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DISILLUSION – Ayam

~ 2022 (Prophecy Productions) – Stil: Avantgarde Metal ~


„Ich höre, also bin ich“, frei nach dem französischen Philosophen René Descartes. Ich höre DISILLUSION und bin gefesselt von den Kompositionsmonolithen ihres neuesten Werkes, das schlicht ´Ayam´ betitelt ist. Das Wort dem Sanskrit entnommen, könnte es englisch ausgesprochen auch „I am“ bedeuten. Ich bin, da ich höre, in den filmischen Wogen ihres vierten Studioalbums gefangen.

Die deutschen Avantgardisten nutzten die vergangenen Jahre, um ein vielschichtiges Werk zu kreieren, das wie eine Windböe als auch ein Orkan um den Hörer saust. Niemand kann dieser Erhabenheit standhalten, ohne auf die Knie zu sinken. Niemand kann dem Schmerz der Melancholie entkommen, ohne eine Träne zu vergießen.

 

 

Ich stehe auf den Schultern der Welt. Von den höchsten Erhebungen aus betrachtet setzen Sirenen und Chöre ein, derweil ein sinfonisches Aufwallen samt Industrial und Blastbeats die Szenerie für die kommenden elf Minuten entworfen hat. Heroischer Gesang ist bei diesem Ausblick, ´Am Abgrund´, allerseits erlaubt („From the top of the world to the end of the sea.“), natürlich ebenso filigrane Gitarrenläufe und kurz vor dem Abstieg mitreißend sensiblere Momente („I would like to believe I am braver than this“).

Ich stehe im Auge des Orkans. Ein anhaltender Kampf beginnt. Doch plötzlich zeigen sich in ´Tormento´ sanfte Momente der Erholung im Gegensatz zu den wahnwitzig-technischen instrumentalen Death Metal-Spielereien. Ich glaube, ich stehe im Wald und höre die Natur. Das klipp-klapp Klappern von ´Driftwood´ lässt auch die Holzinstrumente der Kammermusik neben dem wallenden Bandsound sprechen und den Refrain hier drinnen beinahe flüstern („Hide it hide it in a daydream before morning comes.“).

Ich stehe wieder auf der Straße und das Gewitter direkt über mir. ´Abide The Storm´ rast zwölf Minuten, um mit Bläsern neuerlich die Gates of Hell zu stürmen. Ich stehe auf dem Feld und schaue („We are what we see.“), warte auf die Maschinen, ´Longhope´, die alles niederwalzen, garstig. Ich stehe am Fluss und betrachte die Bewegung. Das Klopfen der Trommeln im Ohr nimmt zu, ´Nine Days´ lang („You shall never reach the open sea.“). Ich stehe mitten in der Nacht im Nirgendwo, doch gemeinsam, ´From The Embers´, überstehen wir alles. Ich stehe still, ich bin. Ich sehe ´The Brook´, den Ozean in der Ferne. Ich höre ihn.

(9 Punkte)

 

 

Recorded & produced: Andy Schmidt & Disillusion @ Echolux Studios Leipzig. Drum recording engineering: Magnus Wichmann. Mixed: Jens Bogren @ Fascination Street Studios, Sweden. Mastered: Tony Lindgren @ Fascination Street Studios, Sweden.

Studiobesetzung

Andy Schmidt – vocals, guitar
Sebastian Hupfer – guitar
Ben Haugg – guitar
Robby Kranz – bass, backing vocals
Martin Schulz – drums

Gastmusiker

Birgit Horn – trumpet, flugelhorn
Clara Glas – cello
Frederic Ruckert – keyboard
Marek Stefula – triangle

Aktuelle Besetzung

Andy Schmidt – vocals, guitar
Ben Haugg – guitar
Robby Kranz – bass, backing vocals
Martin Schulz – drums

 

https://www.facebook.com/disillusionBand/


Pic: Sergey Sivushkin
(VÖ: 4.11.2022)