze wirkt modern, hmm, frisch und zeitlos auf jeden Fall. Die 80er Elemente erstrecken sich auch hin zum Post Punk und Gothic Rock, die Musik bleibt aber frei von Kitsch.

Auch jazzigen Rock lassen THE GHOST NEXT DOOR zu, was sich in einigen coolen, erhabenen, aber freakigen Gitarrensoli und ausgefallenen Rhythmen äußert. Die Gesangsmelodien sind nicht zu offensichtlich und offensiv angelegt. Die Schönheit der Musik erwächst aus dem Zusammenspiel aller Elemente. Zuweilen kann der Gesang roh, schroff und spröde sein. Die doomige Säge an Gitarre unter solchen Parts ist auch kein typischer Prog, aber die verwinkelt fließenden Strukturen drumherum schon. Nur eben mit einem sumpfig schmutzigen Element versehen.

Am besten, man hört dem Album zu und taumelt in traumtanzender Trance mit dem jeweiligen Stück durch dessen Leben. Auch solch eine Musik weckt Assoziationen, da sie nur eine weitere Variante der allgemein bekannten Rockmusik darstellt. Klar doch. Aber die Mischung macht hier die Qualität aus und sie entbehrt ja nun auch nicht einer gewissen hypnotischen Eindringlichkeit.

Die Heavy Parts sind herrlich brodelnd und intensiv, die sanfteren melodischen Augenblicke schon fast unirdisch betörend. Und immer diese Soli, die Dir in ihrer furiosen Wildheit und erhabenen Pracht die Seele aus dem Leib brennen vor Lust und Leidenschaft. Lustvoll sind sie auch wirklich dabei, die Kalifornier.

Sie lassen mich an einen Bastard aus Amerikas kultigster Epic Metall Band, den größten US Progmetalhelden, Englands besten 70s Prog und 80s Neoprogheroen und den ehrwürdigsten und zugleich intensivsten US Sludge Proggern denken, ohne zulange mit Elementen anderer Künstler zu spielen. Einflüsse schön und gut, aber die werden einfach genommen und verwurstet.

Ob mein Verstand die teils disharmonischen Momente künstlerischen Spielwitzes vollends erfassen kann, lass ich einmal dahingestellt sein. Diese um die Ecke gedachten, abgefahrenen Augenblicke sind die Wege, an deren Ende man die machtvolle Schönheit von Melodien erlebt, die kaum einem Menschen entsprungen zu sein scheinen.
Die ganze Platte ist ein einziger irrer Trip durch mystisch verwunschene Klangwelten, perfekt inszeniert und langfristig wirkend. Top Epic Heavy Progressive Metal Goldstück.

(9 Punkte)

 

https://facebook.com/theghostnextdoor


(VÖ: 21.06.2024)