Livehaftig

Hell Over Heidelberg: HEIDELBERG DEATHFEST Pt. IV 2019

~ 23.03.2019, Halle 02, Heidelberg ~


Im Rhein-Neckar-Raum ist es schon eine kleine Institution: das Deathfest Heidelberg. Bereits zum vierten Mal veranstaltet, fand es abermals sehr gut besucht am 23. März in der Halle 02 statt. Und es war wieder eine Wucht! Das Line-Up von Gore über Grind bis Death ließ auch 2019 wenig Wünsche offen:

  • UNLEASHED
  • VOMITORY (30th Anniversary & European Reunion Show)
  • MISERY INDEX
  • ILLDISPOSED
  • SPASM
  • FLESHCRAWL
  • PROSTITUTE DISFIGUREMENT
  • ACRANIUS
  • RECTAL SMEGMA
  • DEATHRITE
  • ZOMBIESLUT
  • AL GOREGRIND

Von Kuriositäten wie dem Duo AL GOREGRIND aus dem Frankfurter Umland bis hin zu vernarbten, aber weithin geschätzten Veteranen wie dem Headliner UNLEASHED aus „good ole Sweden“: Es fand sich kein Grund zum Meckern, die Geschmäcker wurden fürstlich bedient. Und alles bei sehr gut ausdefiniertem Klangbild in der Halle 02. Der Mischer wusste, was er tat: der Sound passt bis zum Schluss, weswegen sich Haupt-Act UNLEASHED auch extra nochmals bedankte.

 

Heidelberg lässt Death Metal-Tote wieder auferstehen

 

Co-Headliner waren die ebenfalls aus Schweden stammenden VOMITORY, die ihre europäische Reunion-Show in Heidelberg feierten, was einige Fans aus weiten Teilen der Republik anreisen ließ. „Ich find‘ die so geil, da würde ich bis nach Sibirien für fah’n, Aller!“, begeisterte sich ein kahlköpfiger Gymnasial-Konrektor aus dem Rheinischen, für den die „erste CANNIBAL CORPSE übrigens Allgemeinbildung“ sei.

 

 

VOMITORY sind Fan-Sache. Generischer Death Metal der 1990er-Schule, der aber seine Fans hat. Die Reunion in Heidelberg hat VOMITORY ebenso gut getan wie den Moshern vor der Bühne. Ein seliger Bier- und Haar-Reigen. Obgleich die Musiker von VOMITORY sich selbst kaum einen Zentimeter bewegten bei ihrem Auftritt. Die Menge tobte dabei umso mehr.

 

UNLEASHED – Wikinger mit Schlager-Schlag

Der Headliner UNLEASHED konnte an diese Mega-Stimmung, sichtlich dankbar, anknüpfen. Die schon öfters ausgewechselte Wikinger-Mannschaft um Gründer, Sänger und Bassist Johnny Hedlund veröffentlicht bald ihr 13. Studio-Album – aber die „We are Northern Warriors!“ zockten am 23. März vorrangig Evergreens von ´Where No Life Dwells´ (1991), ´Shadows In The Deep´ (1992) und ´Across The Open Sea´ (1993). Ein Death Metal-Fest der alten Schule!

Mal ehrlich: Konzerte wie diese haben leichten Schlager-Charakter in der Form, dass jeder Besucher (METALLICA-Fans wissen wohl nur zu gut, was gemeint ist) eigentlich ausschließlich Klassiker hören möchte; neueres Material wird eher beiläufig mitgenommen. Sei’s drum – Hedlund und seine Leute hatten wie wir ihren Spaß dabei. Der Autor entschuldigt sich an dieser Stelle, dass kein Bildmaterial für UNLEASHED zur Verfügung steht: Aber kurz vor dem Headliner versagte sein mobiles Endgerät auch für Fotos

 

Die Kür des Grind: MISERY INDEX

 

Persönliches Highlight waren ohnehin MISERY INDEX, in der Running Order noch vor VOMITORY und UNLEASHED geklemmt. Deren neues Album ´Rituals Of Power´ ist der Hammer – und live sind sie, 2001 gegründet, eine über die Jahre gut geölte Grind-Death-Maschine.

 

 

Zwischen Raserei und schweren Grooves bolzten die vier Amis alles in Grund in Boden – technisch auf hohem Niveau. Selten erlebt man extreme Bands, die bei aller Versiertheit wirklich noch Songs schreiben: mit markanten Riffs und Soli, die wie einst bei METALLICA und stets bei PANTERA mindestens zum Mitsummen einladen. So geht Härte mit Gefühl. Die Heidelberger zeigten sich zu Anfang des Sets zwar noch etwas verhalten – aber dem wachsenden Zuspruch und den zahlreichen Circle Pits gegen Ende nach zu urteilen, haben MISERY INDEX an dem Abend nicht nur mich restlos überzeugt.

 

 

Hervorzuheben bei diesem Tagesfestival sind noch die deutschen Deather FLESHCRAWL mit ihrem ordentlich beklatschten Set aus Klassikern der rund 20-jährigen Bandhistorie sowie ihre Landsmänner DEATHRITE, die zwar meines Erachtens viel zu früh ranmussten – aber die eher kleine Crowd zu früher Stunde mit ihrem Crust-Grind-Death restlos zufriedenstellten.

ILLDISPOSED hatten scheinbar einen Fanclub aus Dänemark dabei, obgleich der Sänger „leicht geschwächt mit einem ordentlichen Kater“ nicht ganz zur Top-Form auflief. Insgesamt konnten also nicht nur Großen, sondern auch die zweite Reihe bzw. der Nachwuchs beim Heidelberger Publikum punkten. Erwähnenswert sind außerdem SPASM, die zwar musikalisch nicht weiter auffielen, mit ihrem lieblosen 1990er-Riffs-Recycling – dafür aber visuell mit Schock-/Gore-Effekten bei ihren Zuschauern umso mehr punkteten. Wohl Geschmackssache.

 

 

Überdies: Ein großes Lob an die Macher, die dieses Tagesfestival abermals zu einem Ereignis machten. Ausgewogenes Billing, Top-Setting, sauber organisiert, mit vielen Möglichkeiten für Entspannung, Stärkung und Plattenstöbern zwischendurch. Was ja insbesondere für die zahlreichen Fans zählt, die nicht wie ein paar Youngster von Papi oder Mami mit dem SUV herangekarrt und wieder abgeholt wurden – sondern als Zeitzeugen der ersten Veröffentlichungen von UNLEASHED & Co. einfach mal Durchatmen wollten bei einer Hopfenkaltschale, um neue Kraft zu tanken. Ein Festival auch für Veteranen, wie es sein muss.


(Fotos: Johannes Zenner)