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(DOLCH) – III – Songs Of Happiness, Words Of Praise

~ 2017 (Ván Records) – Stil: Black Valium-Ambient ~


Wenn (DOLCH) ein Album ´Songs Of Happiness… Words Of Praise´ nennen‚ wenn sie dann `…mit Pauken und Trompeten` einsteigen, `Track Six` den teuflischen Rückwärtsvocals und den verstörendsten Song der neuen EP dem „Gute-Laune-Hormon“ Serotonin widmen, dann kann man all das wörtlich nehmen – darf es aber natürlich nicht. Die beiden Hamburger sind Meister der Ironie, des Zynismus, Existentialisten der extrem düsteren Musik, sie nehmen das Genre auseinander, sezieren es geradezu, wenn sie mit Fake-Applaus und extrem verlängerter Dauerschwingung spielen. Sie haben sich mittlerweile gut eingerichtet in ihrer Nische eines kühlen, zurückgenommenen, reduzierten Klangkosmos zwischen Ambient-Loops und zähflüssigen Black Metal-Eruptionen, der durchgehend auf Wiederholung basiert, wobei mir das Wort „gemütlich“ in diesem Zusammenhang nicht mal für eine Zehntelsekunde in den Sinn käme, unbequem, isoliert, spröde, brüchig ist der Boden, auf dem sie sich bewegen.

Die neuen Songs sind noch mal eine ganze Ecke düsterer, sperriger und unzugänglicher als die bekannten Lieder der ersten beiden Demos oder der letzten Singleveröffentlichungen, oft einschläfernd langsam – hier passiert nicht viel, aber gerade dies hat absolut hypnotische Wirkung. Alle Lieder funktionieren wie Mantras, es wird gesungen, jedoch noch viel öfter geflüstert und geraunt – EURYTHMICS unter starken Tranquilizern.

Die Uhr tickt während unserer zügigen Fahrt auf `The River`, es geht die ganze Zeit um Leben und Tod, um den Raum zwischen beiden, wenn nicht genügend Energie für das eine oder das andere da ist. Eine tod-(oder lebens-?) müde `Siren` lullt uns vor dem Hintergrund eines schleppenden Herzschlages mit ihrem sehnsüchtig-schmerzvoll verhalltem, lockendem Lied ein, bis wir geradezu überfallen werden von Gitarren und Schlagzeug, die jedoch sofort ebenfalls ruhiggestellt werden. `Hydroxytryptamin Baby I` findet komplett in einem Nebel statt, vielleicht auch in einer Gummizelle, aus der geknebeltes Wimmern und Stimmfragmente dringen, die Pauken und Trompeten bringen Besessenheit zurück und hinterlassen uns gelähmt. Beängstigender, gespenstischer geht es kaum. ´100 000 Days`? Sie müssen es halt immer übertreiben. Aber auch ein (DOLCH) ist nur ein TOOL, und auf sechs Minuten fragmentarischer Melodien und ätherischer Gesänge folgen schließlich zwölf ganze Minuten einer einzigen, wie üblich gedämpften Rückkopplungs-Dauerschwingung. Das Leiden, die Qual – es nimmt einfach kein Ende. Ein Paradestück der scheinbar endlosen gleichförmigen Wiederholung, das Meiste passiert hier im Hintergrund. Und ein ganz wunderbarer Song für die Distortion-Noise-Endlosschleife am Ende eines Konzertes, wie bereits auf der laufenden Tour mit KING DUDE zelebriert (Review siehe hier).

Die neue (DOLCH) sollte nur auf Rezept oder zumindest mit Beipackzettel an nervlich gefestigte Hörer ausgegeben werden. Sie ist regelmäßig, aber zuerst vorsichtig dosiert anzuwenden, wie bei jedem anderen Psychopharmakon wird die Wirkung erst nach einiger Zeit spürbar eintreten. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen sie ihren Psychiater oder örtlichen Schamanen.

(8 Punkte)