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TOCOTRONIC – Nie wieder Krieg

~ 2022 (Universal) – Stil: Rock ~


Leider war der Albumtitel ´Nie wieder Krieg´ von TOCOTRONICs neuester, im Januar veröffentlichter Scheibe nicht prophetisch proklamiert, lässt sich aber wunderbar massentauglich und profiterhöhend auf T-Shirts abdrucken, denn der schöne Titelsong („Nie wieder Krieg, das ist doch nicht so schwer.“) bezieht sich mit melancholischen Gitarren allein auf die inneren Verletzungen im zwischenmenschlichen Bereich („Nie wieder Krieg in dir, in uns, in mir.“).

Noch schöner macht sich natürlich auf den Shirts und Kaffee-Tassen der alte Kommunisten-Spruch ´Jugend ohne Gott gegen Faschismus´ zu jaulenden Gitarren. Doch als Atheist braucht selbstverständlich niemand Faschisten und wirklich keiner Kommunisten. Als klar denkender Mensch, der nicht Sklave von irgendjemanden sein will, braucht es gar keine Herrschaftsansprüche von dort oben und ebenfalls nicht hier unten. Vielleicht meinen die Hamburger auch schlicht und einfach nur ihre besungenen Gefühle.

Und die Antwort, wo wir eine freie Welt finden, bleiben uns die Hamburger auf ihre Aufforderung ´Komm mit in meine freie Welt´ samt dissonanten Gitarren ebenfalls schuldig.

Nach diesen drei Songs zu Werkbeginn sind allerdings auch fast schon die Höhepunkte abgehandelt. Allein der psych-poppige Hilfeschrei ´Ich gehe unter´ oder das geheimnisvolle Duett mit SOAP&SKIN-Sängerin Anja Plaschg lassen abermals aufhorchen. Vieles tönt – die Feststellung „Ich hass‘ es hier“ aus ´Ich hasse es hier´ klingt irgendwie nach „Ich hasse Seal“ – und scheppert auf dem 13. Album von TOCOTRONIC wie ein verfrühtes Alterswerk, das alte Glanztaten aufleben lassen will, jedoch im weiteren Verlauf und zum Ende hin immer öfter die Akustikgitarre herausholt. Dem entgegengesetzt nutzt immerhin noch der ´Nachtflug´ seine melancholische Wah-Wah-Gitarre.

Die alten, aber selbst die jüngeren Tage klangen weitaus besser. Leider.

(6,5 Punkte)