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MITCH RYDER – Georgia Drift

~ 2023 (BF/BuschFunk) – Stil: Rock ~


Mitch Ryder ist schon seit den 60er Jahren aktiv, hatte auch einige Chartnotierungen in den nächsten Jahren in den USA. Anfang der 70er zog er sich aber aus dem Geschäft zunächst frustriert zurück. Später wagte er den Sprung Richtung Europa und wurde er zu einem der Favoriten der „Rockpalast“-Macher wie auch andere originelle Musiker wie Rory Gallagher oder Frankie Miller. Legendär war sein betrunkener Auftritt 1979 in Essen, der trotz (oder gerade wegen) Aggressionen gegenüber Rockpalast-Moderator Alan Bangs und dem Publikum in die Rockpalast-Geschichte einging.

Irgendwann hat Mitch Ryder aka William Levise, Jr. (sein eigentlicher Name) auch eine Autobiografie veröffentlicht. Ohne Ghostwriter genauso wie seine Musik – ungezügelt und ungekünstelt und etwas chaotisch. Anscheinend hat er Millionen Dollar ans Management verloren und zwei „Ehehöllen“ überlebt.

Jetzt ist der gute Mitch aber schon 77 Jahre alt, schon lange „trocken“ und auch brav geworden. Seinen Schwerpunkt hat er auf Europa und insbesondere Deutschland gelegt, wo er immer mal wieder Platten mit der deutschen Begleitband ENGERLING veröffentlichte. Die letzte Veröffentlichung liegt jetzt schon zehn Jahre zurück. Meist zu Beginn des Jahres geht Mitch auch auf Tournee, es gibt noch ein paar hartgesottene Anhänger, die ihn noch immer auf der Bühne sehen wollen.

Mitch Gesang auf ´Georgia Drift´ – mit anderer Band eingespielt – ist charakteristisch und spröde wie schon immer. Eindeutig identifizierbar, aber auch nicht jedem sein Geschmack. Seinem Alter und seiner Lebenserfahrung entsprechend lässt er es bei allen Songs eher locker und relaxed angehen. Sein Gesang steht im Mittelpunkt, bei ´Beautiful´ darf auch einmal die Gitarre ins Rampenlicht. Bei ´Lord´ oder ´Mask´ gibt es einen gospelartigen Chor im Hintergrund, der Kontrapunkte zu seiner rauen Stimme setzt und den dort souligen Vortrag unterstützt. Aber bei ´Mask´ auch ein kurzes Gitarrenintermezzo und was von der Geige.

´Naked´ geht eher in den rockigen Bereich mit leichten Blues- und Latinansätzen. Da ringt Mitch auch einmal um die richtige Note, aber er war schon immer kein klassischer Shouter mit großem Stimmvolumen. Eher ein origineller Nischensänger. Alle zwölf Songs sind mit nur einem Wort im Titel ausgestattet wie ´Words´, ´Old´ (klingt auch irgendwie so), ´Salvation´ (sein stärkster und emotionalster Titel auf der Platte), ´Winds´ (locker unterhaltend), ´Soul´ (entsprechend mit Soulanklängen, aber auch hart rockend) oder ´Love´ (gelungen schmachtend). Damit will Mitch wohl seine Musik auf das Existenzielle herunterbrechen, auf sein Leben und seine Gefühle zurückschauen.

Ehrlich gesagt hatte ich immer Sympathie für Mitch, aber in meiner Platten- und CD-Sammlung macht er sich eher rar. Er ist ein origineller Künstler, für manche sicher eine Art von „Messias“. Mir hat es Spaß gemacht, seiner Platte zu lauschen, aber eine große Offenbarung ist und war er für mich nicht. Aber durchaus spannend.

(7 Punkte)


(VÖ: 03.02.2023)