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BLEEDING – Behind Transparent Walls

~ 2015 (Pure Prog Records) – Stil: Metal ~


Wir schreiben das Jahr 2015 und es erscheint abermals überirdisch gute Musik. Musik für Liebhaber. Musik für Genießer. Musik für Feinschmecker. Musik für den Connaisseur. Musik von BLEEDING.

Wie der Bandname bereits verrät, wurde die Band im März 2011 bei einem PSYCHOTIC WALTZ-Konzert geboren und entstand, wie so oft, aus den bisher unerfüllt gebliebenen musikalischen Experimenten der einzelnen Musiker. Während Sänger Haye Graf (ex-ADRIAN) sowie Gitarrist Jörg von der Fecht schon bei FORMS IN COMBAT zusammen musizierten, war Marc Nickel – ebenfalls Gitarre – bei KURAI TANIMA zugange. Bereits die erste EP (REVIEW hier) wurde allerorts begeistert aufgenommen und ließ die Erwartungen in diesen Newcomer aus Stade bei Hamburg in beträchtliche Höhen anwachsen. Vor den Aufnahmen zu diesem Debüt konnten sie außerdem mit Marc Kriese (Bass) und Michael Leska (Drums) zwei ehemalige KURAI TANIMA-Musiker zur Komplettierung der Bandbesetzung gewinnen.

Obwohl die von der EP her bekannten Ingredienzien recht gleich geblieben sind – der Sound hält neben Thrash Metal-Parts unzählige prog-metallische Köstlichkeiten bereit – so stellt sich die Musik, die zuvor, trotz ihrer Brillanz, nur wie viele dicke Farbtupfer erschienen war, nun eindrucksvoll erweitert als umfassendes, vielfarbiges Kunstwerk dar.

Mit dem Titeltrack und `Fading World´ füttern sie zum Einstieg sogleich den Liebhaber der anmutigsten Töne von DEPRESSIVE AGE über ANACRUSIS, SECRECY und selbstredend PSYCHOTIC WALTZ an. Haye Graf kann dabei zwischen einem gefühlvollen Jan Lubitzki oder einem manchmal schreiendem Warrel Dane eine wunderbare Gesangspalette abdecken. Abrupte Tempowechsel, die sich überwiegend geschwind in schnellen thrashigen Parts ausleben, können dabei nur noch von genialen, aberwitzigen Gitarrensoli gekrönt werden. Und solch einen überragenden, plötzlichen Wechsel kann der Genießer in `Humananoluminscence´ bestaunen (“This mantis crab in the deep blue sea, mercyless assassin of the first degree, cuts your finger like a straw, producing shrimpoluminscence with its claw”), nachdem es zuvor auf dem Song, trotz anfänglich eher ruhigen Klängen, auch halsbrecherische Gitarrenfahrten zu bewundern galt. Ein herausragender Song, voller gehaltvoller Inspirationen. Dabei sollten die mehr als nur ansehnlichen lyrischen Ergüsse aus der Feder des Sängers ausdrücklich ihre Erwähnung finden.

Während der nächste angehende Klassiker ´Symbol Of The Sun´ mit einer für den Feinschmecker nie wieder aus dem Gehirn weichenden Melodie von der Akustikgitarre beginnt sowie endet, kämpfen die anschließenden ´Madness´ und vor allem ´Infinite Jest´ um die Krone der unvergesslichen Hits. Selbst wenn sperrige Rhythmen diese Songs anfänglich nicht als solche sofort ausweisen sollten und vordergründig vertrackt erscheinen lassen, entriegeln spätestens die wohlklingenden Refrains die Himmelspforten. Das Intro (`Solitude Part 1`) zum abschließenden Longtrack (`Solitude Part 2`) erweist sich dann mit abermaliger Akustikgitarre durch Haye und seinem Gesang sowie kanonartigen Backgroundgesängen als ein weiterer Gänsehautmoment – eine formvollendete, geradezu epische Stimmung. Der Abschluss ist schließlich ein würdiges Feuerwerk (“Tossing and turning, I´m yearning, I´m burning alive in this hell, climbing the staircase, I´ve wasted I´ve tasted, that´s all I can tell, the door is wide open, the spell has been broken, so I wish you well, a portrait of wisdom, the prism, the schism, the angel that fell”) für den Connaisseur von NEVERMORE bis CANDLEMASS, wie einerseits die thrashigen Parts inklusive des Gesangs und andererseits ein hervorstechend langer Doom-Part unterstreichen.

Es ist an der Zeit, neue großartige Musik zu entdecken, wie seinerzeit, als die Lieder von PSYCHOTIC WALTZ, TOXIK, REALM oder SIEGES EVEN mit jedem Ton unter die Haut gingen und die Seele des Hörers in seinem tiefsten Innern berührten. BLEEDING sind solch eine Band – eine Band, die zwar ebenfalls ihre Vorbilder kennt, dabei aber vollkommen unbeschwert sowie ideenreich ihre Tonfolgen erklingen lässt – und ohnehin der prächtigste Newcomer seit Jahren. Mit ATLANTEAN KODEX zusammen sind BLEEDING das Beste was die nationale, wie auch die internationale Metal-Szene momentan aufzubieten hat.

(9,5 Punkte)