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FISH – A Parley With Angels

~ 2018 (Chocolate Frog Records) – Stil: Singer/Songwriter Progrock ~


Der sympathische Schotte ist endlich wieder da. Kurz vor der anstehenden Tour, bei der das wunderbare letzte Abum ‚Clutching At Straws‘ aus seiner MARILLION-Ära dargeboten wird, schickt Derek William Dick eine EP voraus, die drei neue Songs seines kommenden Abschiedsalbums (?) ‚Weltschmerz‘ und vier Livesongs enthält (Preview hier). Nachdem ROGER WATERS letztes Jahr seine mächtige Gesellschafts-Saukeule rausgehauen hat, ist es mehr als verständlich, dass der immer reflektive FISH diesmal ebenfalls seine Sicht zur Lage der Nation bzw. des Erdballs offenbart. Mit einer Spielzeit von über einer Stunde (davon allein über 30 Minuten neues Material) bekommt der Angler ’nen ansehnlichen Fang.

Wenn Roger fragt ‚Is This The World You Want?‘, könnte FISH antworten: Eigentlich nicht, sie war aber letztes Jahrhundert auch schon so trostlos. Besonders nach dem ersten Weltkrieg, mit dem sich FISH auf seinem letzten Output ‚A Feast Of Consequences’ auf den Spuren seines Großvaters mütterlicherseits William Paterson ausgiebig beschäftigte. Das durch den Tod seines Vaters 2016 insprierte ‚Man With A Stick‘ über die Unausweichlichkeit des Alterns durch verschiedene Lebensphasen erinnert durch die schöne Percussion-Rhythmik an FISHs altes Vorbild PETER GABRIEL zu dessen späteren Soloalben und dürfte als Singleversion den entspannten Hit darstellen, wenn man bei diesem wortgewandten Sozialsongschreiber von Hits sprechen kann. Exzellente Keyboardorgie bei fantastischem Sound. Dafür sind Schallplatten gemacht. Jünger des GABRIEL geraten hier definitiv in Verzückung.

Danach locken die ‚Waverly Steps (End Of The Line)‘ den Longtrackprogger. Alle Register FISHschen Schaffens, auch zu MARILLION-Zeiten, werden hier in einer Viertelstunde gezogen, von epischen Bläsern, über Streicher bis zu wunderschönen akustischen oder erzählenden Gitarren. Dieser alles andere als unsichere Schritt führt direkt in Richtung ‚Clutching At Straws‘ oder ‚Vigil In A Wilderness Of Mirrors‘. Ein Meisterwerk von Lied, welches musikalisch als auch durch die Lyrics über das Leben eines unbekannten Protagonisten aus der Sicht eines Beobachters fesselt wie ein eigener Roman.

He hid in his heart alone in the darkness and fought back the tears from his eyes the weight of his world the heaviest burden, crushing his chest and his mind
Sometimes dreams are not everything, sometimes hope’s out of sight held in the realm of the helpless in the jaws of the dog in the night.
Desperate for love, a guardian angel to seal up the cracks in his soul, to build him a home, lighten his burden to ward off the dog from his door.

Das ruhige ‚Little Man What Now‘ mäandert nachdenklich durch die Lauscher, gestreichelt von Klavier und Saxofon in seiner PINK FLOYD-ischen Stimmung – nicht nur wegen der ebenfalls über zehnminütigen Länge, den herrlichen weiblichen Backings und der ausbrechenden Gitarre im Moment der emotionalen Steigerung. Klagend erzählen Sänger, Saxofon und Streicher vom Schicksal eines jungen Paares in den Wirren der Depression der 30iger Jahre zwischen den Kriegen – inspiriert von einem Roman von Hans Fallada.

Die zusätzlichen Livetracks passen wunderbar ins reflektive Gesamtkonzept. Eröffnet wird der Reigen von ‚Circle Line‘ (von ‚13th Star‘) über den Wahnsinn in der U-Bahn mit äußerst feinem Gitarrensolo an IQ – Keyboards. Danach kuscheln bei ‚State Of Mind‘ (von ‚Vigil In A Wilderness Of Mirrors‘) mit der ruhigsten Rebellion im Hinterkopf gegen politische Sackgassenregierungen. Wie lange wir den konformistischen Gleichschritt der modernen Gesellschaft noch mitmarschieren wollen, fragt der ‚Emperor’s Song‘ und die typische Rothery-wise singende Gitarre (von ‚Suits‘). Der Verdummung der Menschheit durch das ungezügelte Konsumieren gesendeten Brainmülls im medialen Overkill widmet sich das flotte ‚Voyeur‘ (ebenfalls vom Solo-Debüt). EP aus, eine Stunde vergangen, musikalisch voll befriedigt – und Denkanstöße zum stundenlangen Grübeln. Wow. That’s the one and only FISH.

Insgesamt gestaltet sich der Ausblick auf den ‚Weltschmerz‘ ruhig und introvertiert, wer eher den aggressiven ‚Weltärger‘ sucht, bleibt bei den alten MARILLION oder eben ROGER WATERS. Und FISH wäre nicht FISH, wenn er bei allen angesprochenen Lasten der Seele (aktuell auch hier) den Blick nicht auf die Hoffnung lenken würde:

I’ll face the inevitable ending, and the fact there’ll be no curtain call
I hope they write up my performance, the reviews are favourable
Until then I’ll dance the fandango with a smile as big as the moon
Worship the arrival of tomorrows and whistle an uplifting tune
I won’t let you bring me down, I won’t let you bring me down, I won’t let you bring me down , not today.

(9 erwartungsvolle Punkte auf einen Klassiker)

http://fishmusic.scot/